# taz.de -- Antisemitismus in der Ukraine: Brandbombe und Schmierereien | |
> Während eines Festivals zu Ehren eines historischen Anführers der | |
> Nationalisten werden in Lviv zwei jüdische Einrichtungen angegriffen. | |
Bild: Blick auf Lviv. An Nationalisten herrscht hier kein Mangel | |
KIEW taz | Zwei jüdische Einrichtungen sind in der westukrainischen Stadt | |
Lviv Opfer antisemitischer Anschläge geworden. Wie erst in dieser Woche | |
bekannt wurde, hatten Unbekannte am 30. Juni eine Brandbombe auf eine | |
Synagoge in Lviv geworfen. Am gleichen Tag war auch ein Gebäude der | |
jüdischen Gemeinde in der Scholem-Aleichem-Strasse in Lviv mit | |
anti-jüdischen Parolen wie „Nieder mit der jüdischen Macht“ besprüht | |
worden. Menschen kamen nicht zu Schaden. | |
Dies berichtet der Stadtrat von Lviv unter Berufung auf die Direktorin der | |
„Allukrainischen jüdischen Stiftung Hesed Arie“, Adel Dianova, auf seiner | |
Homepage. Der Rat verurteilt diesen „Akt des Vandalismus“ und fordert, die | |
Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. „Lviv war, ist und wird immer | |
ein Ort der Toleranz sein“ erklärte Andrij Moskalenko, ein Sprecher der | |
Stadt, auf dem Internet-Portal der Stadtverwaltung. | |
Am 30. Juni wird in Lviv des Einmarsches der deutschen Truppen am gedacht, | |
dem anti-jüdische Pogrome folgten. Bis zum 2. Juli wurden unterschiedlichen | |
Quellen zufolge zwischen 4000 und 7000 Juden ermordet. | |
Ebenfalls am 30. Juni diesen Jahres begann in Lviv ein in Anlehnung an das | |
Oktoberfest „SchuchewitschFest“ genanntes Festival, das bis zum 2. Juli | |
dauerte. Dieses vom Kulturamt der Stadt Lviv geförderte Fest will das | |
Andenken an Nationalistenführer Roman Schuchewytsch hoch halten, der im | |
Zweiten Weltkrieg Kommandeur der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) | |
war und als Kommandeur des Bataillons „Nachtigall“ eine Uniform der | |
deutschen Wehrmacht getragen hatte. Jüdische Organisationen kritisieren das | |
„SchuchewytschFest“. | |
## Keine Absage | |
Eduard Dolinsky, Direktor des „Ukrainian Jewish Committee“, sieht einen | |
direkten Zusammenhang zwischen den Anschlägen des 30. Juni und dem | |
„SchuchewytschFest“. „Diese sind die logische Folge des schandhaften | |
Festivals zu Ehren des Nazikollaborateurs Roman Schuchewytsch.“ | |
Immer wieder, so Dolinsky gegenüber der taz, hätten der „World Jewish | |
Congress“ und jüdische Organisationen in der Ukraine die Behörden von Lviv | |
gebeten, das „SchuchewytschFest“ abzusagen, aber ohne Erfolg. „Wir sind | |
sehr beunruhigt über die fortdauernde Heroisierung von Personen, die an | |
Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und dem Holocaust teilgenommen | |
haben“ so Dolinsky. | |
Das „SchuchewytschFest“, so die US-amerikanische „National Coalition | |
Supporting Eurasian Jewry“, beleidige alle die, die im Holocaust ihr Leben | |
verloren hätten. Auch der „World Jewish Congress“ hatte die Behörden von | |
Lviv aufgerufen, dass Festival abzusagen. Allein am 30. Juni 1941, so der | |
„World Jewish Congress“ auf seiner Homepage, hätten ukrainische Truppen, | |
unter ihnen auch Schuchewytsch-treue Einheiten, unter dem Oberbefehl der | |
deutschen Armee mehr als 4000 Juden ermordet. | |
“Es ist bedauerlich, dass die Stadt Lviv einen mörderischen Antisemiten mit | |
