# taz.de -- Bildungsreform in der Ukraine: Kampfansage an die Minderheiten | |
> Ab 2020 soll an Schulen nur noch auf Ukrainisch unterrichtet werden. | |
> Ungarn will deshalb Kiews Annäherung an die EU blockieren. | |
Bild: Erster Schultag in einer Einrichtung für Kadetten in Kiew | |
Kiew taz | In der Ukraine tritt an diesem Donnerstag ein neues | |
Bildungsgesetz in Kraft. Umstritten an diesem Gesetzeswerk sind die | |
Einschränkungen für den Unterricht in Minderheitensprachen. Diese sollen ab | |
dem Beginn des nächsten Schuljahres im September 2018 greifen. | |
Entsprechend diesen neuen Regelungen können Kinder in Kindergärten und den | |
ersten vier Klassen der Grundschulen bis 2020 in ihrer Muttersprache und | |
der ukrainischen Sprache lernen. Ab der fünften Klasse wird nur noch auf | |
Ukrainisch unterrichtet. In dieser Übergangszeit dürfen einzelne Fächer | |
auch in Sprachen der EU unterrichtet werden. Nach einer Übergangsfrist muss | |
2020 der gesamte Unterricht in ukrainischer Sprache abgehalten werden. | |
Das neue Bildungsgesetz wurde von einer breiten Mehrheit im Parlament | |
unterstützt. Lediglich die Fraktion des „Oppositionsblocks“ hatte dagegen | |
gestimmt. | |
Das neue Bildungsgesetz, so Bildungsministerin Lilia Hrynewytsch, käme auch | |
den nationalen Minderheiten zugute. Diese würden derzeit in fast allen | |
Fächern in ihrer Sprache unterrichtet und besuchten lediglich einige | |
Stunden Ukrainisch-Unterricht. In der Folge würden Kinder, die eine | |
ungarische Schule abgeschlossen hätten, kaum Ukrainisch sprechen. | |
## Ukrainisch stiftet Identität | |
Deswegen, so das Internetportal Ukrainska Prawda, seien ungarischsprachige | |
Kinder derzeit benachteiligt, wenn sie außerhalb ihrer heimischen Region in | |
der Ukraine eine weiterführende Bildungseinrichtung besuchen wollen. | |
In einer Fernsehdebatte erklärte die Abgeordnete Oxana Bilosir vom „Block | |
Petro Poroschenko“, das neue Gesetz sei mit seiner Förderung der | |
ukrainischen Sprache identitätsstiftend für die Ukraine und einige das | |
Land. | |
Rechte von Minderheiten würden durch das neue Gesetz nicht verletzt, so die | |
Befürworter, werde doch keine Minderheitensprache verboten. Man stelle | |
lediglich fest, dass das Ukrainische Staatssprache sei und deswegen auch | |
Unterrichtssprache sein müsse. | |
Olexandr Wilkul vom „Oppositionsblock“ sieht das anders. Das Bildungsgesetz | |
sei ein politisches Gesetz, mit dem man um Wählerstimmen in der Westukraine | |
werbe. Es sei nicht tragisch, wenn in einem Staat mehrere Sprachen | |
nebeneinander existierten. In der Schweiz gebe es vier Staatssprachen, in | |
Belgien drei. | |
## Weg von Europa | |
Die Ukraine bewege sich mit diesem Gesetz nicht auf Europa zu, so Wilkul, | |
sondern erinnere an einen nationalistischen Staat des 19. Jahrhunderts. Das | |
Bildungssystem müsse dem Umstand Rechnung tragen, dass es regional große | |
Unterschiede gebe. Man könne nicht für 400.000 Kinder Schulen schließen, | |
nur weil dort nicht auf Ukrainisch unterrichtet werde. | |
Doch am meisten Widerstand gegen das neue Bildungsgesetz kommt aus dem | |
benachbarten Ausland. In getrennten Erklärungen hatten Ungarn, Rumänien, | |
Bulgarien, Griechenland, Polen, Moldau und Russland das neue ukrainische | |
Bildungsgesetz wegen dessen Einschränkungen für die Minderheiten scharf | |
kritisiert. | |
In einer einstimmig verabschiedeten Resolution hatten alle Abgeordneten des | |
ungarischen Parlaments das ukrainische Bildungsgesetz verurteilt. Man werde | |
nun alles tun, um eine Annäherung der Ukraine an die EU zu blockieren, hieß | |
es von Seiten der ungarischen Regierung. Aus Protest gegen das Gesetz sagte | |
der rumänische Präsident Klaus Iohannis einen für nächste Woche geplanten | |
Besuch in der Ukraine ab. | |
Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass das Gesetz noch geändert werden | |
könnte. Nach einem Gespräch mit Vertretern der EU-Botschaften, des | |
Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa | |
(OSZE) am 15. September hatte die ukrainische Bildungsministerin | |
Hrynewytsch angekündigt, die Ukraine werde dem Europarat das Bildungsgesetz | |
zur Prüfung vorlegen. | |
28 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
## TAGS | |
Ukraine | |
Proteste in der Ukraine | |
Petro Poroschenko | |
Minderheiten | |
Ukraine | |
Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Ukraine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Maidan-Aktivistin stirbt per Kopfschuss: Wieder ein politischer Mord in Kiew | |
Die Maidan- und Tschetschenien-Aktivistin Amina Okuyeva wird in der Ukraine | |
ermordet. Die Auftraggeber werden in Moskau oder Grosny vermutet. | |
Freilassungen im Ukraine-Konflikt: Zwei Krimtataren kommen frei | |
Mit Unterstützung des türkischen Präsidenten Erdoğan wurden zwei Aktivisten | |
aus russischer Haft entlassen. Jetzt sind sie in Kiew. | |
Kommentar Saakaschwilis Rückkehr: Eine Schlappe für Ukraines Regierung | |
Präsident Poroschenko wurde mit Michail Saakaschwilis Wiedereinreise | |
vorgeführt. Die USA und Polen suchen sich längst neue Verbündete in der | |
Ukraine. | |
Repression gegen Medien in der Ukraine: Harte Türpolitik | |
Ausländische Journalisten werden immer häufiger aus der Ukraine ausgewiesen | |
– vor allem russische. Ihnen wird Propaganda unterstellt. | |
Militärparade in der Ukraine: Nato-Soldaten marschieren in Kiew | |
Bei den Feiern zur Unabhängigkeit waren auch Militärs der Nato dabei. Bei | |
einer Explosion wurden am Donnerstag zwei Menschen verletzt. | |
Geschichtspolitik in Kiew: Der General soll weg | |
Die Ukraine tilgt kommunistische Symbole aus den Städten. In Kiew wird eine | |
Straße umbenannt – und damit Geschichte umgedeutet. |