| # taz.de -- „Es ist Liebe“ von Stephan Porombka: Das ist kein Buch | |
| > Der Social-Media-Künstler Stephan Porombka will die Liebe neu entdecken – | |
| > und präsentiert uns eine Art Werk gewordene Statusmeldung. | |
| Bild: Self-Made-Star in den Online-Netzwerken: Stephan Porombka | |
| Das hier ist nicht wirklich ein Buch. Gut, es sieht ein wenig so aus. Es | |
| hat einen grellroten Umschlag und gelegentlich grellrote Seiten mit | |
| übergroßen Buchstaben drauf, neben den ganz normal daherkommenden Seiten | |
| mit Text. Es heißt trotzig „Es ist Liebe“, handelt aber nur indirekt davon, | |
| direkt handelt es vom Umgang mit dem Smartphone und den Apps, die soziales | |
| Leben ermöglichen sollen: Grindr, Tinder, Instagram, Facebook, Twitter, | |
| Snapchat, you name it. | |
| Geschrieben hat es der „Autor, Kolumnist und Professor“ Stephan Porombka, | |
| ein Self-Made-Star in den sozialen Netzwerken, der es sehr gut versteht, | |
| Selbstdarstellung mit Medienarbeit und Aufklärung zu verbinden. Porombka | |
| lehrt an der UdK in Berlin, nachdem er lange für die Kulturwissenschaften | |
| in Hildesheim zuständig war (mit Anschluss an die Schreibschule, die | |
| derzeit einen öffentlichen Diskurs über Sexismus in Schreibschulen führt). | |
| Auf Facebook hat er [1][über 2.000 Abonnenten], auf Twitter vermutlich | |
| [2][entschieden mehr]. „Es ist Liebe“ ist keinesfalls sein erstes Buch, | |
| aber vielleicht sein erstes, das aus dem üblichen akademischen Kontext | |
| hinauswill. | |
| Denn es ist als solches nicht wirklich ein Buch, wie gesagt. Es ist eher so | |
| eine Buch gewordene Statusmeldung oder ein kleines E-Book-Format, das | |
| gedruckt erscheint. Es erinnert, das lässt sich bestimmt sagen, in seiner | |
| Anmutung an Marshall McLuhans „Das Medium ist die Massage“ (mit Quentin | |
| Fiore), wohlgemerkt mit a im letzten Wort, ein lesefreundlicher Reader mit | |
| allerlei Fotos und Montagen, der 1967 erschien und die neuste Medientheorie | |
| unters Volk bringen wollte. Porombka kennt dieses Buch bestimmt. | |
| Wie er auch mindestens ein anderes kennt, ein vergleichsweise voluminöses, | |
| mit richtig viel Buchstaben und kaum Bildern, nämlich die | |
| „Aufschreibesysteme 1800/1900“ seines großen Vorläufers und Vordenkers, | |
| Friedrich Kittler. | |
| Porombka probiert hier, auf offiziell 171 Seiten eine neue Medientheorie | |
| rund um den täglichen Gebrauch des Smartphones und neue Liebeskonzepte und | |
| Liebeskonstellationen zu entwerfen. Klar, es geht viel um Onlinedating. Es | |
| ist eine kleine Streitschrift, die die allbekannten Vorurteile sowohl ernst | |
| nimmt wie auch geradezu mit Hingabe verwirft. Mit implizitem Verweis auf | |
| Kittler zeigt er an, dass es ihm im Wesentlichen um das Neue des digitalen | |
| Liebesbriefs geht; eine „ganz neue, alles verwandelnde Vorstellung von | |
| Liebe, bei der man eine ganz neue, alles verwandelnde Sprache der Liebe | |
| spricht“. | |
| Es geht also viel um Austausch. Um Tausch, ums Teilen von Videos, von | |
| Textbotschaften, von Links; um den symbolischen Tausch und das ständige | |
| virtuelle Kontakthalten; zwar müssen sich Liebende auch erst mal finden – | |
| aber auch das geht, so Porombka, durch digitale Aufmerksamkeit. Sich in | |
| jemanden verlieben, weil er/sie coole oder lustige Fotos auf Instagram | |
| postet. | |
| Natürlich geht nicht immer alles auf oder steil oder gut aus: „Was | |
| misslingt, misslingt als Bewegungsfigur, mit der man liebend sendet und | |
| empfängt“, schreibt Porombka. Phänomene wie digitales Stalking kann sein | |
| Buch auf diesem kleinen Raum natürlich nicht erfassen. Immerhin sagt es: | |
| „Kompetent ist man deshalb erst dann, wenn man bereit ist, Beziehungen zu | |
| verlassen, die einem nicht guttun.“ | |
| Natürlich hat es Vorläufer gegeben. Eva Illouz hat sich zum Beispiel mit | |
| realeren, nicht so poppigen Effekten des Onlinedatings auseinandergesetzt; | |
| auch bei Slavoj Žižek waren die psychologischen Komponenten schon Thema. | |
| Auch hat Popautor Joachim Bessing schon 2013 den Roman zur Sache | |
| veröffentlicht: „untitled“, ein Roman über die Liebe in Zeiten des | |
| Smartphones. | |
| Und was ist dann dies hier? Ein Buch ist es nicht. Oder wenn, dann eins, | |
| das in einer Stunde durchgelesen ist. Ein Buch, das schön aussieht und | |
| gestaltet und auch geschrieben ist. Ein Buch, dessen Preis von 16 Euro man | |
| als „krass hoch“ bezeichnen könnte. Ein Buch, das einen Unterschied setzt: | |
| Die Aufmerksamkeitsspanne wird immer geringer, Gedrucktes muss jetzt | |
| daherkommen wie ein Bilderbuch. Nur ohne Bilder. Vielleicht markiert dieses | |
| Buch hier den nächsten feinen Unterschied. | |
| 11 Aug 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.facebook.com/stephan.porombka | |
| [2] https://twitter.com/stporombka | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
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