einem Event ehrt, das just am Jahrestag des Beginns der schrecklichen | |
Massaker an tausenden von Juden stattfindet.“ so Robert Singer, | |
Vize-Präsident des „World Jewish Congress“. | |
## Veto angedroht | |
Die Heroisierung ukrainischer Nationalisten wird zunehmend zu einer | |
Belastung der polnisch-ukrainischen Beziehungen. Am Mittwoch wurde der | |
polnische Botschafter in das ukrainische Außenministerium einbestellt. | |
Zuvor hatte der polnische Außenminister Witold Waszczykowski der Ukraine | |
gedroht, gegen deren Bestrebungen der EU beizutreten ein Veto einzulegen, | |
sollte Kiew sich nicht klar zu historischen Ereignissen und | |
Minderheitenfragen positionieren. Insbesondere Waszczykowski´s Satz: „Mit | |
Bandera kommt ihr nicht nach Europa“ hatte in der Ukraine zu Irritationen | |
geführt. | |
Noch Ende Februar hatte der polnische Botschafter in der Ukraine, Jan | |
Peklo, erklärt, die Heroisierung des in den 40er Jahren aktiven | |
Nationalistenführers Stepan Bandera in der Ukraine werde die Beziehungen | |
zwischen der Ukraine und Polen nicht beeinträchtigen. | |
Wenig diplomatisch zeigte sich Juri Schuchewytsch, Abgeordneter und Sohn | |
von Nationalistenführer Roman Schuchewytsch, angesichts der Äußerungen des | |
polnischen Außenministers. Für derartige Worte gegen Bandera würde er Polen | |
ins Gesicht schlagen, zitiert das Internetportal „strana.ua“ den | |
ukrainischen Politiker von der „Radikalen Partei“. | |
6 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
## TAGS | |
Ukraine | |
Juden in der Ukraine | |
Polen | |
Polen | |
Proteste in der Ukraine | |
Ukraine | |
Ukraine | |
Lemberg | |
Ukraine | |
Ukraine-Konflikt | |
Ukraine-Konflikt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Polnisch-ukrainische Beziehungen: Im Schatten der Geschichte | |
In der Ukraine geht die Angst um, das Verhältnis zum Nachbarn könnte sich | |
verschlechtern. Grund ist das neue Holocaust-Gesetz in Polen. | |
Rechtsradikale in der Ukraine: Eine Antwort auf die „Patrioten“ | |
Knapp 200 Menschen haben in Kiew gegen eine paramilitärische | |
„Volksbürgerwehr“ demonstriert, die sich als Law-and-Order-Truppe | |
aufspielt. | |
Anschläge in der Ukraine: Tödliche Bombenexplosion | |
Bei einem Attentat, das dem nationalistischen Politiker Ihor Mositschuk | |
gilt, sterben zwei Menschen. Er wird verletzt. Eine Spur könnte nach Moskau | |
führen. | |
Rechtsextreme in der Ukraine: Der Preis der Unabhängigkeit | |
Militante Organisationen gewinnen in der Ukraine immer mehr Einfluss auf | |
Staat und Regierung – trotz ihrer fremdenfeindlichen Vergangenheit. | |
Stadtporträt über Lemberg: Narbiges Antlitz | |
Lutz C. Kleveman erkundet das ukrainische Lemberg und stößt auf eine | |
schwierige Vergangenheit, die die Stadt lieber verdrängen will. | |
Geschichtspolitik in Kiew: Der General soll weg | |
Die Ukraine tilgt kommunistische Symbole aus den Städten. In Kiew wird eine | |
Straße umbenannt – und damit Geschichte umgedeutet. | |
Tag des Sieges in der Ukraine: Blumen, Bilder und Gewalt | |
In Kiew gerieten Nationalisten und Moskautreue aneinander. Es ging um | |
Gedenkmärsche für die Gefallenen im Zweiten Weltkrieg. | |
Rechtsradikalismus in der Ukraine: Linker Aktivist niedergestochen | |
Übergriffe nationalistischer oder rechtsradikaler Gruppen auf politische | |
Gegner nehmen zu. Die Lage in der Ukraine ist angespannt. |