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# taz.de -- Telekom und Streaming: Gatekeeper der Angebote
> Die Telekom könnte bald auf einer eigenen Plattform Filme und Serien
> anbieten. Was bedeutet das für die Netzneutralität?
Bild: Telekom-Vorstandsvorsitzender Höttges kündigt an, in fiktionale Filme u…
Es könnte eine der spannendsten Nachrichten des Jahres für die deutsche
Medienbranche sein: Im Mai kündigte die Telekom an, künftig in fiktionale
Filme und Serien zu investieren – zusätzlich zu den Sportinhalten, die der
Konzern bereits produziert und auf eigenen Plattformen wie „Entertain“
unter „Telekom Sport“ ausstrahlt. Denn die Konsumenten verlangen mehr denn
je nach attraktiven Inhalten wie Sport oder Serien – und bezahlen auch
bereitwillig dafür.
Insgesamt will die Telekom einen dreistelligen Millionenbetrag für die
Produktion eigener Bewegtbildinhalte investieren. Damit liegt der Bonner
Konzern im Trend. Denn weltweit sind Telekommunikationsunternehmen auf
Einkaufstour, um sich im Film- und TV-Geschäft zu etablieren.
Erst Ende letzten Jahres übernahm die US-Gesellschaft AT&T für umgerechnet
78 Milliarden Euro einen der größten Medienkonzerne der Welt: Time Warner.
Der Internet- und Kabelbetreiber Comcast hatte bereits zuvor NBC Universal
komplett übernommen. Und im Frühjahr konnte die British Telecom den
englischen Sender Sky beim Wettbewerb um die Übertragung der Champions
League erneut überbieten.
Geld dafür ist bei den Telekommunikationsunternehmen mehr als ausreichend
vorhanden. Allein die Telekom verzeichnet für das Jahr 2016 einen Umsatz
von 73 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Sender RTL, Vox, RTL II, Super
RTL und N-TV kamen 2016 auf einen Umsatz von 2,2 Milliarden Euro.
## Zugriff auf Nutzungsdaten
Fragt man bei der Telekom an, wie denn die Programmoffensive aussehen
könnte und für wann sie geplant ist, üben sich die Pressesprecher in
äußerster Zurückhaltung. „Über das Thema Inhalte auch über Sport hinaus
wird bei uns nachgedacht, aber es gibt keine konkreten Pläne“, heißt es
dann etwa. Dabei sind Gespräche zwischen den Bonnern und
Fiction-Produzenten bereits in Vorbereitung wie Insider bestätigen.
Sollten die Telekommunikationsanbieter tatsächlich stärker als
Inhalteanbieter auftreten, wären sie für das klassische Fernsehen eine
weitaus größere Bedrohung als Netflix, Amazon und Co. Denn sie sind nicht
nur wirtschaftliche Giganten mit Geld, sondern sie haben potentiell
direkten Zugriff auf Nutzungsdaten und Konsumgewohnheiten ihrer Kunden –
viel besser als etwa RTL, wo Redakteure mittlerweile in ausgewählten
Haushalten für eine Weile zu Gast sein müssen, um die „Zielgruppe“ besser
kennenzulernen. Und: Sie sind vor allem Gatekeeper, wenn es darum geht,
welche Angebote überhaupt bei den Zuschauern ankommen.
„Das Verhältnis zwischen Plattformen und Inhalteanbietern muss man sich
generell gut anschauen“, findet auch Claus Grewenig, Bereichsleiter
Medienpolitik bei der RTL Gruppe. „Da, wo der Plattformanbieter die
Auffindbarkeit in der Hand hat, muss es klare Regeln geben. Umso mehr gilt
das, wenn der Plattformanbieter dann auch eigene Inhalte präsentiert, wie
zuletzt das Google-Verfahren auf EU-Ebene gezeigt hat.“
Was Deutschland angeht, sieht Grewenig die Staatskanzleien und
Länderparlamente in der Pflicht, damit entsprechende Regelungen in den
Rundfunkstaatsvertrag umgesetzt werden können: „Zurzeit konzentriert sich
die Plattformregulierung nur auf die Netze, konkret auf den physischen
Zugang zum Netz. Aber der Nutzer kann heute gar nicht mehr unterscheiden,
von welcher Quelle die Inhalte stammen, die er sich auf seinem Bildschirm
anschaut. Daher muss der Blick auf netzunabhängige Plattformen geweitet
werden.“
## Der Staat darf kein Fernsehen machen
Nachdenklich macht auch, dass so viele Informationen über die Verbraucher
in einem Konzern gesammelt werden: Neben Handy, Festnetz, Internet käme
dann auch noch der Konsum von Filmen, Serien oder Dokumentationen dazu.
Und speziell bei der Telekom taucht schließlich noch die Frage auf, ob ein
Telekommunikationsunternehmen mit staatlichen Wurzeln überhaupt
TV-Programmanbieter sein darf, zumal Bund und die staatliche Bank KFW immer
noch beteiligt sind.
Der Staat aber darf kein Fernsehen machen. Man sei kein
Programmveranstalter, heißt es dazu bei der Telekom, sondern man habe nur
die Medienrechte. Die Lizenzen würden an andere Unternehmen vergeben, die
dann im Auftrag des Konzerns die Programme produzieren.
Das geschah auch bei der Fußballbundesliga, die die Telekom für von 2009
bis 2013 via Online live übertragen hatte. Ein Produktionsunternehmen wurde
als Programmveranstalter beauftragt, die Spiele schließlich auf dem Telekom
TV- Angebot „Entertain“ ausgestrahlt.
## Zurückhaltende Kontrolle
Die staatlichen Kontrollorgane jedenfalls sind zurückhaltend, wenn es um
die deutsche Telekom geht. So will sich etwa die Landesmedienanstalt NRW
zum dem gesamten Komplex zurzeit nicht äußern. Warum aber wollen
Telekommunikationskonzerne sich nicht mehr nur auf die Bereitstellung von
Übertragungswegen beschränken, sondern auch Sport, Filme und Serie selbst
anbieten?
Ein Grund sind vermutlich die neuen LTE-Mobilfunknetze, die hohe
Übertragungsraten ermöglichen und die Kabelleitungen der klassischen
Telekommunikationskonzerne voraussichtlich überflüssig machen. Da könnte
das Geschäft mit attraktiven Inhalten möglicherweise Ausgleich schaffen.
Das klassische TV-Sendermodell zumindest, mit fester Programmstruktur, das
zurzeit sowieso schon wackelt, könnte durch weitere Wettbewerber vollends
zum Auslaufmodell werden. In der Branche wird bereits darüber spekuliert,
ob nicht große Telekommunikationskonzerne mittelfristig private
Sendergruppen wie RTL übernehmen werden. Geld dafür hätten sie.
Für die Film- und Fernsehproduzenten schließlich ist die Situation ideal.
„Wer überleben wird, ist nicht abzusehen, darüber wird die Attraktivität
der Inhalte entscheiden“, mutmaßt etwa der Geschäftsführer der Kölner
MMC-Studios Philip Borbély, „aber die neuen Player, die eigentlich andere
Geschäftsfelder haben, kommen immer mehr ins Spiel und verstärken den
enormen wirtschaftlichen Erfolg anspruchsvoller Serien.“
Diese Einschätzung kann der Chef von Warner TV Deutschland René Jamm nur
bestätigen: „Es ist eine gute Zeit für Produzenten, wir stehen in Kontakt
mit allen Anbietern, die eigene Inhalte zeigen möchten, und sie werden
immer mehr.“
4 Aug 2017
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
Telekom
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