# taz.de -- taz-Adventskalender (2): „Es herrscht eine ziemliche Ignoranz“ | |
> Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas | |
> brennen. Hinter Türchen Nummer zwei: Taina Gärtner von Lampedusa Berlin. | |
Bild: Schönen ersten Advent! | |
„Ich war ja so froh, als ich 2012 hörte, dass der Marsch der Flüchtlinge | |
gegen die deutsche Asylpolitik am Oranienplatz enden würde. Klasse, das | |
werden deine neuen Nachbarn, dachte ich. Ich hatte mich auch vorher sehr | |
für das Thema interessiert, mich da oder dort engagiert. Ich gehöre ja | |
nicht zu den Leuten, die von irgendwelchen Sauereien hören und sich dann | |
eiskalt weg drehen nach dem Motto: Was geht mich das an. Aber bei dem Thema | |
dachte ich schon, was kann man groß machen außer Geld spenden fürs | |
Medibüro, Pro Asyl oder so. Und dann waren sie bei mir um die Ecke. | |
Ich bin dann auf den O-Platz gezogen, wollte die Leute richtig kennen | |
lernen, was übrigens einige der anderen Unterstützer nicht verstanden | |
haben. Aber so haben die Afrikaner Vertrauen zu mir gefasst, mir ihre | |
Geschichten erzählt, auch viel Grausames über die Massaker 2011 in Libyen | |
zum Beispiel. Sie wussten, ich war da, höre zu und helfe, wo ich kann. So | |
ist es bis heute. | |
Bei mir wohnt eigentlich immer jemand auf dem Sofa. Ich bin permanent am | |
Klinkenputzen für weitere Schlafplätze. Ich versuche Praktika oder Jobs für | |
sie zu finden – oder Therapieplätze, viele der Männer sind ja | |
traumatisiert. Ich bekomme bestimmt 20 Textnachrichten am Tag von Leuten, | |
die ich teilweise nicht mal kenne: Mal soll ich einen Brief vom Amt | |
übersetzen, mal jemanden zum Jobcenter begleiten. Einer braucht einen Arzt, | |
einen Anwalt – und manchmal einfach nur etwas Smalltalk per Whatsapp, weil | |
er allein in einem schrecklichen Lager irgendwo in Thüringen sitzt. Und | |
irgendwer braucht immer Geld: Für ein Ticket nach Italien, um dort seine | |
Papiere zu verlängern, für Essen … | |
Ich habe ja selbst nicht viel, bekomme Hartz IV, gehe Flaschen sammeln, | |
weil ich inzwischen viele Schulden habe. Aber durch die Afrikaner habe ich | |
auch gelernt, mir nicht mehr so viele Sorgen zu machen, was morgen ist. | |
Auch wenn es bei mir oft nur Bohnen und Reis gibt und die Bude kalt bleibt. | |
Aber irgendwie geht es weiter, es finden sich immer wieder Leute, die Geld | |
spenden, sich engagieren. Und zur Weihnachtszeit stopfe ich mich jetzt | |
wieder überall mit Keksen voll. Ich als Deutsche werde hier nicht | |
verhungern. | |
## Wenn jeder nur ein bisschen teilt | |
Klar wäre die Welt besser, wenn mehr Menschen so leben würden. Dann würde | |
es auch Leuten wie mir wieder besser geben. Wenn jeder nur ein bisschen | |
teilt, müsste jeder weniger abgeben. Aber so ist es ja leider nicht, es | |
herrscht doch eine ziemliche Ignoranz. Manche rennen schon weg, wenn ich | |
komme mit meiner virtuellen Spendenbox. Dann hat jetzt jeder „seinen | |
Syrer“, um den er sich kümmern muss. Das ist ja auch gut, aber darüber | |
vergessen viele, was es heißt, Flüchtlinge zu versorgen, die komplett | |
illegalisiert sind und keine staatliche Hilfe bekommen. | |
Manchmal wird mir das schon alles zu viel. Aber aufhören kann ich nicht | |
mehr. Erst müssen existenzsichernde Lösungen für die Menschen her.“ | |
Protokoll: Susanne Memarnia | |
2 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
## TAGS | |
Drogenhilfe | |
Lampedusa | |
Afrikanische Flüchtende | |
Grüne | |
Parteien | |
Privatisierung | |
Tabakindustrie | |
Fluchtrouten | |
Serbien | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
taz-adventskalender (7): Die Eisbrecherin | |
Der Adventskalender präsentiert BerlinerInnen, die für etwas brennen. | |
Hinter Türchen 7: Eva Quistorp, Ex-Grüne und Trägerin des | |
Bundesverdienstkreuzes. | |
taz-Adventskalender (6): „Eine Partei zu gründen war logisch“ | |
Der Adventskalender präsentiert BerlinerInnen, die für etwas brennen. | |
Hinter Türchen Nummer sechs: Aktivist Felix Herzog, Mitgründer der Partei | |
Vera. | |
taz-Adventskalender (4): „Kraft finde ich bei Bach“ | |
Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas | |
brennen. Hinter Türchen Nummer vier: Privatisierungskritikerin Ulrike von | |
Wiesenau. | |
taz-Adventskalender (1): „Die Tabakindustrie wirbt für den Tod“ | |
Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas | |
brennen. Hinter Türchen Nummer eins: der Nichtraucheraktivist Johannes | |
Spatz. | |
Flüchtlinge im Mittelmeerraum: Das neue Tor nach Europa ist Tunesien | |
Seit den Kämpfen entlang der libyschen Küste steigt die Zahl von Migranten, | |
die die gefährliche Reise über das Mittelmeer von Tunesien aus antreten. | |
taz-Serie Fluchtpunkt Berlin: das Ende: Macht’s gut! | |
Zwei Jahre lang hat die taz zwei Flüchtlingsfamilien in Berlin begleitet. | |
Ein persönlicher Rückblick auf zwei Jahre Flüchtlingskrise – und ein | |
Abschied. | |
Deutsche Seenotretter im Mittelmeer: Italien beschlagnahmt NGO-Schiff | |
Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt ein Schiff von „Jugend rettet“. Das | |
Parlament in Rom stimmte indes für einen Militäreinsatz vor Libyen. |