# taz.de -- „Flüchtlingssommer“ vor zwei Jahren: Die Macht der Bilder | |
> Schreckliche Bilder von wartenden Menschenmassen vor dem Lageso gibt es | |
> nicht mehr. Die Hilfe aber geht weiter. Sie ist nur nicht mehr so | |
> öffentlich sichtbar wie früher. | |
Bild: Warten, warten, warten: am Landesamt für Gesundheit und Soziales, Berlin… | |
„Es gibt diese Bilder nicht mehr“, sagt Christiane Beckmann. „Diesen einen | |
Ort, an dem sich alle Probleme fokussierten.“ Seit zwei Jahren unterstützt | |
die 51-Jährige die Geflüchtetenhilfe des Vereins „Moabit hilft!“, erst als | |
Ehrenamtliche, mittlerweile mit einer bezahlten Stelle. Hilfe für | |
Flüchtlinge sei aber weiterhin nötig und werde auch geleistet: „Sie ist | |
aber nicht mehr so öffentlich sichtbar.“ Stattdessen finde sie mittlerweile | |
häufig abseits organisierter Initiativen individuell und personenbezogen | |
statt. | |
Sie erzählt von einer Familie, die im Sommer vor zwei Jahren, als Hunderte | |
teils wochenlang vor der Berliner Aufnahmestelle für Geflüchtete | |
kampierten, angeboten hatte, „ein, zwei Leute ein, zwei Tage“ bei sich | |
aufzunehmen. „Gegangen sind sie mit einer sechsköpfigen afghanischen | |
Familie, um die sie sich heute noch kümmern.“ | |
Begleitung zu Ämtern, Schulen, Ärzten, Hilfe bei schwer verständlichen | |
Behördenformularen – „jeder weiß, dass Geflüchtete heute nicht mehr auf … | |
Straße schlafen müssen“, sagt Christiane Beckmann. Die Hilfe habe sich den | |
Erfordernissen der Flüchtlinge angepasst. Doch auch Spenden seien weiterhin | |
nötig. | |
In ihrem Büro im Haus D, der Kleiderkammer von „Moabit hilft!“ am früheren | |
Standort der behördlichen Aufnahmestelle, stapeln sich derzeit Hunderte | |
rosafarbener Überraschungseier – mit einem Transporter voller Kleidung von | |
Ehrenamtlichen aus Nordrhein-Westfalen gebracht, erklärt sie. | |
## Kleiderspenden nach wie vor nötig | |
In vielen Flächenländern würden Kleiderkammern aufgelöst, seien | |
Notunterkünfte schon lange wieder leer und Geflüchtete in eigene Wohnungen | |
gezogen. „Hier leben noch 10.000 Flüchtlinge in Notunterkünften, wo sie oft | |
ihre Sachen nicht regelmäßig waschen und wegschließen können.“ Da seien | |
Kleiderspenden nach wie vor nötig, „und kommen auch nach wie vor an“. | |
Etwa 40.000 BerlinerInnen engagierten sich derzeit noch für Flüchtlinge, | |
hat Christian Lüder auf der Grundlage von Schichtplänen vieler | |
HelferInneninitiativen errechnet. Der 49-Jährige betreut die Facebookseite | |
„Berlin hilft“, ein Netzwerk und Informationssammelpunkt für ehrenamtliche | |
HelferInnen und Initiativen. | |
Wohnungs- oder Arbeitssuche, Ablauf des Asylverfahrens, Probleme mit dem | |
Jobcenter: FlüchtlingshelferInnen seien mit Abläufen und auch Verhalten von | |
BehördenmitarbeiterInnen konfrontiert, denen sie als Ansässige zuvor nicht | |
ausgesetzt waren, sagt Andrea Petzenhammer vom Verein Encourage, der | |
minderjährige und junge erwachsene Geflüchtete unterstützt. Man bekomme | |
mit, welchen absurden Situationen und Anforderungen die Menschen dabei | |
ausgesetzt seien: „Und dann lässt man sie damit nicht mehr gern allein.“ | |
Zumal man „manchmal leider sehr deutlich“ merke, „wie Geflüchtete von der | |
Verwaltung abgebügelt werden, wenn sie alleine kommen“, und wie anders das | |
oft laufe, wenn Helfer sie begleiteten, ergänzt Lüder. Beide betreiben die | |
Flüchtlingshilfe seit zwei Jahren, Petzenhammer (33) ehrenamtlich neben | |
ihrem Job als PR-Beraterin, Lüder mittlerweile hauptberuflich. | |
## Erfolgserlebnisse geben Kraft | |
Ist das nicht manchmal auch frustrierend? Nein, sagen die zwei: „Natürlich | |
ist man mit Schicksalen konfrontiert, die man so in Deutschland und Europa | |
nicht erlebt“, sagt Lüder. Dann brauche es „die nötige Distanz“. Seine | |
Aufgabe als Netzwerkbetreuer mache diese möglich. | |
Andrea Petzenhammer vermittelt und betreut auch Vormünder für minderjährige | |
unbegleitete Geflüchtete. Distanz ist da schwierig: „Das ist oft wie ein | |
Eltern-Kind-Verhältnis, und natürlich ist da nicht immer alles Blümchen.“ | |
Es seien die Erfolgserlebnisse, die ihr Kraft gäben, und die jungen | |
Geflüchteten selbst, „die so dringend nach Entwicklungsmöglichkeiten, nach | |
sozialem Anschluss und belastbaren Beziehungen“ suchten. | |
Von „Enttäuschungen“ sei sie dabei bisher verschont geblieben, | |
unterstreicht Andrea Petzenhammer. Die erlebe sie an anderen Stellen: | |
„Desillusionierend ist eher der Umgang mit Behörden und Verwaltungen.“ | |
Dieser Text ist Teil eines Schwerpunktes in der Wochenendausgabe der | |
taz.Berlin vom 12./13. August 2017. | |
12 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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