Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Repression gegen Medien in der Ukraine: Harte Türpolitik
> Ausländische Journalisten werden immer häufiger aus der Ukraine
> ausgewiesen – vor allem russische. Ihnen wird Propaganda unterstellt.
Bild: Geschmückt zum Unabhängigkeitstag und bereit, die Ukraine zu verteidigen
Kiew taz | Verständnislos haben ukrainische Journalisten, Blogger und
Medienexperten die [1][Abschiebung der spanischen Reporter] Antonio
Pampliega und Manuel Ángel Sastre am 28. August aus der Ukraine zur
Kenntnis genommen. Die beiden waren auf dem Weg zu einer Recherchereise in
der Region Donbass am Flughafen Kiew zurückgewiesen worden. Dieses
Schicksal ereilt immer wieder ausländische Journalisten – vor allem
russische.
Warum Pampliega und Sastre nicht ins Land gelassen wurden, darüber kann man
bis heute nur spekulieren. Während führende internationale
Journalistenorganisationen diese Abschiebungen kritisierten, sagt Sergej
Tomilenko, der Vorsitzende des ukrainischen Journalistenverbands, die
Behörden würden die Entscheidung nicht einmal begründen. Auch der
Medienexperte Jurij Lukanow vermisst eine Begründung. „Der
Inlandsgeheimdienst SBU muss schon erklären, warum er den spanischen
Journalisten die Tür gewiesen hat.“
Anders verhält es sich bei Fällen, die russische Staatsbürger betreffen.
Während die meisten ukrainischen Journalisten die Abschiebung der
spanischen Reporter, wenn auch nur auf Nachfrage und mit sehr vorsichtigen
Formulierungen, ablehnen, weiß der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU,
dass er bei der Abschiebung russischer Journalisten die Unterstützung der
ukrainischen Medienwelt hat.
Neben den beiden Spaniern sind nämlich in den letzten Wochen auch drei
Journalistinnen, die aus Russland gekommen waren, abgeschoben worden. Eine
von ihnen ist Anna Kurbatowa, Korrespondentin des Russischen „Ersten
Kanals“. Sie war am 30. August festgenommen und wenig später nach Russland
abgeschoben worden. Zum Verhängnis war Kurbatowa die Bemerkung in einem
Fernsehbeitrag geworden, die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung würde
„den Unabhängigkeitstag nicht lieben“. Kurz darauf bekannte die ukrainische
Journalistin Ljubov Velichko vom Online-Portal [2][texty.org.ua] freimütig,
dass sie es war, die den Inlandsgeheimdienst SBU über die Sendung von
Kurbatowa informiert hatte. Wenig später habe dieser „die russische
Lügnerin“ abgeschoben.
## „Immer auf der Seite der Wahrheit“
„Ich habe den SBU gebeten sicherzustellen, dass derartige sogenannte
Journalisten in der Ukraine nicht arbeiten.“ Der SBU habe sich umgehend bei
ihr bedankt, sagt Velichko gegenüber der taz. „Ich bin immer auf der Seite
der Wahrheit, und denke, dass ein Journalist, der offen lügt, kein
Journalist ist. Solche Leute sollen sich nicht in der Ukraine aufhalten.“
Auch Tomilenko, der Chef des Journalistenverbands, sieht in der Frage der
Behandlung von russischen Journalisten Einigkeit. „Es herrscht Konsens
darin, dass Vertreter der russischen Propagandamedien bei ihrem Aufenthalt
in der Ukraine ihre Pflicht, sich an professionelle Standards und an eine
Ethik zu halten, aus den Augen verloren haben. Und so ist es nun mal hier
herrschende Position, dass man diesen Journalisten das Recht auf Arbeit
nehmen muss.“ Es sei jedoch sinnvoll, so Tomilenko weiter, dass sich die
ukrainische Regierung die Erfahrung von Experten hole, um zu überlegen, mit
welchen Mitteln auf „den Informationskrieg“ zu reagieren sei. Hier gelte
es, die Argumente von ausländischen Kollegen zu hören. „Hauptkritikpunkt
ist, dass die ukrainische Gesetzgebung eine Abschiebung von Journalisten
aufgrund deren Veröffentlichungen nicht vorsieht.“
Auch Medienexperte Lukanow unterstützt das Vorgehen gegen russische
Journalisten. „Die russischen Journalisten werden in diesem hybriden Krieg
als weitere Waffe eingesetzt. Sie sind genauso Halsabschneider wie die
Soldaten an der Front. Nur schießen sie nicht mit heißen Waffen, sondern
beeinflussen Gehirne.“ Das Ergebnis von deren Arbeit habe man 2014 gesehen,
als viele nach Putin gerufen hätten. „Russische staatliche, vom Kreml
kontrollierte Medien, sind keine Medien. Sie müssen als Propagandawerkzeuge
begriffen werden.“
Doch auch russische Medien, die eindeutig der russischen Opposition
zuzuordnen sind, müssen mit Sanktionen der ukrainischen Behörden rechnen.
So war Anfang des Jahres dem oppositionellen russischen Fernsehsender
„Doschd“ seine Sendeerlaubnis auf dem Gebiet der Ukraine entzogen worden.
