# taz.de -- G20 vor Gericht: Mildes Urteil für Flaschenwerfer | |
> Ein heute 20-Jähriger hatte Flaschen auf Polizisten geworfen. Seine | |
> auffällige Kleidung machte gleich mehrere Zivilpolizisten auf ihn | |
> aufmerksam. | |
Bild: Hätte der Angeklagte sie mal liegen gelassen: Bierflasche, nicht-justizi… | |
HAMBURG taz | Das Bild ist bekannt: Ein junger Mann sitzt auf der | |
Anklagebank, auf der Zuschauerbank sitzen Angehörige und Freunde des | |
Beschuldigten sowie die Presse. Zum vierten Mal wurden am Dienstag | |
mutmaßliche Gewalttaten rund um den G20-Gipfel in Hamburg verhandelt. Zum | |
ersten Mal kam dabei Jugendstrafrecht zur Anwendung. | |
Dem heute 20-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, am Abend des | |
Gipfel-Samstags in der Sternschanze mehrere Flaschen auf Polizisten | |
geworfen zu haben. Getroffen worden seien drei Beamte, die aber offenbar | |
nicht verletzt wurden. Außerdem soll er andere zum Mitmachen animiert | |
haben. Bei seiner Festnahme sei der Angeklagte dann verbal ausfällig | |
geworden. | |
## Beweisführung per Video | |
Zum Beweis führte das Gericht eine von der Polizei angefertigte | |
Videoaufzeichnung an. Zu sehen sei der Angeklagte, wie er zwei Flaschen in | |
Richtung einer Polizeieinheit wirft. Ein Treffer sei nicht zu sehen, ebenso | |
wenig das Anstacheln anderer, so der Verteidiger. | |
Belastet wurde der junge Mann vor allem durch die Aussagen dreier | |
ZivilpolizistInnen aus dem bayrischen Dachau. Alle drei befanden sich nach | |
eigenen Aussagen in unmittelbarer Nähe zum Angeklagten. Nur ein Polizist | |
wollte bei der Vernehmung seine genaue Position im Geschehen angeben, die | |
anderen beiden lehnten das unter Berufung auf „einsatztaktische“ oder | |
„polizeitaktische Gründe“ ab. Auch wie viele zivile Ermittler unterwegs | |
waren, wollte niemand sagen. | |
Die Aussagen der drei Zivilfahnder deckten sich beinahe komplett: Der | |
Beschuldigte sei ihnen wegen seiner auffälligen Maskierung mit einem | |
Totenkopftuch ins Auge gestochen. Sein erster Flaschenwurf und seine | |
auffordernde Gestik hätten auch andere zum Mitmachen animiert. Dabei hätte | |
er Sätze gerufen wie: „Kommt schon, das sind nur Bullen!“ Später habe sich | |
der Angeklagte mit Freunden im Florapark getroffen und, der Gestik und | |
Mimik nach, mit seinen Taten geprahlt. | |
## Reumütiger Angeklagter | |
Der Angeklagte selbst gab sich reumütig und räumte zwei Flaschenwürfe sowie | |
das Zeigen des Mittelfingers ein, angestachelt habe er aber niemanden. Er | |
habe gar nicht gewusst, was G20 eigentlich sei, nur dass einige Politiker | |
in der Stadt seien, „Putin und so“. Er habe einfach nur mal gucken wollen. | |
Warum er die Maske mitgenommen habe, wisse er nicht mehr. | |
In seinem Plädoyer betonte der Verteidiger, dass es sich bei dem | |
Angeklagten um einen „völlig unpolitischen“ jungen Mann handle, der sich | |
aus Neugierde dazu hinreißen ließ, bei den Krawallen mitzumachen. | |
## Zurückhaltung beim Strafmaß | |
In der Urteilsbegründung folgte das Gericht mehrheitlich den Aussagen der | |
ZivilpolizistInnen. Lediglich die Ausrufe seien nicht eindeutig | |
nachweisbar. Das Strafmaß blieb trotzdem deutlich hinter der Forderung der | |
Staatsanwaltschaft zurück, die wegen diverser vorheriger Delikte des jungen | |
Mannes eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten gefordert | |
hatte. Das Urteil lautete schließlich ein Jahr und drei Monate Haft auf | |
Bewährung. | |
Durch eine Besonderheit des Jugendstrafrechts muss sich der 20-Jährige | |
diese Bewährung im nächsten halben Jahr aber erst verdienen und sich an die | |
Auflagen des Gerichts halten. Demnach darf er sich nichts zu Schulden | |
kommen lassen und muss auch seinen Aufenthaltsstatus klären. Hierzu läuft | |
laut Verteidigung aktuell ein Verfahren. „Das ist Ihre letzte Chance, die | |
sollten Sie wahrnehmen“, so die Richterin. | |
12 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Marthe Ruddat | |
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