| # taz.de -- Anti-Aufklärung im G20-Sonderausschuss: Mantra vom guten Gipfel | |
| > Der G20-Ausschuss hat getagt. Aber statt nach Erklärungen zu suchen, | |
| > weichen die Verantwortlichen aus, sobald es interessant wird. | |
| Bild: Was sollte das? Darüber wird der G20-Sonderausschuss keine Aufklärung g… | |
| Hamburg taz| Es ist zäh. Zwei Stunden nach Beginn der ersten Arbeitssitzung | |
| des G20-Sonderausschusses haben die meisten Medienvertreter*innen die | |
| Sitzung längst verlassen. Es ist Donnerstagabend, 20 Uhr im prunkvollen | |
| Rathaus-Festsaal, und von den Verantwortlichen des G20-Gipfels in Hamburg | |
| kommt nichts Neues. | |
| „Wir haben immer gesagt, es wird eine Herausforderung“, sagt Innensenator | |
| Andy Grote (SPD). „Die Bundeskanzlerin hatte den Wunsch, den Gipfel in der | |
| Hansestadt zu veranstalten und wir haben das begrüßt“, sagt Staatsrat | |
| Wolfgang Schmidt. All das hat man schon tausend Mal gehört. In der Pause | |
| kommt ein Pressesprecher herüber und flüstert: „So etwas Langweiliges habe | |
| ich noch nie erlebt.“ Nach drei Stunden kommt eine Nachricht aufs Handy: | |
| Eine Abgeordnete benutzt jetzt Telegram. Die Ausschussmitglieder langweilen | |
| sich offenbar so sehr, dass sie sich Messengerdienste herunterladen. | |
| Die Arbeit des parlamentarischen Sonderausschusses, der kein | |
| Untersuchungsausschuss ist, aber bei dem auch Abgeordnete der Opposition | |
| Akten einsehen können, soll sich in drei Phasen gliedern: die | |
| Vorbereitungen für den Gipfel, die Gipfeltage selbst und zuletzt die | |
| Konsequenzen. Bis Sommer 2018 reicht dieser sogenannte Fahrplan. | |
| In den vergangenen Tagen hatte es Unmut unter den Ausschussmitgliedern | |
| gegeben, weil die Akten, die sie in einem Lesesaal einsehen können, zu | |
| großen Teilen geschwärzt sind. Innensenator Andy Grote (SPD) räumte zu | |
| Beginn der Sitzung ein, dass die Polizei bei der Sichtung zu offensiv | |
| vorgegangen sei und die Ausschussmitglieder beantragen könnten, Passagen | |
| wieder zu entschwärzen. Ein bisschen spät – der Rahmenbefehl für den | |
| Polizeieinsatz steht seit Donnerstag auf der Website der Welt zum Download, | |
| 40 Seiten, ungeschwärzt. Der Inhalt war allerdings ohnehin schon seit | |
| Wochen bekannt. | |
| Der erste Teil der fünfstündigen Ausschusssitzung dreht sich um die Frage | |
| „Warum Hamburg?“. Die Abgeordneten aller Oppositionsfraktionen bohren nach, | |
| warum nicht bei der UNO in New York, warum nicht auf Helgoland, warum nicht | |
| auf Sylt? „Nein, es musste eine Großstadt sein“, beten Staatsrat Schmidt | |
| und Senator Grote mantraartig herunter, und „Ja, es mussten die Messehallen | |
| sein“, weil die besser zu sichern seien als das Rathaus. | |
| Der zweite Sitzungsteil macht Hoffnung, interessanter zu werden: Es geht um | |
| das Sicherheitskonzept. Polizeieinsatzleiter Hartmut Dudde und Polizeichef | |
| Ralf Meyer berichten, wann sie den Auftrag bekamen – im Februar 2016 – und | |
| dass man damals noch nicht absehen konnte, wie die Mobilisierung der linken | |
| Szene anderthalb Jahre später aussehen würde. | |
| Über die Rolle der Roten Flora gibt der Chef des Verfassungsschutzes, | |
| Torsten Voß, Auskunft. Detailliert berichtet er, wie viele Aktivist*innen | |
| bei den Vollversammlungen vor dem Gipfel in der Flora waren und wer was | |
| gesagt hat. Die Flora sei ein maßgeblicher Organisationsraum für den | |
| Protest gewesen. | |
| Kritischen Fragen weichen die Verantwortlichen aus: Der | |
| CDU-Fraktionsvorsitzende André Trepoll merkt an, dass Bürgermeister Olaf | |
| Scholz (SPD) den Einsatzrahmenbefehl offenbar nie gelesen habe und auch | |
| nicht vom Polizeieinsatzleiter informiert worden sei. | |
| An Grote gerichtet fragt er: „Als Sie die Äußerung des Bürgermeisters in | |
