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# taz.de -- Demonstrant*innen beim G20-Gipfel: Grundlos von Polizei festgehalten
> Auf dem Weg nach Hamburg wurden G20-Kritiker*innen zu Unrecht von der
> Polizei festgehalten. Grundrechte wurden ihnen verwehrt.
Bild: Polizeibeamte im Schanzenviertel am 8. Juli 2017
Bochum taz | Bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg Anfang Juli
hat die Polizei eine ganze Gruppe von jungen politischen AktivistInnen aus
dem Ruhrgebiet über Stunden unrechtmäßig festgehalten.
Das hat das Hamburger Verwaltungsgericht in zwei Musterfällen mit
sogenannten Anerkennungsurteilen festgestellt. Die „Ingewahrsamnahme“ sei
„rechtswidrig“ gewesen, urteilten die Richter – und verdonnerten die
Hamburger Polizeibehörde, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die 44 jungen Leute, darunter Mitglieder der Falken, der Grünen Jugend, der
Gewerkschaftsjugend und der alevitischen Jugend waren am 8. Juli auf dem
Weg zu der Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“ gewesen, als
ihr Bus gegen 7.30 Uhr von Polizeifahrzeugen eskortiert und auf die
Raststätte Hamburg-Stillhorn geleitet wurde. Dort untersagten Beamte aus
„Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten“ jede „hektische Bewegung“, b…
der Bus ohne jeden erkennbaren Grund zur Gefangenensammelstelle (GeSa) in
Hamburg-Harburg eskortiert wurde.
Obwohl die Gruppe ihre Anreise der Polizei offiziell gemeldet hatte, wurden
die jungen Leute dort bis zu viereinhalb Stunden festgehalten. Einige
„mussten sich komplett nackt ausziehen und wurden von Beamten dann intensiv
abgetastet, so der Landesvorsitzende der Falken, Paul Erzkamp. „Der mit der
Glatze tastet mich an den Boxershorts ab. Berührt meinen Penis“, schrieb
etwa der aus Bochum stammende Sprecher der Grünen Jugend NRW, Max Lucks, in
einem Gedächtnisprotokoll, das der taz vorliegt.
## Grundrechte ignoriert
Bei WC-Gängen hätten Polizeibeamte darauf bestanden, dass die Türen offen
blieben, sagt Erzkamp von den Falken, die die Busfahrt organisiert hatten.
Selbst die jedermann zustehenden Anrufe bei einem Anwalt seien verweigert
worden. Lediglich die gute politische Vernetzung der jungen Leute machte
möglich, dass sie relativ schnell von der Polizeiwillkür befreit wurden:
Bereits auf der Busfahrt in die GeSa hatten sie besorgte Nachrichten an
ihre Dachorganisationen absetzen können. Die sorgten offenbar dafür, dass
Hamburgs DGB-Chefin Katja Karger den SPD-Innensenator der Hansestadt, Andy
Grote, höchstpersönlich alarmierte. Die Grünen schalteten ihren
Justizsenator Till Steffen ein.
Zwar hat Innensenator Grote bereits im Juli Fehler eingeräumt. Auch
Vertreter der Polizei sprechen von einer „Verwechselung“. Den
widerrechtlich festgesetzten politischen AktivistInnen aber reicht das
nicht: „Wären wir nicht so gut vernetzt gewesen, hätten wir mindestens bis
zum Abend ohne jeden Grund im Polizeigewahrsam gesessen – wenn nicht noch
länger “, so der Falken-Landesvorsitzende Erzkamp zur taz. Für die gesamte
Gruppe sei der Fall längst nicht abgeschlossen: „Warum wurden Grundrechte,
wie zum Beispiel der Anruf beim Anwalt, ignoriert?“, fragt nicht nur
Erzkamp.
Auch der Grüne Lucks kündigte gegenüber der taz an, die Unrechtmäßigkeit
seiner Ingewahrsamnahme gerichtlich feststellen lassen zu wollen – dies ist
jeweils nur individualrechtlich möglich.
Wie die Falken ruft auch der Essener Anwalt Jasper Prigge, der die ersten
beiden Anerkennungsurteile erstritten hat, alle anderen 44 AktivistInnen
auf, gegenüber der Polizei Schadenersatz für die Zeit ihrer
widerrechtlichen Gewahrsamnahme zu fordern. Dies sei auch „außergerichtlich
möglich“, glaubt Prigge, der auch Sprecher der Linkspartei in NRW ist.
„Etwa die Hälfte der Leute hat sich dazu schon bereit erklärt“, sagt Falke
Erzkamp.
24 Sep 2017
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Grundrechte
Gefangenensammelstelle
Polizei Berlin
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SPD Hamburg
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