| # taz.de -- AfD im Bundestag: Soll man sie eine Nazipartei nennen? | |
| > Schadet es der AfD, wenn man sie Nazis nennt? Nutzt es ihr? Ist es | |
| > überhaupt sachlich richtig? Ein Pro und Kontra. | |
| Bild: Tja, soll man? („Der Große Diktator“, Chaplins Parodie und Kommentar… | |
| Ja! | |
| Soll man Nazis Nazis nennen? Klar, was für eine Frage! Soll man Nazis in | |
| der AfD Nazis nennen? Ohne Zweifel! Aber soll man deshalb auch die AfD eine | |
| Nazi-Partei nennen? Ja, auch das. Und seit ihrem Einzug in den Bundestag | |
| gilt das dringender denn je. | |
| Das heißt natürlich nicht, dass alle AfD-Mitglieder Nazis sind. Zum Glück | |
| nicht. Erst recht nicht alle Wähler der rechtsextremen Populisten. Dennoch | |
| muss man das Problem beim Namen nennen. Die AfD wird nicht von | |
| irgendwelchen Gutmenschen in die rechte Ecke gestellt. Sie steht dort. | |
| Dick, breit, fett. Mit unglaublichen Allmachtsfantasien, als stünde sie | |
| kurz vor der Machtergreifung. | |
| Ja, es gibt in der AfD auch diese Ultrakonservativen, die nach dem Muff | |
| der 50er Jahre riechen. Doch jede Häutung der braunen Zwiebel, die die | |
| Partei seit ihrer Gründung durchgemacht hat, zeigt umso deutlicher ihren | |
| Kern. | |
| Alle Versuche, Fans des Nationalsozialismus wie Bernd Höcke aus der Partei | |
| zu werfen, scheiterten. Stattdessen schwärmt Spitzenkandidat Alexander | |
| Gauland von den Erfolgen der Wehrmacht und will Deutsche aus rassistischen | |
| Gründen „entsorgen“. In einschlägigen Foren verkünden AfDler, wer als | |
| Erstes dran sein soll. Das ist Menschenverachtung pur – und es ist | |
| Nazi-Jargon in Reinform. Wer redet wie ein Nazi und wer handelt wie ein | |
| Nazi – ist ein Nazi. Und eine Partei, die Nazis eine Plattform, ja sogar | |
| Spitzenpositionen bietet, ist eine Nazi-Partei. | |
| Einen Dämon kann man nicht dämonisieren. Man kann die Augen schließen und | |
| hoffen, dass er weggeht. Aber das tut er nicht. Und deshalb ist es | |
| überfällig, die AfD eine Nazi-Partei zu nennen. Nicht weil es darum geht, | |
| den Rechten ein großes Wort um die Ohren zu hauen. Sondern um den Dämon zu | |
| bekämpfen, indem man eine Grenze zieht: Mit Nazis macht man keine | |
| gemeinsame Sache. Das muss demokratischer Konsens sein und bleiben – vor | |
| allem, wenn die AfD in immer mehr Parlamente einzieht. Gereon Asmuth | |
| *** | |
| Nein! | |
| Kürzlich sagte Sigmar Gabriel, er werde traurig angesichts der Vorstellung, | |
| dass „zum ersten Mal nach 1945 im Reichstag am Rednerpult echte Nazis | |
| stehen.“ | |
| Diese Wortwahl mag vielen aus dem Herzen sprechen. Falsch ist sie dennoch. | |
| Zum einen historisch: Erstens saßen zahlreiche NSDAP-Mitglieder später im | |
| deutschen Parlament. Zweitens sind solche Vergleiche – auch wenn sie | |
| angesichts übler Rassisten in AfD-Kreisen angebracht scheinen mögen – | |
| grundsätzlich falsch, ziehen sie doch mit einer Parallele zu den Tätern | |
| immer auch eine zu den Opfern. Das relativiert den Holocaust und würdigt | |
| die Opfer des Nationalsozialismus herab. | |
| Zum anderen werden, und das sollte doch bitte kaum überraschen, Äußerungen | |
| wie “Nazi-Schweine“ bei einer spontanen Demo vor der AfD-Wahlparty am | |
| Sonntagabend die AfD weder vertreiben noch zähmen. Sie werden ihr nutzen. | |
| Gerade Gabriel müsste das wissen. Einst bezeichnete er rechte Randalierer | |
| als „Pack“. Es dauerte nur wenige Tage, bis Wutbürger in Heidenau die | |
| Kanzlerin stolz mit „Wir sind das Pack“ begrüßten. | |
| Genauso funktioniert die AfD, die mit Marginalisierung und Opferstatus | |
| spielt und so ihre Klientel bindet. Wir mögen uns der Verbrechen bewusst | |
| sein, die mit dem Begriff Nazi verbunden sind; für AfD-Sympathisanten wird | |
| er an Schrecken verlieren, je öfter er auf ihr Umfeld angewandt wird. Dann | |
| sind wir halt Nazis, wird es irgendwann heißen. Und dann gibt es keinen Weg | |
| zurück. | |
| „Nazi“ zu schimpfen, erzeugt zwar das wohlige Gefühl, das Richtige zu | |
| sagen. Dort aber liegt auch genau das Problem: Es ist keine | |
| Auseinandersetzung, sondern nur Selbstvergewisserung. Maximale | |
| Distanzierung mit der schlimmst konnotierten Wortwahl, die in unserem | |
| Wortschatz existiert: Wir sind die Guten – Ihr seid raus. So erhält man die | |
| offene Gesellschaft nicht, sondern spaltet sie weiter. Und darauf hat die | |
| AfD nur gewartet. | |
| Wir können das besser. Warum auch nicht? Wir leben nicht in der Weimarer | |
| Republik, sondern in einer stabilen Demokratie, einer zu großen Teilen | |
| weltoffenen Gesellschaft, und so spiegelt es auch der neue Bundestag wider. | |
| Wer die AfD dort nach der nächsten Wahl nicht noch stärker sehen möchte, | |
| muss sie politisch stellen, anstatt dem Gefühl der Hilflosigkeit | |
| nachzugeben. Auch, wenn es unangenehm wird. Johanna Roth | |
| 26 Sep 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Gereon Asmuth | |
| Johanna Roth | |
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