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# taz.de -- Streit über Schädlichkeit von Glyphosat: Wieviel Krebs darf's den…
> Die EU will am Donnerstag entscheiden, ob das meistverkaufte Pestizid
> weiter gespritzt werden darf. Es gibt Hinweise, dass das Mittel
> krebserregend ist.
Bild: Müssen für alles herhalten: Versuchsratten
Berlin taz | Das wichtigste Argument der Glyphosat-Gegner ist, dass die
Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation
(IARC) das Pestizid [1][als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft] hat.
Dabei hat sich die Agentur insbesondere auf jeweils zwei Versuche mit
Mäusen und Ratten berufen, die Tumore entwickelten, nachdem sie Glyphosat
gefressen hatten.
Dass in manchen Experimenten mit dem Wirkstoff gefütterte Tiere statistisch
bedeutend mehr Krebs als normal bekamen, ist unumstritten. Doch die
EU-Chemikalienbehörde Echa beispielsweise hält diese Ergebnisse für
[2][nicht aussagekräftig genug], um auf eine Gefahr für Menschen zu
schließen und deshalb Glyphosat zu verbieten.
## Einwände gegen die Mäusestudie
Denn in zwei der Experimente hätten die Mäuse „exzessiv“ viel Glyphosat
bekommen, so die Behörde. Demnach nahmen die Tiere teils über 15 Prozent
weniger zu als die nicht behandelten. Dabei solle laut Richtlinien der
Industrieländerorganisation OECD nur bis zu der Dosis getestet werden, bei
der die Tiere etwa 10 Prozent weniger zunehmen.
Außerdem hätten die Tiere allgemein nicht mehr Tumore bekommen als bei
diesem Mäusestamm normal. Es gebe auch keine Erklärung dafür, warum nur bei
den männlichen Nagern die Tumorrate stieg.
In zwei Versuchen hätten männliche Ratten bei geringer Glyphosat-Aufnahme
zwar signfikant mehr Tumore als normal entwickelt. Aber die Echa kann dort
nicht erkennen, dass die Krebsrate entsprechend zu- oder abnimmt, wenn die
Gift-Menge steigt oder sinkt. Zudem seien die weiblichen Tiere nicht
betroffen und auch nicht die Ratten in fünf anderen Studien.
All das spricht aus Sicht der Behörde dafür, diese positiven Ergebnisse
geringer zu gewichten als negative.
## Einwände gegen die Einwände
Umweltschützer und einige Wissenschaftler halten die Einwände gegen die
Studien aber für falsch. Die Tumorfunde bei Mäusen mit sehr viel
Glyphosat-Mengen Futter seien sehr wohl relevant, schreibt etwa der
Toxikologe Peter Clausing in einem [3][Bericht für die österreichische
Umweltorganisation Global 2000]. Demnach nahmen die Tiere zwar tatsächlich
weniger zu als normalerweise. Aber das habe offenbar einfach daran gelegen,
dass sie in ähnlichem Ausmaß weniger gefressen hätten. Nicht weil das
Futter giftiger war, sondern wohl weil es anders schmeckte. „Die
Lebensdauer der Tiere war nicht beeinflusst und außer den Tumoren selbst
gab es keine pathologischen Befunde in den von Tumoren betroffenen
Organen“, so Global 2000. Laut EU-Recht spielt es übrigens keine Rolle, ob
Krebs nur bei sehr hohen oder auch niedrigeren Dosen auftritt – in beiden
Fällen dürfen die Pestizide nicht genutzt werden.
Die Umweltschützer widersprechen auch der These, dass die mit Glyphosat
gefütterten Mäuse nur so oft Krebs entwickelt hätten, wie es bei ihrem
Stamm auch ohne das Pestizid im Futter vorkommt. Die Behörden hätten die
Krebszahlen mit „historischen Kontrolldaten“, also Tumorraten unbehandelter
Tiere aus ähnlichen Versuchen, verglichen. Tatsächlich seien diese Daten
aber nicht vergleichbar gewesen. Sie hätten sich noch nicht einmal auf den
gleichen Mäusestamm bezogen, sagt Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei
Global 2000. „Der [4][schlimmste Fehler] aber war, dass sie die Tumorraten
mit dem höchsten und nicht dem durchschnittlichen Wert der historischen
Kontrollen verglichen. Das sind Regelbrüche, die notwendig waren, um die
ganze Beweislast unter den Tisch zu kehren.“
Zu diesen wissenschaftlich begründeten Argumenten kommen Zweifel an der
Unabhängigkeit des Zulassungsbehörden, allen voran des deutschen
Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Es hat die wichtigste Vorarbeit
für die Gutachten der EU-Behörden geleistet. Vor kurzem stellte sich
heraus, dass das BfR seinen Bericht über das Mittel [5][seitenweise von
Herstellern wie Monsanto abgeschrieben] hat. Dabei handelt es sich nicht
nur um Zusammenfassungen von Studien. Auch Bewertungen, dass kritische
Untersuchungen „nicht zuverlässig“ seien, wurden einfach übernommen –
ebenso wie die Einschätzung, dass nur „wenige haltbare Verbindungen zu
einem spezifischen Krebsergebnis ziehen“. Mit keinem Wort erwähnt das BfR,
dass es sich hier in Wirklichkeit um ein Zitat der Hersteller handelt.
Das sei allgemeine Praxis bei Zulassungverfahren, antwortete die Behörde
darauf. Das BfR habe sehr wohl alle Einschätzungen selbst geprüft. Da es
aber mehr als 100 Seiten nahezu wortwörtlich kopiert hat, bezweifeln
Umweltschützer das.
## Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Monsanto und seine Unterstützer haben versucht, die Glaubwürdigkeit ihrer
Gegner zu zerstören. Sie kreiden zum Beispiel dem Statistiker Christopher
Portier an, dass er mindestens [6][160.000 US-Dollar von
US-Anwaltskanzleien] kassiert hat, die Monsanto wegen mutmaßlicher
Gesundheitsschäden durch Glyphosat verklagen. Portier war ein externer
Berater der IARC-Forscher, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“
bezeichnet haben.
Es war allerdings schon immer klar, dass Umweltschutzorganisationen von der
Kampagne gegen Glyphosat profitieren. Dennoch können sie gute fachliche
Argumente gegen das Pestizid haben. Das gilt natürlich ebenso für
Wissenschaftler, die von der Industrie bezahlt werden. Die Frage „Wer
bezahlt wen?“ hat also nicht sehr weit geführt.
Die EU-Behörden verweisen zudem immer wieder darauf, dass auch die
zuständigen Ämter in den USA, in Kanada, Australien, Japan und Neuseeeland
Glyphosat nicht für krebserregend hielten. Allerdings haben all diese
Behörden gemein, dass sie in hohem Maße abhängig sind von den Studien, die
die Industrie selbst in Auftrag gegeben hat.
Umweltschützer fordern deshalb, das Zulassungssystem zu reformieren. Der
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland etwa verlangt, künftig solle
der Staat die Experimente in Auftrag geben. Zwar würden die Hersteller sie
dann weiter finanzieren. Aber die Firmen könnten nicht mehr ihnen genehme
Wissenschaftler aussuchen.
9 Nov 2017
## LINKS
[1] http://monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/index.php
[2] https://echa.europa.eu/de/-/echa-s-opinion-on-classification-of-glyphosate-…
[3] https://www.global2000.at/presse/global-2000-report-systematische-regelverl…
[4] /!5451730/
[5] /!5445419/
[6] /!5453949/
## AUTOREN
Jost Maurin
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