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# taz.de -- Vor dem Referendum in Katalonien: Klandestine Sternengucker
> Mit Phantasie und Spaß bereiten sich die Menschen in Katalonien auf das
> verbotene Unabhängigkeitsreferendum vor. Ein Besuch in Badalona.
Bild: Elternverein und SchülerInnen feiern den Schulanfang – und warten auf …
Badalona taz | „Willkommen beim Fest zum Schuljahresbeginn“, sagt Marta
Calaf. Die Mutter zweier Kinder grinst dabei breit. Eduard Gamiz und Monte
Marlín, die mit ihr am Tisch im Hof der Artur-Martorell-Grundschule im
katalanischen Badalona sitzen, lächeln ebenfalls.
Seit Freitag Schulschluss feiern hier über einhundert Eltern und Kinder.
„Es ist das erste Mal, dass wir dieses Fest machen. Ganz besonders beliebt
ist der Astronomieworkshop“, fügt Eduard hinzu. Über 30 Menschen blieben
von Freitag auf Samstag die ganze Nacht. Für den zweiten Workshop vom
heutigen Samstag auf Sonntag hätten sich schon doppelt so viele
eingetragen, berichten die drei zufrieden. Und grinsen wieder verschmitzt.
Nach einer kurzen Pause werden sie dann ernst. Das Ziel der Elternvereine
sei klar. Sie wollen so lange ausharren, bis am Sonntag früh diejenigen
kommen, die das Wahllokal für das vom spanischen Verfassungsgericht
suspendierte Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens einrichten. Die
hier versammelten Eltern hoffen, dass das klappt. „Ja oder Nein zur
Unabhängigkeit ist zweitrangig, es geht um Demokratie, um das Recht frei zu
entscheiden“, sagt Marta, die Vorsitzende des Elternvereins an der Schule.
Wie hier an der Matorell-Schule haben die Elternvertretungen in Dutzenden
Schulen in ganz Katalonien spontan „Pijamafeste“, „Schuljahresbeginnfeier…
und „Tage der offenen Tür“ ins Leben gerufen. „Die Polizei war schon
zweimal da und wollte von uns wissen, ob wir etwas mit einem verbotenen
Wahlgang am Sonntag zu tun hätten…“, sagt Marta.
## Keine Angst
Was am Wahltag geschehen wird, weiss niemand der hier versammelten so genau
zu sagen. Nur eines ist gewiss: „In der früh erwarten wir Gäste zum
Frühstück.“ Die Automomiepolizei Mossos d'Esquadra hat sich angekündigt.
Sie ist richterlich verpflichtet worden, um sechs Uhr in der früh alle
Wahllokale zu versiegeln. So auch die Schule hier in der Innenstadt des
200.000 Seelen-Vorortes der katalanischen Hauptstadt Barcelona.
Angst haben die drei nicht. „Wir sind nicht alleine und vor allem haben die
Mossos gegenüber den Richtern erklärt, nur friedlich vorgehen zu wollen. Es
sind so viele Schulen besetzt, dass sie nicht alle gewaltfrei räumen
können“, ist sich Marta sicher. Die spanische Zentralregierung spricht von
mehr als 160 besetzten Schulen.
„Die Mossos haben nur den Auftrag die Schule zu versiegeln. Urnen oder
Unterlagen zu beschlagnahmen, dazu müsste dann schon die spanische Guardia
Civil oder Nationalpolizei kommen“, erklärt Eduard. Tausende wurden auf
Geheiss des Innenministeriums der konservativen Regierung von Mariano Rajoy
in Madrid eigens nach Katalonien verlegt.
## Geheime Vorbereitungen
Wer versucht herauszufinden, was genau geplant ist, scheitert. „Ganz
ehrlich, wir wissen es auch nicht. Und ich bin Wahlhelfer in einem anderen
Wahllokal“, sagt Eduard. Der Urnengang wurde von der Autonomieregierung und
den beiden Bürgerbewegungen Omnium und Katalanische Nationalversammlung
(ANC), die das Rückgrat der Unabhängigkeitsbewegung bilden, völlig im
Geheimen vorbereitet.
Dennoch wurden von der Guardia Civil Millionen von Plakaten, Flugblättern
und Stimmzetteln beschlagnahmt, weit über 140 Webseiten geschlossen, Apps
per richterlichem Bescheid aus dem Google-Playstore verbannt. Und selbst
das Telekommunikationszentrum der katalanischen Autonomieregierung wurde
von der Guardia Civil am Samstag eingenommen, um zu verhindern, dass dort
die Übermittlung der Abstimmungsergebnisse erfolgt. Nur die Urnen, die hat
die Polizei bisher nicht gefunden.
„Ich bin mir sicher, dass wir wählen werden“, gibt sich Montse betont
optimistisch. „Egal was sie bisher gemacht haben, ruck-zuck war eine neue
Webseite online, wurde neues Material verbreitet“, sagt sie. „Ich hoffe,
dass uns die für das Referendum Verantwortlichen morgen überraschen, Plan
A, Plan B, Plan C … und so weiter, bis zur Wahl“, sagt sie.
Es beginnt zu regnen. Die drei helfen, alles ins Schulgebäude zu tragen.
Und dann geht es an die Vorbereitung des nächsten Astronomieworkshops.
30 Sep 2017
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
Katalonien
Unabhängigkeit
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