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# taz.de -- Geschichtspolitik in Kiew: Der General soll weg
> Die Ukraine tilgt kommunistische Symbole aus den Städten. In Kiew wird
> eine Straße umbenannt – und damit Geschichte umgedeutet.
Bild: Schnee und Eis hat es getrotzt: Watutin-Denkmal in der Ukraine
Kiew taz | In der ukrainischen Hauptstadt streitet man jetzt um den Namen
einer Straße. Am 1. Juni entschied der Kiewer Stadtrat, den
General-Watutin-Prospekt in Roman-Schuchewytsch-Prospekt umzubenennen. Das
brachte Dutzende Kiewer Bürger, darunter Kriegsveteranen, auf die Straße.
Innerhalb weniger Tage unterzeichnen über 6.000 Personen eine
Onlinepetition.
„General Watutin hat 1943 Kiew von den deutsch-faschistischen Eroberern
befreit“, heißt es in der Petition. Man müsse den Namen erhalten. Am Montag
folgte ein Kiewer Verwaltungsgericht einer Klage und setzte die Umbenennung
außer Kraft.
Es ist nicht nur das Verdrängen des Kommandeurs der sowjetischen Truppen,
die Kiew von den deutschen Soldaten befreit haben, aus dem Gedächtnis der
Bevölkerung, was viele Menschen aufbringt. Ihnen ist vor allem
unverständlich, warum der Watutin-Prospekt nun ausgerechnet den Namen des
Oberbefehlshabers der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) tragen soll,
der im Zweiten Weltkrieg als Offizier auf der Seite der deutschen Wehrmacht
im Bataillon „Nachtigall“ gekämpft, eine deutsche Uniform getragen hatte
und dessen Einheiten General Watutin 1944 getötet haben.
„Ich war entsetzt über die Umbenennung der Straße“, erklärte Eduard
Dolinski, Vorsitzender des Ukrainischen jüdischen Komitees, gegenüber der
taz. „Ich verurteile diese Entscheidung zutiefst. Sie ist nicht vereinbar
mit europäischen Werten, die in unserem Land eine hohe Priorität haben.
Kriegsverbrecher, Kollaborateure, Nazis und Antisemiten dürfen in der
Ukraine nicht verherrlicht werden“. Gerne werde heute übersehen, dass die
OUN eine fremdenfeindliche, antisemitische Ideologie hatte, OUN- und
UPA-Einheiten sich am Holocaust beteiligt hatten und zwischen 70.000 und
100.000 Polen massakriert hätten.
## 1.300 Lenin-Denkmäler geschleift
Einer, der hingegen die Entscheidung des Kiewer Stadtrates begrüßt hat, ist
Wladimir Wjatrowitsch, der Chef des Instituts für nationales Gedächtnis. Er
freut sich darauf, am Ende des Monats den 110. Geburtstag von Roman
Schuchewytsch feiern zu können.
Die Entscheidung des Kiewer Stadtrates passt in den Geist der Tilgung des
Kommunismus. Seit Mai 2015 sind kommunistische und nationalsozialistische
Symbole per Gesetz verboten. Gleichzeitig werden aber die in UPA und OUN
organisierten bewaffneten Nationalisten der 40er Jahre verherrlicht.
Landesweit wurden 1.300 Lenin-Denkmäler geschleift, über 51.000 Straßen
umbenannt.
Nun gibt es fast in jeder Stadt eine Schuchewytsch- oder Bandera-Straße in
Erinnerung an Schuchewytsch und an Stepan Bandera, den Chef der OUN in den
40er Jahren. Wjatrowitschs Institut für nationales Gedächtnis gibt dabei
den Kurs vor. Sein Institut hatte eine Liste von 520 Persönlichkeiten der
Zeitgeschichte festgelegt, die nicht Namensgeber von Straßen sein dürfen.
Das Verbot von Nazipropaganda gelte aber nicht für die Symbole der „SS
Galizien“, hatte Wjatrowitsch kürzlich verlauten lassen. Die 14.
Waffen-Grenadier-Division der SS war 1943 mit ukrainischen Freiwilligen und
sogenannten Volksdeutschen aufgestellt worden. Das St.-Georgs-Bändchen, das
den Sieg der Sowjetunion über Hitler-Deutschland symbolisiert, wurde
hingegen Anfang Juni verboten. Es wird inzwischen aber auch von den
prorussischen Rebellen in der Ostukraine als Erkennungszeichen verwandt.
15 Jun 2017
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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ESC 2017
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