Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Proteste in der Ukraine: Saakaschwili laufen die Leute weg
> Deutlich weniger Menschen als vor ein paar Tagen folgen einem Aufruf des
> Ex-Gouverneurs von Odessa. Eine geeinte Opposition existiert nicht.
Bild: Demonstrantin am vergangenen Mittwoch in Kiew
Kiew taz | Die Protestbewegung von Michail Saakaschwili scheint zu
bröckeln. Am Sonntag folgten nur noch 1000 Personen dem Aufruf des früheren
georgischen Präsidenten und ehemaligen Gouverneurs von Odessa, Michail
Saakaschwili, sich erneut vor dem Parlament in der ukrainischen Hauptstadt
Kiew zu versammeln.
Mit schweren Angriffen auf die ukrainische Regierung, die Nationalgarde,
den Inlandsgeheimdienst SBU und Präsident Petro Poroschenko trat
Saakaschwili, Vorsitzender der Oppositionsbewegung „Bewegung der Neuen
Kräfte“, vor die Protestierenden.
Wenn es so weitergehe, gebe es in der Ukraine bald nur noch Friedhöfe und
Flughäfen. Auf diesen Flughäfen würden die vielen Ukrainer, die ins Ausland
abgewandert seien, für ein paar Tage in ihre Heimat fliegen, um die Gräber
ihrer toten Verwandten aufzusuchen.
Doch es müsse nicht so kommen, so Saakaschwili. Er habe Pläne in der
Tasche, wie man aus der Ukraine ein prosperierendes Land machen könne. Und
wenn diese Pläne umgesetzt würden, würde es den Menschen im Land bald
besser gehen, „dann werden unsere Bürger nicht mehr als Arbeitssuchende,
sondern als stolze Touristen ins Ausland fahren“. Alleine die ukrainische
Rüstungsindustrie ließe sich so weit entwickeln, dass sich von den
Waffenexporten die gesamte ukrainische Armee finanzieren ließe.
## „Banditen haut ab“
Es könne doch nicht sein, dass die Nationalgarde mehr Geld erhalte als die
ukrainische Armee. Längst sei die Nationalgarde zu einer „Privatgarde“
verkommen, deren einzige Aufgabe es sei, die Interessen von Poroschenko zu
sichern. Immer wieder wurde der Politiker unterbrochen von Sprechchören wie
„Banditen haut ab.“ oder „Ruhm der Ukraine“.
Noch am Vorabend habe die Nationalgarde „finanziert von euren
Steuergeldern“ drei seiner Mitarbeiter in Kiew entführt. „Das darf nicht
ungesühnt bleiben“ rief der Georgier der Menge zu. Und diese antwortete in
Sprechchören „Schande, Schande“.
Saakaschwili beendete seine Rede mit einem Appell an seine Unterstützer.
Alles, was die Ukraine von einer guten Zukunft trenne, sei der Unglaube der
Menschen an ihre eigene Kraft, seien die Oligarchen und der Präsident.
„Doch unser Glaube wird siegen“, so Saakaschwili.
Seit dem 17. Oktober demonstrieren täglich Menschen aus der gesamten
Ukraine vor dem Parlament. Am Dienstag und Mittwoch vergangener Woche
hatten über 6000 Demonstranten einem Heer von knapp 4000 Tausend Polizisten
und Nationalgardisten gegenübergestanden.
## Neues Wahlgesetz
Sie forderten die Schaffung eines Antikorruptionsgerichtes, die Aufhebung
der Abgeordnetenimmunität und ein neues Wahlgesetz. Mehrere Organisationen,
darunter Nationalisten, Oppositionsparteien und Abgeordnete hatten zu den
Protesten aufgerufen.
Doch es gibt in der Opposition auch kritische Stimmen zu den neuen
Protesten, die inzwischen eng mit dem Namen Saakaschwili verknüpft sind. Er
sehe kaum Unterschiede in der neoliberalen Programmatik von Poroschenko und
Saakaschwili, sagte der Gewerkschaftsaktivist Andrej Ischtschenko aus
Odessa der taz.
