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# taz.de -- Sozialistische Utopien: Nie war die Zukunft so schön
> Eine Ausstellung zeigt die Utopien in der jungen DDR. So wurde in den
> 60er-Jahren davon geschwärmt, dass ab 2000 das sorgenfreie Leben beginnt.
Bild: Ausstellungsleiter Sören Marotz präsentiert im DDR-Museum ein Modell de…
Berlin taz | Die DDR in den frühen 60er Jahren: Die ersten Computer gehen
in Betrieb – riesige Rechnerschränke. Die Ökonomen geben sämtliche Daten
der sozialistischen Volkswirtschaft in die Rechner ein, um per Kybernetik
noch bessere Ergebnisse der Fabrikkombinate und Agrarkollektive zu
erzielen. Und was ist die erste Empfehlung des Computers? „Das Politbüro
absetzen.“
Stefan Wolle erzählt den damals umlaufenden DDR-Witz gern, weil er „den
Widerspruch zwischen der rationalen Technik und der irrationalen Ideologie“
prägnant wiedergibt. Wolle ist ausgewiesener Historiker über die Geschichte
der Deutschen Demokratischen Republik an der Humboldt-Universität Berlin
und hat jetzt als wissenschaftlicher Leiter des privaten DDR-Museums,
organisiert als gemeinnütziger Verein, eine Sonderausstellung über die
Zukunftsvisionen des zweiten deutschen Staats konzipiert.
Unter dem Titel „Aufbruch nach Utopia“ wird ein Einblick in den
Zukunftsoptimismus der 60er Jahre gegeben, als die ersten Menschen im
Weltraum Kommunisten waren. „So viel Zukunft wie um 1960 gab es selten“,
haben die Ausstellungsmacher vor allem bei der Auswertung der damals sehr
populären Zeitschrift Jugend und Technik festgestellt.
Die Technikvisionen von damals lassen dagegen heute eher den Atem stocken:
„Mit Hilfe der Atomkraft sollten Wüsten bewässert und die Arktis in einen
blühenden Garten verwandelt werden“, gibt Wolle den Geist der Zeit wieder.
Maschinen und Roboter nehmen dem Menschen die schwere Arbeit ab; der
Sozialismus ermöglicht allen ein sorgenfreies Leben. Nach dem Plan des
Politbüros sollte dieser Zustand etwa im Jahr 2000 eingetreten sein.
Bekanntlich kam etwas dazwischen.
Die Ausstellung verdeutlicht, wie breit der Ansatz eines positiven, ja
heilsbringenden Zukunftsdenkens in der DDR kommuniziert wurde. Das
Kinderbuch „Peter, ich und die Atome“ übersetzt die Versprechen der
Kernenergie in Jugendsprache. Im Mosaik-Comic reisen die
Digedag-Helden zunächst ins Weltall und dann in eine glückliche
Menschheitszukunft. In den Bildern scheint auch eine geheime
Ost-West-Verbindung der Technikvisionäre auf. „Es wurde ein Art Las Vegas
des Ostens gezeichnet“, sagt Stefan Wolle. „Die sozialistische Welt der
Zukunft sieht doch sehr kapitalistisch aus.“
Ein wichtiger Unterschied bestand freilich in der ideologischen Aufladung.
War im Westen die goldene Zukunft vor allem ein wirtschaftliches
Wohlstandsversprechen, so ging es im Sozialismus letztlich um die Schaffung
eines „neuen Menschen“. „In den Heften der Jugend und Technik finden sich
viele politisch ausgerichtete Propagandaartikel“, erklärt Wolle. In
westlichen Pendants, etwa der Zeitschrift Hobby, fehlt diese ideologische
Komponente.
Zukunft ist auch in der Gegenwart ein starkes Thema, gerade in dieser Woche
in Berlin. Neben dem Forschungsministerium am Spreeufer ging am Mittwoch
das „Futurium“, das von Wissenschaft und Wirtschaft getragene „Haus der
Zukunft“ in Betrieb, das am Samstag seine Türen allen
Zukunftsinteressierten mit einer Vielzahl von Veranstaltungen öffnet.
In einer parallelen Tagung führt das Humboldt-Forum Bürger und Experten zur
Nachdenkkonferenz „Welche Zukunft?“ im Deutschen Theater zusammen. Weitere
inhaltliche Impulse für den eher „zukunftsarmen“ Bundestagswahlkampf hatten
Anfang der Woche die Zukunftsinitiative D2030 („Der Zukunft eine Stimme
geben“) und zuvor die Generationen Stiftung mit zwei Wahlmanifesten
gegeben.
15 Sep 2017
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
DDR
Roboter
Zukunft
Wissenschaftskommunikation
Kunst
München
Radioaktivität
Schwerpunkt Atomkraft
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