| der Zeitung gelesen haben, dass der Gipfel mit dem Hafengeburtstag | |
| vergleichbar sei – warum haben Sie da nicht zum Hörer gegriffen und gesagt | |
| ‚Olaf, hör mal, das wird vielleicht gar nicht so einfach?‘“ | |
| Grote sagt grummelig, er wisse jetzt nicht genau, was er über welche | |
| Äußerung des Bürgermeisters gedacht habe, und jeder habe sich eben so | |
| geäußert, wie er es für richtig gehalten habe. Dann wiederholt er ein | |
| weiteres Mantra: Zu keiner Zeit sei man zu der Einschätzung gekommen, die | |
| Sicherheit der Hamburger*innen sei nicht zu gewährleisten. | |
| Die Linkenabgeordnete Cansu Özdemir sagt, es seien auch bei der Polizei | |
| Bedenken über den Austragungsort geäußert worden. Grote tut, als wüsste er | |
| davon nichts. Özdemir habe offenbar geheime Quellen bei der Polizei, die | |
| sie bitte offenlegen solle, ihm sei so etwas nicht bekannt. | |
| Am Ende des Abends ist deutlich geworden, was sich spätestens mit den | |
| geschwärzten Akten abgezeichnet hat: Wie der G20-Einsatz so aus dem Ruder | |
| laufen konnte, ob die Gefahrenprognosen danebenlagen, wo die Polizei war, | |
| als die Schanze brannte, warum sie Spezialeinheiten mit Maschinenpistolen | |
| schickte und welche Schäden in Kauf genommen wurden – darüber soll dieser | |
| Ausschuss keine Erkenntnis bringen. | |
| 25 Sep 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt G20 in Hamburg | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Protestbewegung | |
| Schwerpunkt G20 in Hamburg | |
| Schwerpunkt G20 in Hamburg | |
| Schwerpunkt G20 in Hamburg | |
| Ausschuss | |
| Rote Flora | |
| Schwerpunkt G20 in Hamburg | |
| SPD Hamburg | |
| Schwerpunkt G20 in Hamburg | |
| Schwerpunkt G20 in Hamburg | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| G20-Einsatzleiter wird Schutzpolizei-Chef: Harter Hund in neuer Funktion | |
| Hartmut Dudde, der den Gesamteinsatz der Polizei beim G20-Gipfel geleitet | |
| hat, ist zum neuen Chef der Schutzpolizei ernannt worden. | |
| Aufklärung nach G20-Gipfel: Opposition stellt Rot-Grün Ultimatum | |
| CDU und Die Linke werfen rot-grüner Koalition einen mangelnden Willen zur | |
| Aufklärung vor. Gehe das so weiter, drohe ein echter | |
| Untersuchungsausschuss. | |
| Demonstrant*innen beim G20-Gipfel: Grundlos von Polizei festgehalten | |
| Auf dem Weg nach Hamburg wurden G20-Kritiker*innen zu Unrecht von der | |
| Polizei festgehalten. Grundrechte wurden ihnen verwehrt. | |
| Sonderausschuss zu G-20: Schwarzes Papier | |
| Der G20-Ausschuss trifft sich in Hamburg zur ersten Arbeitssitzung. Die | |
| Akten sind allerdings größtenteils geschwärzt | |
| Äußerungen zu G20 Krawallen: Alles anders gemeint | |
| Linken-Sprecher Andreas Beuth geht auf Distanz zu sich selbst. Er habe den | |
| Druck der Presse nicht ausgehalten. Derweil fordert CDU Bürger-Abstimmung | |
| über Rote Flora | |
| G20 vor Gericht: Mildes Urteil für Flaschenwerfer | |
| Ein heute 20-Jähriger hatte Flaschen auf Polizisten geworfen. Seine | |
| auffällige Kleidung machte gleich mehrere Zivilpolizisten auf ihn | |
| aufmerksam. | |
| Parteien-Ärger: Ungebraucht und abgetreten | |
| Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Arno Münster, ist | |
| zurückgetreten. Er hat beim G20-Sonderausschuss nur eine Nebenrolle | |
| bekommen | |
| Nach Flaschenwürfen beim G20-Gipfel: Bewährung für die Liebe | |
| Der Prozess nach der G20-Randale geht für einen jungen Franzosen glimpflich | |
| aus. Er überzeugt den Richter mit einer rührenden Geschichte. | |
| Einsatz beim G20-Gipfel in Hamburg: 95 interne Verfahren gegen Polizisten | |
| Im Großteil der Fälle geht es einem Bericht zufolge um den Vorwurf der | |
| Körperverletzung im Amt. Hundert weitere Fälle werden geprüft. |