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# taz.de -- Gesichtserkennung an Berliner Bahnhof: Schöngemacht für de Maizi�…
> Der Bundesinnenminister besucht das Südkreuz und lobt die automatische
> Gesichtserkennung. Aktivisten fordern den Abbruch des Tests.
Bild: Da hilft auch die intelligenteste Kamera nichts…
Berlin taz | Die plüschige Tiger-Mütze tief ins Gesicht gezogen, die Augen
hinter einer überdimensionierten Pappsonnenbrille und die Haare unter einer
Beatles-Perücke versteckt, der Kopf hinter einer taz verborgen, das Kind
hinter einer Spider-Man-Maske – derart verkleidet fahren
Datenschutzaktivisten am Donnerstagmorgen mit den Rolltreppen am Bahnhof
Südkreuz.
Auf ihrem wiederholten Weg hinab, der von einer intelligenten
gesichtserkennenden – und dennoch zu überlistenden – Kamera verfolgt wird,
können sie einen Blick erhaschen in das Büro des Bundespolizeireviers im
ersten Stock der Bahnhofshalle.
Hinter dessen spiegelnder Scheibe ist in Umrissen Bundesinnenminister
Thomas de Maizière zu erkennen, umringt von einem Tross weiterer
Anzugträger und Journalisten. Der CDU-Politiker betrachtet die drei
Bildschirme unterschiedlicher Anbieter, deren Überwachungstechnik hier seit
dem 1. August getestet wird.
Das Pilotprojekt zur automatischen [1][Gesichtserkennung] bietet dem für
Überwachung zuständigen Minister eine passende Wahlkampf-Kulisse. Neugierig
dreinschauend lässt er sich kurz darauf in der Westhalle die
Bodenmarkierungen erklären, die anzeigen, welche Bereiche von den Kameras
erfasst werden.
Schließlich lobpreist er den auf sechs Monate angelegten Versuch in einem
Statement vor mehr als einem Dutzend Kameras: „Wenn das Projekt gelänge,
wäre es ein unglaublicher Sicherheitsgewinn für die Bundesrepublik.“
Verbrecher, ja Terroristen könnten durch den automatischen Gesichtsabgleich
dingfest gemacht werden, so die Hoffnung. Die ersten Wochen des Teste
hätten eine „erstaunliche Treffgenauigkeit“ gezeigt.
Abgesichert ist das Thomas de Maizière-looking-at-things-Spektakel von so
vielen Polizisten in- und außerhalb des Bahnhofes, dass ein Passant
anmerkt: „Da traut man sich ja kaum bei Grün über die Ampel.“ Auch die
Aktivisten, die den Besuch für ihre Inszenierung nutzen, bleiben regeltreu.
Anstatt zu stören, liefern sie ihre Gegenerzählung zum Sicherheitsmantra.
Dazu gehört insbesondere die Kritik des Vereins Digitalcourage. Demnach
seien die 600 Teilnehmer des Versuchs, die gelockt von der
Sicherheitspropaganda, den Einkaufsgutscheinen als Belohnung oder beidem
ihre Gesichter zur Verfügung gestellt haben, getäuscht worden.
## 7 Sensoren messen Daten
Gegenstand der Vorwürfe sind die Transponder, die die Versuchspersonen bei
sich tragen müssen, um ihren Aufenthalt im Bahnhof nachzuweisen, falls sie
von den Kameras nicht erkannt werden. Anders als angekündigt handelt es
sich dabei nicht um passive RFID-Chips, die nur aus der Nähe von einem
Lesegerät erkannt werden können, sondern um aktiv sendende
Bluetooth-Transponder.
Diese können sekündlich Daten wie Temperatur des Geräts, Beschleunigung
oder Lichtintensität versenden. Daraus ließen sich Bewegungsprofile auch
außerhalb des Bahnhofs erstellen. Mittels einer frei verfügbaren App könne
„jeder diese Daten auslesen“, erklärt ein Digitalcourage-Praktikant den
technisch unversierten Journalisten. Die Konsequenz daraus müsse der
sofortige Abbruch des Versuchs sein. Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte
fordert eine Unterbrechung.
De Maizière sieht dazu „überhaupt keinen Grund“, die Kritik weist er als
„unzutreffende Information“ zurück. „Dinge, die zusätzliche Infos geben
könnten, sind abgeschaltet“, so der Minister, die Daten würden nicht
gespeichert. Womöglich habe Digitalcourage beim Herausnehmen der Batterie
die Einstellungen verändert, hieß es aus dem Innenministerium.
Dem Berliner Landeschef der Piraten Simon Kowalewski ist das egal. Die
Logik der Sicherheitspolitiker sei: „Sobald Daten da sind, gibt es schnell
den Wunsch, diese zu nutzen“. Dann setzt er sich eine Brille in Form eines
schwarzen Balkens auf die Nase.
24 Aug 2017
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## AUTOREN
Erik Peter
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