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# taz.de -- Der Berliner Wochenkommentar I: Science-Fiction am Südkreuz
> Gesichtserkennungssoftware: Der sechsmonatige Modellversuch am Bahnhof
> Südkreuz hat begonnen. Das sorgt für Diskussionen.
Bild: Big Brother is watching you!
Am Bahnhof Südkreuz hat in dieser Woche ein sechsmonatiger Modellversuch
mit drei Kameras begonnen. Die Bundespolizei testet, ob
Gesichtserkennungssoftware in der Lage ist, Personen in der vorbeihastenden
Menge zu erkennen. 300 Freiwillige ließen sich vorab fotografieren. Der
Test soll herausfinden, ob sie regelmäßig identifiziert werden.
Es gab viel Kritik, auch sehr grundsätzliche. Datenschützer betonten das
Recht auf Anonymität in der Öffentlichkeit. Der Staat solle keine
Bewegungsbilder der Bevölkerung anfertigen.
Alles richtig. Aber mit dem konkreten Versuch hat das wenig zu tun. Dort
geht es darum, gesuchte Personen in der Menge zu finden. Schon das ist
schwierig genug, etwa in der Dämmerung. Es geht nicht darum, die Bewegungen
der gesamten Menge zu erfassen. (Das ist übrigens Teil der
Vorratsdatenspeicherung, wobei die Standortdaten jedes Mobiltelefons
anlasslos vier Wochen lang festgehalten werden sollen. Wer sich gruseln
will, soll es bitte dort tun.)
Bei der Suche nach bestimmten Personen werden zwar alle anderen auch kurz
erfasst, aber sie werden nicht positiv identifiziert, sondern nur mit den
Fotos der Gesuchten verglichen. Dann werden die Daten der Nichtgesuchten
sofort wieder gelöscht. Das ist allenfalls ein sehr kleiner Eingriff in die
Grundrechte. Es bleibt vielleicht bei manchen ein abstraktes Gefühl des
Überwachtwerdens, bei anderen aber ein Gefühl des Behütetseins.
Rechtlich entscheidend ist in dieser Konstellation die Zahl der Fehlalarme:
wenn die Technik also jemand fälschlicherweise als gesuchte Person
„erkennt“ und dies zu einer Kontrolle oder zumindest einem digitalen
Vermerk führt. Diese Fehlalarme würden bei flächendeckender Anwendung
täglich Tausende Personen betreffen. Sie wären auch nicht zu rechtfertigen,
da die wirklich Gesuchten die Gesichtserkennung mit Sonnenbrille oder
gesenktem Kopf leicht austricksen können.
Das wird am Ende auch der Berliner Modellversuch ergeben. Er ist deshalb
kaum mehr als eine aufwendige (staatlich finanzierte) Wahlkampfaktion von
Innenminister Thomas de Maizière (CDU).
Trotzdem ist Gesichtserkennung für die Polizei relevant, etwa wenn sie hoch
aufgelöste Fotos von unbekannten Verdächtigen mit den Lichtbildern von 3,5
Millionen erkennungsdienstlich behandelten Personen in der Inpol-Datei
abgleicht. Das aber ist schon seit rund zehn Jahren erlaubt und ständige
Praxis.
5 Aug 2017
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Gesichtserkennung
Videoüberwachung
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Datenschutz
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Gesichtserkennung
Gefährder
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