# taz.de -- Medienschelte nach AfD-Erfolg: Frustabbau-Tradition | |
> „Die Medien“ sind immer irgendwie schuld an allem, auch am Erfolg der | |
> AfD? Gegen die Sender ARD und ZDF bildet sich gerade eine ganz große | |
> Koalition. | |
Bild: Alice Weidel bei „Anne Will“ | |
Wer mal so richtig kritisch rüberkommen will, der sagt Sätze wie: „Die | |
Medien sind schuld an … [hier bitte schlimme Ergebnisse oder Entwicklungen | |
einfügen: Brexit, Trump, AfD].“ | |
Solch pauschale Kritik klingt sehr nach meta, danach, den Blick geweitet zu | |
haben, dass man Medienmainstream hinterfragt. | |
Das Blöde dabei: „Die Medien“ sind immer irgendwie schuld an allem. | |
Natürlich sind „die Medien“ auch schuld daran, dass Einhörner plötzlich | |
(wieder) so populär sind. Natürlich haben sie auch ihren Teil dazu | |
beigetragen, dass es die FDP wieder in den Bundestag geschafft hat | |
(kritisiert nur keiner) –, und selbstverständlich sind „die Medien“ auch | |
für den Aufstieg der AfD verantwortlich. | |
Wer auch sonst? Journalisten sind nun einmal die größten Multiplikatoren. | |
Und so ist es für alle PolitikerInnen einfach, auf „die Medien“ – und im | |
Speziellen auf ARD und ZDF – einzuprügeln. Das ist auch nicht neu. | |
## Unangenehm dünnhäutig | |
Das hat Gerhard Schröder 2005 in der Elefantenrunde gemacht, als er die | |
große Verschwörung gegen sich und seine Partei witterte. Und vor ihm fanden | |
schon Adenauer und Strauß und Kohl die öffentlich-rechtlichen Medien | |
bescheuert – zumindest die, die ihnen nicht untertänig waren. | |
Nach der aktuellen Wahl knüpften Martin Schulz (SPD) und Joachim Herrmann | |
(CSU) in der „Berliner Runde“ sowie Dorothee Bär (CSU) und Katarina Barley | |
(SPD) bei „Hart aber fair“ an diese gute, alte Frustabbau-Tradition an. | |
Herrmann forderte gar: Es wird darüber zu diskutieren sein, „in welchem | |
Ausmaß die beiden öffentlich-rechtlichen Sender in den letzten Wochen | |
massiv dazu beigetragen haben, nicht die AfD klein zu machen, sondern groß | |
zu machen“. | |
Ja, es ist wohlfeil, wenn die Politikerinnen und Politiker der Parteien, | |
die ordentlich Stimmen verloren haben, nun ARD und ZDF für ihre | |
AfD-Fixiertheit verprügeln, wenn man selbst nur das Mikro unter die Nase | |
gehalten bekommen muss und sofort anfängt, über die AfD zu reden. | |
Aber: Auf der anderen Seite scheint die Kritikunfähigkeit mittlerweile | |
ebenso groß wie das Beitragsaufkommen. Viele Verantwortliche bei ARD und | |
ZDF sind unangenehm dünnhäutig und nicht weniger selbstgerecht als die | |
PolitikerInnen. | |
## Lieber nicht drüber reden | |
Als bei „Hart aber fair“ SPD-Ministerin Barley darauf zu sprechen kam, dass | |
in vielen Medien eine Jamaika-Koalition ja schon ordentlich ausgelotet, | |
vorhergesagt und sonst was wurde, grinste Frank Plasberg nur: „Haben Sie | |
bei der SPD so wenig zu tun, dass Sie so oft über die Medienlandschaft | |
reden müssen?“ | |
Höhöhö, genau, lieber nicht drüber reden. | |
Rainald Becker schmollte schon in der „Berliner Runde“: „Herr Herrmann, | |
heute Abend mit dem Finger auf die Öffentlich-Rechtlichen zu zeigen, das | |
ist eigentlich ein bisschen schwach.“ | |
Ja, ist schwach, aber man wünscht sich, dass die Öffentlich-Rechtlichen in | |
einer ruhigen Minute mal auf sich selbst zeigen würden. | |
Vielleicht machen sie das sogar, aber dann lassen sie davon wenig nach | |
außen dringen. Nach der schon angesprochenen Elefantenrunde hieß es tags | |
darauf aus Mainz: „Das ZDF weist die pauschale Kritik an der | |
Wahlberichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender zurück.“ Und: „Die | |
Themensetzung und die Berücksichtigung der politischen Parteien wurden in | |
der gesamten Berichterstattung journalistisch sorgfältig vorbereitet und | |
umgesetzt.“ | |
## Gerne mit der AfD | |
Das mag alles sein, nur entzündet sich die Kritik nicht daran, dass die | |
Themensetzung nicht „journalistisch sorgfältig vorbereitet und umgesetzt“ | |
gewesen sei, sondern daran, dass „journalistisch sorgfältig vorbereitet und | |
umgesetzt“ überproportional häufig über folgende Themen gesprochen wurde: | |
Flüchtlinge, Islam, Angst, Abschiebung und innere Sicherheit. Gerne mit der | |
AfD. | |
Für Ex-ZDF-Chef Nikolaus Brender ist die Sache mit dem Großmachen der AfD | |
durch ARD und ZDF übrigens klar: „Der Vorwurf stimmt nicht.“ | |
Tja. Dann ist ja alles geklärt. | |
26 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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