# taz.de -- Statistiken zur Einwanderung: Deutschland wird bunter | |
> In Deutschland leben immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund. | |
> Fachleute fordern deshalb einen flexibleren Arbeitsmarkt und bessere | |
> Schulen. | |
Bild: Neubürger des Landes Brandenburg bei ihrem Einbürgerungsfest in Potsdam | |
Wiesbaden dpa | Der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund hat 2016 | |
zum fünften Mal in Folge einen Höchststand erreicht. Insgesamt gehörten | |
18,5 Millionen Menschen zu dieser Gruppe – das war gut jeder Fünfte (22,5 | |
Prozent), wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag | |
mitteilte. Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr war mit 8,5 Prozent so stark | |
wie noch nie seit Beginn der Erhebung 2005. Als Grund nennen die | |
Statistiker die hohe Zahl von Zuwanderern etwa aus der EU und von | |
Flüchtlingen. | |
Menschen mit Migrationshintergrund sind Ausländer, Eingebürgerte, | |
Aussiedler sowie als Deutsche geborene Kinder dieser Gruppen. Etwas mehr | |
als die Hälfte der Bevölkerung mit Migrationshintergrund sind Deutsche (52 | |
Prozent), die meisten von ihnen schon seit ihrer Geburt. | |
Daniel Thym vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration | |
und Migration (SVR) stellt aber auch fest: Gemessen an der Zahl der im | |
Ausland geborenen Menschen mit Migrationshintergrund habe Deutschland mehr | |
Zuwanderer als die klassischen Einwanderungsländer. | |
Rund 8,9 Millionen Ausländer leben den Statistikern zufolge in Deutschland. | |
Grundlage ihrer Erhebung ist der Mikrozensus, eine jährliche, | |
repräsentative und stichprobenartige Befragung der Haushalte. Das | |
Ausländerzentralregister geht dagegen davon aus, dass mehr als zehn | |
Millionen Menschen ohne deutschen Pass in der Bundesrepublik wohnen. Die | |
Zahl fällt nach Einschätzung von Fachleuten unter anderem deshalb höher | |
aus, weil sich viele Rückkehrer nicht abmelden, wenn sie Deutschland wieder | |
verlassen. | |
Die Türkei ist noch immer mit Abstand das größte Herkunftsland und Europa | |
die wichtigste Region. Inzwischen kommen aber auch 2,3 Millionen Menschen | |
in Deutschland aus dem Nahen und Mittleren Osten. Das sind fast 51 Prozent | |
mehr als fünf Jahre zuvor. Die Zahl der Menschen afrikanischer Herkunft | |
wuchs im gleichen Zeitraum um 46 Prozent auf etwa 740.000 Menschen. | |
## Ausbildungssystem muss flexibler werden | |
Unterschiede zwischen den Einwohnern Deutschlands mit und ohne | |
Migrationshintergrund gibt es beispielsweise beim Bildungsstand: Menschen | |
mit Migrationshingergrund im Alter von 25 bis 34 Jahren haben häufiger | |
keinen Schul- oder Berufsabschluss als Gleichaltrige ohne | |
Migrationshintergrund. Abitur und akademische Abschlüsse sind dagegen in | |
beiden Gruppen gleich häufig. | |
„Die Zuwanderung ist kein einheitliches Phänomen“, betont Jura-Professor | |
Thym vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und | |
Migration (SVR). Zuwanderer aus der EU, darunter viele Hochqualifizierte, | |
integrierten sich bis auf wenige Ausnahmen von selbst. Die Wirtschaft werde | |
auch künftig noch mehr Fachkräfte und Hochqualifizierte unterhalb des | |
Universitätsabschlusses brauchen. Dafür sei der Gesetzgeber gefragt, denn | |
eine erhebliche Hürde sei die Anerkennung im Ausland erworbener | |
Qualifikationen. In vielen Ländern gebe es kein Äquivalent zu den deutschen | |
Voraussetzungen. | |
Mehr Flexibilität sei auch im Ausbildungssystem notwendig. Viele geringer | |
qualifizierte Flüchtlinge etwa kämen zwar mit einer sehr hohen Motivation | |
nach Deutschland. „Sie wollen arbeiten und erfolgreich sein“, müssten | |
jedoch zunächst langwierige Nachqualifikationen absolvieren. Statt lauter | |
Sonderprogrammen für diese Menschen müsse das Regelsystem gestärkt werden, | |
fordert Thym. So sollten Schulen finanziell besser ausgestattet und die | |
Lehrerausbildung angepasst werden. | |
Die meisten Menschen mit Migrationshintergrund leben im | |
bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (fast 4,9 Millionen). | |
An zweiter Stelle steht Baden-Württemberg (fast 3,3 Millionen) gefolgt von | |
Bayern (fast 3,0 Millionen). Am wenigsten Menschen mit | |
Migrationshintergrund finden sich in Mecklenburg-Vorpommern (102.000), | |
Thüringen (131.000) und Sachsen-Anhalt (140.000). | |
1 Aug 2017 | |
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