Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Goethe-Institut im Libanon: Staub, ein Flüchtlingslager, eine Feier
> Zur Wiedereröffnung des Goethe-Instituts Beirut machte der Berliner
> Pop-Art-Künstler Jim Avignon einen Graffiti-Workshop im Camp Yehya in der
> Bekaa-Ebene.
Bild: Graffiti-Workshop mit dem Berliner Künstler Jim Avignon im Camp Yeyah be…
Beirut taz | Barelias ist eine Kleinstadt in der libanesischen Bekaa-Ebene.
Der Ort liegt lediglich 50 Kilometer von der Metropole Beirut und der
Mittelmeerküste entfernt. Aber der Verkehr fließt aus Beirut nur zäh hinaus
und klettert später auch nur mühsam die Straße über das Libanongebirge zur
Bekaa-Ebene hinauf. Am Wegesrand Ruinen, Relikte des einstigen
Bürgerkriegs, der von Mitte der Siebziger bis in die neunziger Jahre
dauerte. Wenige Zedern, viel Steingeröll und rote Erde. Der Straßenrand ist
bedeckt mit Plastik – Müll, ein fester Bestandteil libanesischer
Landschaft.
Nach dem Bergsattel ein Checkpoint der libanesischen Sicherheitskräfte.
Kurz darauf der Blick auf die Bekaa-Ebene: Grüne Tupfer auf 900 Meter Höhe,
ein 120 Kilometer langes schmales Band zwischen Libanon- und
Antilibanongebirge. Die Bekaa-Ebene ist der Gemüsegarten des Libanon. Und
ein Auffangbecken für Hunderttausende von syrischen
Bürgerkriegsflüchtlingen.
Im Camp Yehya bei Barelias erwarten diesen Mittwoch etwa 30
Flüchtlingskinder den Bibliotheksbus des Goethe-Instituts aus Beirut. Die
Grenze zu Syrien verläuft nur wenige Kilometer entfernt entlang des
Antilibanongebirges. Der Bücherbus kommt alle zwei Wochen in Camp Yehya
vorbei.
Heute ist jedoch der Berliner Pop-Art-Künstler Jim Avignon wegen eines
Graffiti-Workshops an Bord. Avignon verteilt zunächst Malbücher, stellt den
Kindern Fragen: „Welche Tiere und Pflanzen mögt ihr besonders?“ „Was wol…
ihr einmal werden?“ Tiger und Löwen, Lehrer und Ärzte. Pieter, ein Libanese
aus Beirut, übersetzt vom Englischen ins Arabische und zurück. Das Eis
zwischen Avignon, dem Mann mit Hütchen und Halstuch, und den Kindern im
Grundschulalter ist rasch gebrochen.
## Provisorische Zeltstädte
Millionen von Syrern befinden sich seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 auf
der Flucht. Überall um Barelias sind schmale provisorische Zeltstädte
errichtet. In Camp Yehya leben 250 Menschen, rund 50 Familien mit 80
Kindern. Die meisten aus Homs und Daraa, seit fünf Jahren sind sie hier. Am
Eingang des Camps verströmen offene Müllcontainer einen säuerlichen Geruch.
Und es ist sehr staubig. Avignon säubert die hellen Plastikzeltplanen, die
er mit den Kindern gleich bemalen will. Fließend Wasser gibt es in Camp
Yehya derzeit nicht.
Mit wenigen Strichen wirft er figürliche Umrisse auf die Zeltwände. Dann
verteilt er Pinsel und Farben, die Kinder können nun gemeinsam mit dem
Maler loslegen. Erst sind sie etwas unsicher, dann immer selbstbewusster.
Avignon geht sehr ernsthaft mit ihnen um. Nach und nach entstehen
großflächige bunte Szenen. Vermenschlichte Tiere und Objekte treten auf den
Zeltwänden in Aktion. Die Bildsprache erinnert an die heitere und absurde
Welt des Kinderbuchautors Richard Scarry. Und sie ist universell lesbar.
Zurück in Beirut erklärt Mani Pournaghi die Prämissen der deutschen
Kulturarbeit im Libanon. Er leitet seit zwei Jahren das Goethe-Institut in
Beirut, stammt aus Bayern. Dafür, dass das Institut nach aufwendiger
Renovierung am Donnerstagabend im Beiruter Stadtteil Gemmayzeh in wenigen
Stunden seine Wiedereröffnung feiern wird, wirkt er sehr gelassen.
Kulturelle Bildungsarbeit mit Flüchtlingskindern sei wichtiger Bestandteil
der Goethe-Arbeit im Libanon, sagt er. Aber nicht der einzige.
