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# taz.de -- WTO-Konferenz in Buenos Aires: Im Schatten von „America first“
> Trumps Abkehr vom Freihandel schwächt die Welthandelsorganisation weiter.
> Das bietet aber auch Chancen für die Europäische Union.
Bild: Beraten wird auf der WTO-Konferenz über globale Liberalisierungsregeln f…
Auf dem Spiel steht nach Ansicht mancher Delegierter viel mehr als nur die
Liberalisierung: Es geht bei der seit Sonntag in Buenos Aires tagenden
Welthandelsorganisation um Sachthemen, aber vor allem um die künftige
Bedeutung der WTO als Hüterin des freien Welthandels selbst. Aufgebracht
hat das Thema US-Präsident Donald Trump. Schon im Wahlkampf hatte er die
WTO ein „Desaster“ genannt. Und auch nach seinem Amtsantritt im Januar
blieb seine Distanz zum Regelsetzer und Überwacher des globalen Handels
groß.
Nun beraten die HandelsministerInnen aus den 164 Mitgliedstaaten über
globale Liberalisierungsregeln für Einkäufe per Internet, für den Handel
mit Dienstleistungen sowie für den Warenverkehr mit Umweltgütern. Zudem
geht es bei der viertägigen Konferenz um den Abbau handelsverzerrender und
umweltschädlicher Subventionen für Fischereiflotten. Mit abschließenden
Vereinbarungen ist allerdings – mal wieder – nicht zu rechnen.
Denn: Bei allen Themen hatten sich die ständigen BotschafterInnen in der
Genfer WTO-Zentrale in über zweijährigen Verhandlungen nicht auf gemeinsame
Beschlussvorlagen einigen können. Diese 11. Ministerkonferenz seit Gründung
der WTO im Jahre 1994 steht im Schatten von Trumps „America first“. Zudem
wird sie erneut begleitet von Demonstrationen globalisierungskritischer
Nichtregierungsorganisationen (NGOs).
Noch bevor es überhaupt losging, hatte die WTO bereits ihren ersten
Aufreger: Einigen Dutzend von der WTO bereits akkreditierten VertreterInnen
von NGO und Gewerkschaften hatte die Regierung Argentiniens trotz eines
Abkommens mit der WTO die Einreise verweigert – ein bislang einmaliger
Vorgang in der WTO-Geschichte.
## Noch immer keine Welthandelsregeln für arme Länder
Kritik an der vor allem von der EU und den übrigen Mitgliedern der
Organisation wirtschaftlich entwickelter Staaten (OECD) bestimmten Agenda
der WTO-Konferenz übte auch der Hauptgeschäftsführer des katholischen
Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel: „Statt Themen wie weitere
Deregulierungen im Internethandel und im Dienstleistungssektor ganz oben
auf die Agenda der Konferenz zu setzen, sollte die EU für Handelsregeln
eintreten, die besonders Entwicklungs- und Schwellenländern deutlich mehr
Spielraum für eine eigene Entwicklung gibt.“
Ärmere Länder müssten etwa ihre Landwirtschaft und das Recht auf Nahrung
schützen können. Von den OECD-Ländern erwarte Misereor „klare Zusagen zur
Abschaffung aller Subventionen, die landwirtschaftliche Dumpingexporte oder
die Überfischung der Meere begünstigen“. Nur so könne die angestrebte
Wiederbelebung multilateraler Handelspolitik auch öffentlich Unterstützung
gewinnen. Die Agrar-und Handelsexpertin von Oxfam, Maria Wiggerthale,
kritisierte, dass die Zusagen der WTO-Ministerkonferenz von Doha anno 2001,
faire Welthandelsregeln für ärmere Länder zu schaffen, bis heute nicht
umgesetzt wurden.
Tatsächlich ist die WTO seit Doha fast völlig blockiert. Denn seit dem
Beitritt Chinas im Jahr 2000 formierte sich eine von Peking geführte Gruppe
von Schwellenländern. Gegen diese konnten die ehemals dominierenden
Wirtschaftsmächte USA, EU, Japan und Kanada ihre Interessen selbst dann
nicht mehr durchsetzen, wenn sie in der WTO gemeinsam auftraten.
Seitdem konzentrierten sich diese Wirtschaftsmächte und auch Australien auf
bilaterale und multilaterale Freihandelsabkommen – wie TTIP (EU/USA), Ceta
(EU/Kanada), TPP (Pazifik/Anrainer), Jefta (Japan/EU) oder Tisa
(Dienstleistungen). Doch seit Antritt der Trump-Regierung vollzieht
Washington eine weitgehende Abkehr von derartigen Abkommen, wenn diese
„nicht den Interessen der USA dienen“.
## Neuer Protektionismus unter Trump
Zugleich richtet sich Trump aber auch immer stärker gegen einst unter
aktiver Mitwirkung der USA geschaffene globale Handelsvereinbarungen im
Rahmen der WTO. Gleichzeitig errichtet er – zum Teil unter klarem Verstoß
gegen diese Vereinbarungen – zahlreiche neue protektionistische Hürden zum
„Schutz“ der US-Wirtschaft.
Unter Trump hätten „die USA ihre seit 70 Jahren währende Führungsrolle bei
der Entwicklung des Welthandelssystems aufgegeben“, sagte der deutsche
WTO-Vizedirektor Karl Brauner in Buenos Aires. Für die EU sei das von den
USA hinterlassene Vakuum aber eine Chance, die sie zunehmend wahrnehme. Als
Beispiel nannte er einen Vorstoß der EU und Brasiliens, weltweit
inländische Agrarsubventionen zu senken. „Nationalismus, Separatismus und
Populismus sind Irrwege“, sagte Brauner. Letztlich „können wir die Probleme
der Welt nur gemeinsam lösen“.
10 Dec 2017
## AUTOREN
Andreas Zumach
## TAGS
Protektionismus
Donald Trump
Subventionen
WTO
Jefta
TPP
USA
Schwerpunkt USA unter Trump
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WTO
Welthandel
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China
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