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# taz.de -- Kommentar Wahlerfolg in BaWü: Grünes Get-together
> Am besten schnitten die Grünen in Baden-Württemberg ab. Wohl auch wegen
> ihres Scharfmachers Palmer. Arroganz der Progressiven hilft da nicht.
Bild: Grüne in Berlin hätten gerne, dass Boris Palmer „die Fresse hält“.…
Die Bundestagswahl zeigt Ergebnisse, die auch in den Nuancen interessant
und aufschlussreich sind, etwa bei den Grünen. Niemand muss die Positionen
der Grünen-Realos aus Baden-Württemberg toll finden – insbesondere in der
Industrie-, in der Steuer- und in der Flüchtlingspolitik.
Aber wer Zahlen lesen kann, sieht auf den ersten Blick: In
Baden-Württemberg waren die Grünen [1][viel erfolgreicher als anderswo]: Im
Ländle haben sie mit 13,5 Prozent nicht nur 2,4-Prozentpunkte hinzu
gewonnen, sondern den zweitgrößten Zweitstimmenanteil eines grünen
Landesverbandes geholt – als Flächenland nur knapp hinter Hamburg (13,9
Prozent) und noch vor Berlin (12,4 Prozent) und weit vor NRW (7,6 Prozent).
Rund 807.000 Wähler und Wählerinnen machten in Baden-Württemberg ihr Kreuz
bei den Grünen – und stärkten so die Machtbasis der Südwest-Realos im
Bundestag.
Dieses Ergebnis lässt sich in zwei Richtungen deuten. Die eine wäre: Wegen
ihres [2][Jamaika nicht ausschließenden Kurses] haben die Grünen Anhänger
verprellt, die sich als links verstehen und daher in ihren städtischen
Hochburgen zu wenig herausgeholt. Die andere wäre: Wegen ihres Anspruch als
Fast-Volkspartei im Südwesten, die Sorgen der Menschen in Stadt und Land
auf humane und seriöse Art ernstzunehmen, haben sie genau dort zugelegt.
Wahrscheinlich ist an beiden Lesarten etwas dran.
Die zeigt auch ein Blick etwas tiefer in besondere Orte dieser Wahl, nach
Berlin-Kreuzberg und nach Tübingen. Im [3][Wahlbezirk
Kreuzberg-Friedrichshain] hat die erklärte Jamaika-Gegnerin [4][Canan
Bayram] das einzig grüne Direktmandat geholt, allerdings nur mit knappem
Vorsprung vor dem Linken-Kandidaten Pascal Meiser (während Bayrams
Vorgänger, [5][Hans-Christian Ströbele], den Stadtteil mit dem
Rebellen-Image mit großem Abstand gewonnen hatte). An Zweitstimmen holte
die Partei 20,4 Prozent, etwas weniger als 2013.
## Palmers harte Thesen haben in Tübingen nicht geschadet
Und wie sah es in Tübingen aus, wo [6][Boris Palmer] Oberbürgermeister ist?
Das ist jener Grüne, von dem sich viele im linksgrünen Milieu wünschen, er
möge „einfach mal die Fresse halten“, wie es Bayram ausdrückte. Kritisiert
wird unter anderem, dass er beim Thema Flüchtlinge ein moralisches Dilemma
benennt und offensiv die These vertritt: „Wir können nicht allen helfen.“
Nun, in der Stadt Tübingen wurden die Grünen jetzt mit 25,8 Prozent
stärkste Kraft vor der CDU; und im Landkreis Tübingen holten die Grünen
18,0 Prozent der Zweitstimmen, ein Plus von 3,2 Prozentpunkten.
Ganz offensichtlich haben Palmers umstrittene Thesen den Grünen vor Ort
nicht geschadet, im Gegenteil. Vielleicht haben die Wählerinnen und Wähler
auch den Umstand goutiert, dass das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg
vor einem Jahr mehr als 1.000 jesidische Frauen und Kinder aus dem Nordirak
nach Deutschland geholt hat – und sie so aus dem weiteren Einflussbereich
der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ heraus brachte.
Für die Grünen (und darüber hinaus) lässt sich aus den Wahlergebnissen
insgesamt vielleicht diese Lehre ziehen: Sie sollten die politischen und
habituellen Differenzen zwischen angeblich progressiver City und angeblich
rückständiger Provinz nicht verschärfen, sondern ausgleichen. Es kann nur
gemeinsam gehen – auch und gerade im Kampf gegen Rechts.
26 Sep 2017
## LINKS
[1] /Kommentar-Zukunft-der-Gruenen/!5450119
[2] /Gruener-Kurs-Richtung-Jamaika/!5450137
[3] /Debatte-der-Gruenen-um-Koalition/!5450147
[4] /Canan-Bayram-ueber-ihr-Direktmandat/!5450010
[5] /Stroebeles-letzte-Bundestagswoche/!5422205
[6] /Boris-Palmer-ueber-Fluechtlingspolitik/!5432230
## AUTOREN
Richard Rother
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