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# taz.de -- Streit der Woche: Ist Deutschland jetzt grün?
> Vor 30 Jahren war Ökologie ein exotischer Begriff für die Deutschen.
> Heute ist Umweltbewusstsein Mainstream – auf dem Wahlzettel, auf der Demo
> und im Marketing.
Bild: Schwarz-rot-gold im Grünen.
Deutschland im Oktober 2010: Otto Normalverbraucher kauft im Supermarkt
Bio-Nudeln, tiefbürgerliche Stuttgarter ketten sich an Parkbäume,
Anti-Atom-Demonstrationen taugen als Ziel für den Familienausflug. Und im
Kanzleramt sitzt eine selbsternannte „Klima-Kanzlerin“. Was vor dreißig
Jahren noch Bilder aus einer fernen Utopie gewesen wären, sind nun
Impressionen aus dem deutschen Alltag.
Kein Zweifel: Mit dem ökologisch sorglosen Wirtschaftswunderland, das die
alte Bundesrepublik einmal war, hat Deutschland heute nicht mehr viel zu
tun. Mülltrennung und Wassersparen sind selbstverständlich, Naturkosmetik
hip. Vielen Großunternehmen dient „grünes“ Image als Verkaufsargument.
Nur logisch, könnte man meinen, was in so einem Land die aktuellen
Wahlumfragen sagen: 24 Prozent der Deutschen würden im Moment die Grünen
wählen, zumindest laut der jüngsten Forsa-Umfrage. Eine einstige
Öko-Protestpartei auf Volksparteiniveau: Deutschland ist grün geworden.
Andererseits kann gerade das Beispiel der Grünen das Bild vom ökologischen
Wunderland entzaubern: Denn so sehr haben sich die Deutschen möglicherweise
gar nicht auf die Partei zu bewegt - vielmehr haben die Grünen einige
Dogmata aufgeweicht, um die Deutschen zu erreichen. So forderte die Partei
noch vor der Bundestagswahl 1998 einen Benzinpreis von fünf Mark. Dass die
Grünen heute so wählbar sind, könnte also vor allem an ihrer erfolgreichen
Zähmung durch den Bundestagsalltag liegen. Und an der politischen
Ratlosigkeit der Großparteien.
Und auch was viele Deutsche im Alltag tun, ist oft kaum mehr als
symbolisch. Die wenigsten Atomkraftgegner beziehen Ökostrom, der
Gesamtmarktanteil von Biolebensmitteln liegt laut Foodwatch bei gerade
einmal vier Prozent. „Grün“ ist überall dort erwünscht, wo es nichts
kostet, keine wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt. Es bleibt ein
Label, das alle gerne tragen: Bürger, Wirtschaft, Politik. Wieviel dahinter
steckt, ist fraglich.
Ist also alles nur Fassade – oder ist das Verhalten der Bürger und der
Erfolg der Grünen ein Zeichen für einen tiefgreifenden Wandel?
Was meinen Sie: Ist Deutschland jetzt grün?
5 Oct 2010
## AUTOREN
Florian Naumann
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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