Mit den von Saakaschwili angeführten Protesten lenkten die Herrschenden von
neuen anti-sozialen Gesetzen, wie der Abschaffung der kostenlosen
medizinischen Versorgung und der „Deformation“ des Rentensystems ab. Und so
bleibe angesichts dieser Aktionen kein öffentlicher Raum für Proteste gegen
die geplante neue Arbeitsgesetzgebung, die die Rechte der arbeitenden
Bevölkerung weiter einschränken werde.
Michail Saakaschwili hat es geschafft, eine Protestbewegung im Zentrum von
Kiew gegen den amtierenden Präsidenten zu initiieren, die stark an die
Proteste des Maidan im Jahr 2014 erinnert. Doch es ist fraglich, ob er bei
sinkenden Teilnehmerzahlen erfolgreich sein wird.
## Abstrakte Forderungen
Dem Einzelkämpfer ist es bisher nicht gelungen, ein breites
Oppositionsbündnis ins Leben zu rufen. Andere oppositionelle Kräfte hatten
zwar in der vergangenen Woche auch im Regierungsviertel demonstriert. Doch
diese Demonstrationen waren keine gemeinsame Aktion, sondern fanden
lediglich zeitgleich statt.
Das Internetportal strana.ua sieht einen Grund für den nur mäßigen Erfolg
Saakaschwilis darin, dass dessen Forderungen zu abstrakt seien. Eine
Einführung von Anti-Korruptionsgerichten oder die Abschaffung der Immunität
der Abgeordneten seien nicht die Herzensanliegen der Bevölkerung, so
strana.ua.
Auch der Umstand, dass Poroschenko sofort nach Beginn der Proteste einen
eigenen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Immunität der Parlamentarier im
Parlament eingebracht hatte, dürfte den Protesten etwas Wind aus den Segeln
genommen haben. Dass dieses Gesetz erst in der nächsten Legislaturperiode
in Kraft treten soll, steht auf einem anderen Blatt.
22 Oct 2017
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Proteste in der Ukraine
Ukraine
Michail Saakaschwili
Kyjiw
Petro Poroschenko
Ukraine
Ukraine
Proteste in der Ukraine
Ukraine
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
Ukraine
Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Opposition in der Ukraine: Marsch für Michail Saakaschwili
Rund 10.000 Anhänger des Ex-Gouverneurs von Odessa demonstrieren in Kiew
für eine neue Regierung. Sie gedenken auch des Maidan 2014.
Gerichtsentscheid in Kiew: Saakaschwili freigelassen
Der ehemalige georgische Präsident Michail Saakaschwili ist wieder auf
freiem Fuß. Nun will die Staatsanwaltschaft in Kiew die Freilassung
anfechten.
Opposition in der Ukraine: Saakaschwili tritt in den Hungerstreik
Der ehemalige Gouverneur von Odessa wird erneut festgenommen und kommt in
U-Haft. Seine Anhänger protestieren vor dem Gefängnis.
Maidan-Aktivistin stirbt per Kopfschuss: Wieder ein politischer Mord in Kiew
Die Maidan- und Tschetschenien-Aktivistin Amina Okuyeva wird in der Ukraine
ermordet. Die Auftraggeber werden in Moskau oder Grosny vermutet.
Freilassungen im Ukraine-Konflikt: Zwei Krimtataren kommen frei
Mit Unterstützung des türkischen Präsidenten Erdoğan wurden zwei Aktivisten
aus russischer Haft entlassen. Jetzt sind sie in Kiew.
Kommentar Saakaschwilis Rückkehr: Eine Schlappe für Ukraines Regierung
Präsident Poroschenko wurde mit Michail Saakaschwilis Wiedereinreise
vorgeführt. Die USA und Polen suchen sich längst neue Verbündete in der
Ukraine.
Repression gegen Medien in der Ukraine: Harte Türpolitik
Ausländische Journalisten werden immer häufiger aus der Ukraine ausgewiesen
– vor allem russische. Ihnen wird Propaganda unterstellt.
Rückkehr in die Ukraine: Angst in Kiew vor Michail Saakaschwili
Der ausgebürgerte Ex-Gouverneur aus Odessa hält sich in Polen auf – auf der
Durchreise. Er will weiterreisen in die Ukraine.
Früherer Präsident Georgiens: Saakaschwili ist jetzt ein Papierloser
Der ukrainische Präsident entzieht dem Exgouverneur von Odessa und früheren
georgischen Staatschef die ukrainische Staatsbürgerschaft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.