# taz.de -- Betreuung von Flüchtlingen in Berlin: Warten muss nicht die Regel … | |
> Alles sollte besser werden: Vor einem Jahr wurde nach dem Lageso-Chaos | |
> das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten eingerichtet. Ein Besuch. | |
Bild: Gibt's auch hier: Wartende am LAF | |
Seleban Ahmed A. ist gespannt. Er muss heute um 11 Uhr zum Landesamt für | |
Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). A., der aus Somalia geflüchtet ist und | |
sich durch das deutsche Behördenchaos gekämpft hat, hat endlich eine eigene | |
Wohnung bekommen. Dafür ist er viermal in der Behörde gewesen, heute soll | |
es der letzte Termin in dieser Angelegenheit sein. Aber eins ist neu: Er | |
muss zum ersten Mal zum neuen Standort in der Darwinstraße in | |
Charlottenburg. | |
Seit Anfang Juli sitzt das Amt, dessen Vorgänger, das Landesamt für | |
Gesundheit und Soziales (Lageso), weltweit Schlagzeilen schrieb wegen | |
überforderter Behörden, an dem neuen Standort. 2015 warteten Flüchtlinge | |
dicht gedrängt bei Hitze und Kälte Tage und Nächte vor dem Lageso in der | |
Turmstraße – um lebensnotwendige Sachen wie Sozialhilfe oder eine | |
Unterkunft zu bekommen. | |
Vor einem Jahr mietete das neu gegründete LAF neben dem Standort Turmstraße | |
das ICC an, wo es mehr Platz für Mitarbeiter und Wartende gibt. Es baute | |
zugleich das heutige Verwaltungsgebäude in der Darwinstraße aus. Jetzt, so | |
hat es auch Seleban Ahmed A. gehört, soll alles besser sein. | |
Für A. ist es allein schon ein Luxus, einen Termin um 11 Uhr zu haben. Die | |
vorherigen Male musste der Somalier wegen der Wohnungsanmietung schon | |
morgens um 7 Uhr erscheinen – um dann stundenlang zu warten. Das lief im | |
ICC in etwa so ab: Beim Abfertigungsschalter, prüfte zunächst ein | |
Mitarbeiter, ob seine Unterlagen vollständig sind. Das konnte schon dauern. | |
Erst dann bekam er eine Wartenummer in die Hand gedrückt. Vier bis fünf | |
Stunden Wartezeit waren die Regel. Bei Termin Nummer zwei wurde Seleban | |
Ahmed A. nach vier Stunden Warten sogar nach Hause geschickt, weil an | |
diesem Tag kein somalischer Sprachmittler zur Verfügung stand. | |
In der Darwinstraße angekommen wartet A. 15 Minuten am | |
Abfertigungsschalter. Die Schalterangestellte prüft die Unterlagen und | |
nickt. Sie sind vollständig. A. bekommt eine orangefarbene Wartenummer und | |
wird in den zweiten Stock geschickt – orange ist auch die Farbe des | |
Warteraums. | |
## Freundlicher Service gefragt | |
Ende 2015 hatte es Schlagzeilen gegeben von Wachmännern beim Amt, die | |
wartende Flüchtlinge verprügelten und im Nazi-Jargon sprachen. Diese Firma | |
ist beim neuen Standort nicht mehr im Einsatz. Wer heute hier Security | |
macht, hat auch einen anderen Job als 2015: Es geht nicht mehr darum, | |
drängende Wartende mit körperlichem Einsatz zu bändigen. Statt Bodygards | |
sind freundliche und umsichtige Servicekräfte gefragt. Das war schon im ICC | |
so, wo die Wachmänner in den langen Gängen Wartenden den Weg zu ihren | |
Bussen, Büros oder Toiletten zeigten. Jetzt gibt es weniger Wachmänner, | |
„weil das Gebäude so viele nicht notwendig macht“, wie LAF-Sprecher Sascha | |
Langenbach sagt. | |
Die nächste Überraschung: Schon nach knapp einer Stunde Wartezeit blinkt | |
A.s Wartenummer auf und zeitgleich holt ihn der somalische Sprachmittler | |
ab. In der Turmstraße und im ICC war das alles chaotischer. Es konnte | |
passieren, dass man schon 15 oder 20 Minuten neben dem Sachbearbeiter saß, | |
bevor der Sprachmittler eintraf. | |
Der Mitarbeiter im Wohnsachgebiet muss heute die Miete und Kaution für die | |
neue Wohnung anweisen. Auf früheren Terminen hat er die Kosten der | |
Einraumwohnung in Marzahn geprüft und für angemessen befunden. Offen war | |
noch, wann die Wohnung tatsächlich instand gesetzt ist. Bis auf eine | |
kaputte Zimmertür ist nun alles fertig. Der Mitarbeiter rechnet alle | |
Angaben im Mietvertrag nach und stößt prompt auf einen Fehler: Der | |
Vermieter, eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, hat die Mietkaution | |
höher berechnet, als es das Gesetz zulässt. Zwar sind es nur 4 Euro zu | |
viel, aber das LAF wird diese nicht zahlen. Er tippt einen Brief an den | |
Vermieter, wonach er die Kaution nur in der gesetzlich zulässigen Höhe | |
übernimmt. | |
