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# taz.de -- Vordenker Strache und die FPÖ: Staatsstragend mit Professorenbrille
> Während die ÖVP als Neue Volkspartei nach rechts gerückt ist, hat sich
> der FPÖ-Kandidat im Wahlkampf als moderat präsentiert.
Bild: Heinz-Christian Strache: Jubel über das Wahlergebnis
Wien taz | Nur ein knapper Prozentpunkt trennt die FPÖ vom historischen
Wahlergebnis 26,9 Prozent, das 1999 Jörg Haider eingefahren hatte.
Heinz-Christian Strache hat die durch die Regierungsbeteiligung unter
Wolfgang Schüssel implodierte und zerrissene Partei wieder groß gemacht.
Das Projekt „Make FPÖ great again“ ist also gelungen. Mit dem
Schönheitsfehler, dass ein jahrelang stabiles Umfragehoch von mehr als 30
Prozent durch das Erscheinen von Sebastian Kurz jäh beendet wurde.
Aber, wie Strache in einer ersten Reaktion feststellte: „Fast 60 Prozent
haben das FPÖ-Programm gewählt“. Denn Sebastian Kurz hat sein
Anti-Flüchtlings- und Anti-Zuwanderer-Programm weitgehend von der FPÖ
abgeschrieben. Noch nie war die strukturelle rechte Mehrheit in Österreich
so deutlich.
Während die ÖVP als Neue Volkspartei nach rechts gerückt ist, hat sich die
FPÖ im Wahlkampf als moderater präsentiert. Statt plumper Reime im Stil von
„Daham statt Islam“ oder „Willst du eine Wohnung haben, musst du nur ein
Kopftuch tragen“, plakatierten die Parteistrategen Heinz-Christian Strache
ganz staatstragend als Vordenker.
Neuerdings ausgestattet mit einer Professorenbrille spielt der kurzsichtige
Parteichef den Nachdenklichen und versucht nicht mehr, mit Schnappatmung
noch mehr Botschaft in einen Satz zu stopfen. Sein wildes Partyleben hat
der inzwischen 48-jährige heruntergefahren. Solides Eheleben statt Abfeiern
auf Ibiza. Seiner Lebensgefährtin Philippa steckte er in katholischer
Zeremonie den Ehering an.
Dass der Wahlkampf zwischen SPÖ und ÖVP vor allem in der letzten Phase in
eine regelrechte Schlammschlacht ausartete, konnte er als lachender Dritter
beobachten und mit Sorgenfalten vor ernstem Schaden für die Demokratie
warnen.
## Straches Wandlung
Vom monothematischen Trommler hat sich Strache zu einem breiter
aufgestellten Politiker gewandelt, dem neben Schikanen für Zuwanderer und
Flüchtlinge auch die Existenzängste der kleinen Leute ein Anliegen sind. So
setzte sich für eine Mindestpension von 1.200 Euro für alle, die 40 Jahre
Arbeitsleben hinter sich haben, ein.
Die bei vielen Kleinunternehmern unpopuläre Zwangsmitgliedschaft in der
Wirtschaftskammer will er ebenso abschaffen, wie die Beiträge der
Arbeitnehmer für die Arbeiterkammer. Wer erinnert sich noch, dass sich der
„Vordenker“ vor 30 Jahren noch mit Neonazis herumtrieb?
Kleine Gemeinderäte, die mit Hitler-Devotionalien erwischt wurden, verstieß
er aus der Partei. Den Abgeordneten Johannes Hübner, der in einer Rede den
Schöpfer der österreichischen Verfassung mit antisemitischem Hohn
verunglimpfte, strich er von der Kandidatenliste. Mit Norbert Hofer, der
sich bei den Präsidentschaftswahlen im Vorjahr nur knapp dem Grünen
Alexander Van der Bellen geschlagen geben musste, verfügt die FPÖ jetzt
über einen zweiten herzeigbaren Mandatar. Er wird voraussichtlich im
Präsidium des Nationalrats bleiben oder durch ein Ministeramt höhere Weihen
erlangen.
Dass bei einer Umfrage 42 Prozent der ÖVP-Wähler und immerhin 20 Prozent
der Sozialdemokraten den Spitzenkandidaten als wichtigstes Motiv für ihre
Wahlentscheidung genannt haben, muss Strache zu denken geben. Denn nur fünf
Prozent seiner Wähler sahen die Strahlkraft des Vordenkers als Hauptmotiv.
Viele von denen, die sich gerne an einer Führerfigur orientieren, sind also
zu Sebastian Kurz übergelaufen.
Wie moderat die FPÖ tatsächlich geworden ist, wird man sehen, wenn sie –
wie abzusehen – mit Kurz in die Regierung geht. Das Reservoir an
herzeigbarem Personal ist noch geringer, als der Vorrat an fachlich
qualifizierten Kräften, die sich bei der Verteilung von Ministerposten
empfehlen können. In sämtlichen Gremien der FPÖ dominieren die
deutschnationalen Burschenschafter, die in ihren Statuten noch den
Arierparagraphen haben, Frauen als netten Aufputz betrachten und sich um
die „Umvolkung“ der Gesellschaft sorgen.
Auch der immer so moderat auftretende Norbert Hofer ist Autor
extremistischer Schriften und wollte partout nicht einsehen, was am Tragen
eines Kornblumen-Ansteckers, dem einstigen Erkennungszeichen der illegalen
Nazis, anstößig sein sollte. Auf Österreich kommen also „interessante
Zeiten“ zu, wie die Chinesen sagen würden. Und das ist nicht unbedingt eine
Empfehlung.
16 Oct 2017
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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