Der Sender habe für russische Produkte geworben und auf einer Karte die
Krim als zu Russland gehörend markiert, begründete das ukrainische
Rundfunk- und Fernsehkomitee seine Entscheidung im Januar. Einer der
wenigen ukrainischen Journalisten, der das harte Vorgehen der Behörden
gegen russische Journalisten infrage stellt, ist Kirill Lukerenko,
Chefredakteur von „Hromadske Radio“. Es sei in der Tat so, so Lukerenko zur
taz, dass russische Journalisten ihre Materialien mit Hass tränkten,
Tatsachen verdrehten. „Doch mir scheint, wenn wir diese Leute ausweisen,
wird die Information über die Ukraine in Russland noch verzerrter sein, als
sie es jetzt schon ist.“
## Verdacht auf Hochverrat
Vladimir Selenski, bekanntester Showmaster des Landes, ist bekannt für
seine beißende Kritik an der Regierung und seine Parodien von Präsident
Poroschenko. Fast täglich kommen neueste Enthüllungen über korrupte
Politiker und Spitzenbeamten in die Medien. Diese Kritik ist erlaubt. Doch
in einem Punkt zeigen die ukrainischen Behörden null Toleranz: Wer
Sympathien für Russland oder die Separatisten im Osten zeigt, bekommt es
mit dem Inlandsgeheimdienst SBU zu tun.
Einer von ihnen ist der westukrainische Journalist Wasilij Murawizkij.
Dieser soll auf sechs russischen Internetseiten antiukrainisches Material
veröffentlicht haben. Ihm droht ein Verfahren wegen Hochverrat. Reporter
ohne Grenzen und das in New York ansässige Komitee zum Schutz von
Journalisten hatten die Ukraine aufgefordert, den seit Anfang August
inhaftierten Murawizkij freizulassen. Seit 2015 sind die Journalisten
Dmitrij Wasiljez und Jewgenij Timonin in Untersuchungshaft. Seit ihrer
Inhaftierung wurde die Untersuchungshaft alle zwei Monate unter Ausschluss
der Öffentlichkeit auf weitere zwei Monate fortgesetzt. Den beiden wird
vorgeworfen, einen separatistischen Sender betrieben zu haben.
Beobachter sehen in der Ukraine eine Zunahme des „patriotischen
Journalismus“. Immer wieder wird von „Helden“ geschrieben, wenn Statistik…
von gefallenen Ukrainern veröffentlicht werden. Gleichzeitig werden
russische Soldaten als „Raschisten“ bezeichnet. „Leider geht bei einem
beträchtlichen Teil der ukrainischen Journalisten die Tendenz zum loyalen
und patriotischen Journalismus“, kommentiert Valerij Iwanow, Präsident der
NGO „Akademie der ukrainischen Presse“ und Autor des Buches
„Journalistische Ethik“. In der Folge, so Iwanow, werde Journalistik zu
Propaganda. Und so komme es zu einem Vertrauensverlust bei Leser- und
Hörerschaft, einer Abnahme der Einhaltung journalistischer Standards. Und
dieser Schaden sei nicht zu unterschätzen.
11 Sep 2017
## LINKS
[1] /Spanische-Journalisten-in-der-Ukraine/!5437238
[2] http://texty.org.ua
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Ukraine
Schwerpunkt Pressefreiheit
Russland
Investigativer Journalismus
Ukraine
Ukraine
Proteste in der Ukraine
Ukraine
Russland
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
Russland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Keine Telefondaten für die Ukraine
Die Ukraine bekommt keine Mobiltelefondaten der Investigativjournalistin
Natalia Sedletska. Diese war zuvor in zwei Prozessen unterlegen.
Freilassungen im Ukraine-Konflikt: Zwei Krimtataren kommen frei
Mit Unterstützung des türkischen Präsidenten Erdoğan wurden zwei Aktivisten
aus russischer Haft entlassen. Jetzt sind sie in Kiew.
Anschläge in der Ukraine: Tödliche Bombenexplosion
Bei einem Attentat, das dem nationalistischen Politiker Ihor Mositschuk
gilt, sterben zwei Menschen. Er wird verletzt. Eine Spur könnte nach Moskau
führen.
Proteste in der Ukraine: Saakaschwili laufen die Leute weg
Deutlich weniger Menschen als vor ein paar Tagen folgen einem Aufruf des
Ex-Gouverneurs von Odessa. Eine geeinte Opposition existiert nicht.
Bildungsreform in der Ukraine: Kampfansage an die Minderheiten
Ab 2020 soll an Schulen nur noch auf Ukrainisch unterrichtet werden. Ungarn
will deshalb Kiews Annäherung an die EU blockieren.
Militärisches Großmanöver in Russland: Wirrwarr wegen „Weischnoria“
Das beginnende Großmanöver „Sapad 2017“ beunruhigt nicht nur die Nachbarn.
Es enthüllt auch Moskauer Merkwürdigkeiten.
Kommentar Saakaschwilis Rückkehr: Eine Schlappe für Ukraines Regierung
Präsident Poroschenko wurde mit Michail Saakaschwilis Wiedereinreise
vorgeführt. Die USA und Polen suchen sich längst neue Verbündete in der
Ukraine.
Spanische Journalisten in der Ukraine: Wie Verbrecher behandelt
Zwei spanische Reporter fliegen nach Kiew, um aus der umkämpften
Donbass-Region zu berichten. Aber sie dürfen den Flughafen nicht verlassen.
Justiz in der Ukraine: Kritischer Journalist in U-Haft
Der Chefredakteur und Inhaber des Internetportals strana.ua Igor Guschwa
soll einen Abgeordneten erpresst haben. Er bestreitet die Vorwürfe.
Medien in der Ukraine: Russische soziale Netzwerke blockiert
Präsident Petro Poroschenko verhängt per Dekret eine dreijährige Sperre.
Fraglich ist jedoch, ob das Verbot durchgesetzt werden kann.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.