So ein Verwaltungsfuchs scheint im LAF alles andere als selbstverständlich | |
zu sein. Zweimal geht die Tür auf und Kolleginnen kommen mit Fachfragen zu | |
ihm. A. weiß es aber auch aus eigener Erfahrung: Seine Sozialhilfe war | |
nicht immer korrekt berechnet worden. Anträge auf notwendige medizinische | |
Behandlungen wurden zu spät und fehlerhaft bearbeitet. Sein afghanischer | |
Mitbewohner hatte von März bis Juni sogar nur die Hälfte der ihm | |
zustehenden Sozialhilfe erhalten und der Widerspruch wurde erst nach drei | |
Monaten bearbeitet. | |
## Unterbesetzung das Thema | |
Die personelle Unterbesetzung bei den mit Flüchtlingsfragen beschäftigten | |
Behörden und die daraus resultierende Überforderung der Mitarbeiter ist | |
seit Jahren ein Thema. Als Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) noch | |
Oppositionsabgeordnete war, hatte sie mit Anfragen und Anträgen | |
Verbesserungen angemahnt. Als sie Ende vergangenen Jahres die Verantwortung | |
übernahm, waren 155 von gut 500 Stellen im LAF nicht besetzt. „Derzeit | |
fehlen uns noch Spezialisten für die Akquise und Bearbeitung neuer | |
Unterkünfte“, sagt Behördensprecher Sascha Langenbach. Gebraucht werden | |
etwa Architekten, Ingenieure und Immobilienwirtschaftler. | |
Sachbearbeiter hingegen, die die Sozialhilfe berechnen und die bis | |
Jahresbeginn noch händeringend gesucht wurden, werden möglicherweise bald | |
abgebaut oder behördenintern umgesetzt. „Das hängt aber davon ab, wie viele | |
neue Flüchtlinge kommen, wie schnell das Bundesamt die Asylanträge | |
bearbeitet und wie sich die Arbeitsabläufe im neuen Gebäude einspielen“, | |
sagt Langenbach. | |
Der Tagesspiegel hatte Anfang Juli noch von einer Überforderung der | |
Mitarbeiter berichtet: In der Behörde sollten Kisten mit ungeöffneten | |
Briefen lagern, weil den Mitarbeitern Zeit fehlt, hieß es. Darunter seien | |
Rechnungen für externe Dienstleister. Langenbach weist das zurück. „Kisten | |
mit ungeöffneter Post gibt es nicht.“ | |
Was sich deutlich verbessert hat, ist die Zusammenarbeit mit den | |
Krankenkassen. Mehrere Krankenkassen haben eine Außenstelle im LAF | |
eingerichtet und prüfen dort Neuannahmen von Mitgliedern und Anträge auf | |
medizinische Hilfen. Dabei können sie auch auf die Sprachmittler des LAF | |
zurückgreifen. | |
A. bekommt am Ende seines Termins einen Scheck für die Erstausstattung | |
seiner Wohnung. Den kann er eine Etage tiefer am Kassenautomaten einlösen. | |
Ein Wachmann weist ihm freundlich den Weg und bittet, die Summe gleich vor | |
Ort zu kontrollieren. A. zählt nach und freut sich. Sie stimmt. | |
25 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
## TAGS | |
Flüchtlinge | |
Versorgung | |
Berliner Senat | |
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) | |
Lageso | |
Elke Breitenbach | |
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) | |
Lageso | |
Lageso | |
Geflüchtete | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Drei Jahre nach dem Flüchtlingssommer: „Es war richtig, den Weg zu gehen“ | |
Unser Autor kam im August 2015 nach fünfmonatiger Flucht aus Afghanistan in | |
Berlin an. Er landete in der berüchtigten Schlange am Lageso. | |
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten: Flüchtlingsamt braucht neue Chefin | |
Sozialsenatorin Breitenbach trennt sich von LAF-Chefin Claudia Langeheine. | |
Gründe gibt es genug. | |
„Flüchtlingssommer“ vor zwei Jahren: Die Macht der Bilder | |
Schreckliche Bilder von wartenden Menschenmassen vor dem Lageso gibt es | |
nicht mehr. Die Hilfe aber geht weiter. Sie ist nur nicht mehr so | |
öffentlich sichtbar wie früher. | |
Unterbringung von Geflüchteten in Berlin: „Es gibt ein Zweiklassensystem“ | |
Zwei Jahre nach dem Flüchtlingssommer läuft weiterhin viel schief, sagt | |
Diana Henniges von „Moabit hilft“. Zudem halte sich Rot-Rot-Grün sich nicht | |
an Wahlversprechen. | |
Vom Lageso zum LAF: Die neue Willkommenskultur | |
Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, einst Lageso, ist umgezogen. | |
Nun soll alles besser werden. Ein Ortsbesuch. | |
Nach Freizug der Berliner Turnhallen: Senat gibt sich betont sportlich | |
Die letzten Flüchtlinge sind aus Turnhallen ausgezogen, jetzt soll zügig | |
saniert werden, verspricht der Senat. Bislang hat das nicht geklappt. |