## Antike Ruinen von Balbeek und die moderne Kunst
In der frisch renovierten Lounge des Instituts richten Alexander Graeser
und Johann Clausen gerade eine Fotoausstellung ein. In ihren Bildmotiven
beziehen sie etwa die antiken Ruinen von Balbeek auf heutige globale
Kunst-, Körper- und Modesprachen. Im gleichen Raum sind die Musiker
Gurumiran und Ary Jan Sarhan mit dem Soundcheck für ihre Performance bei
der Eröffnungsfeier zugange.
Auf dieser wird Martin Huth, Deutschlands Botschafter im Libanon, am Abend
die Arbeit des Goethe-Instituts in Beirut würdigen. Und auch sagen, dass
der Libanon viel mehr sei, als die gängigen Klischees von Flüchtlingen und
Terror behaupten. Tatsächlich repräsentiert das Land – abgesehen von
Problemen wie denen im Süden, wo die mit Iran verbündete Hisbollah regiert
oder jenem, dass man sich offiziell immer noch im Kriegszustand mit Israel
befindet – eine kulturell eher weltoffene Gesellschaft.
Es gibt scharfe Gegensätze, auch die zwischen Arm und Reich, betont
Goethe-Institut-Leiter Pournaghi im Gespräch. Doch der weit verbreitete
Kosmopolitismus bringe eine „einzigartige Kulturszene“ hervor. Beiruts
kreative Szene wolle sein multimedial orientiertes Institut in Beirut –
neben den Basisangeboten wie deutsche Sprachkurse und klassischer
Bildungsarbeit – Raum bieten und fördern.
## Große Party mit bewaffneten Posten
Nach der offiziellen Eröffnung im Institut strömen Hunderte zumeist
jüngerer Menschen zur „Großen Party“ des Goethe-Instituts in den Innenhof
der benachbarten Schule Sacré-Cœur. „Ohne Party geht hier gar nichts“, sa…
Pournaghi, und geht die Sache offensiv an. Bewaffnete Posten stehen am
Eingang zu Sacré-Cœur, die Stimmung ist ausgelassen und unbeschwert. Den
Auftakt zur „Großen Party“ macht der syrische Elektro-Bozouk-Solist Ary Jan
Sarhan zusammen mit der kurdischen Sängerin Sara Darwish.
Es folgen Auftritte des libanesisch-armenischen Musikers Gurumiran und von
Wassim Bou Malham, Sänger und Gitarrist der libanesischen Rockband Who
Killed Bruce Lee, der derzeit in Deutschland lebt. Nach Mitternacht
übernimmt der libanesische Sounddesigner und DJ Jad Taleb die Bühne, die
„Große Party“ erreicht ihren lautstarken, elektro-arabischen und
tanzdynamischen Höhepunkt. Nach 1 Uhr wird ebenso spektakulär wie
kompromisslos der Stecker gezogen. Die vergnügte Menge akzeptiert es und
zerstreut sich. Die noch nicht genug haben, ziehen los, zu irgendeinem
anderen Ort in dieser Beiruter Nacht, und feiern dort weiter.
2 Oct 2017
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
## TAGS
Goethe-Institut
Libanon
Beirut
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Syrien
Theater
Libanon
Schwerpunkt Syrien
Golfstaaten
Film
Global Pop
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Leuchten der Menschheit: Tee predigen, Wein saufen
Nicht singen, kein Sex: Die Autorinnen Fariba Vafi und Dima Wannous
sprechen über die Eigenheiten regionaler Regime sowie Literatur.
Theater im Libanon: Raus aus der Opferrolle
Kann man Kunst nutzen, um Opfern von Gewalt zu helfen? Zoukak, ein Theater
aus Beirut, arbeitet so seit mehr als zehn Jahren.
Libanon wieder ohne Regierung: Saad Hariri wirft das Handtuch
Der Hintergrund der jüngsten politischen Krise in Beirut ist der Streit
zwischen Iran und Saudi-Arabien um die regionale Vormacht.
Libanons Ministerpräsident: Saad Hariri mag nicht mehr regieren
Der Libanon hat es bisher geschafft, den syrischen Bürgerkrieg weitgehend
von sich fernzuhalten. Trotzdem wirft Hariri hin. Die Schuld sieht er bei
der Hisbollah.
Debatte Waffen aus Deutschland: Drohnen zu Windrädern
Um den Teufelskreis aus Militarisierung und Repression in Nahost zu
durchbrechen, gehören die arabischen Kriegsparteien auf die rote Liste.
Libanon verbietet Film „Wonder Woman“: Israelische Darstellerin unerwünscht
Die libanesischen Behörden haben den neuen Film „Wonder Woman“ verboten.
Dem Verbot vorausgegangen war eine Kampagne gegen Gal Gadot.
Libanesische Musikerin Yasmine Hamdan: „Ich bin eine politische Sängerin“
Yasmine Hamdan ist eine Ikone des arabischen Pop-Undergrounds. Ein Gespräch
über Schönheit, Schubladen – und Donald Trump
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.