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# taz.de -- taz-Sommerserie „Maritimes Berlin“ (1): Gefühlt schon Ostsee
> Jede Menge Wasser vor der Haustür und ausufernder Sandstrand in
> Radelweite: Eigentlich liegt Berlin doch bereits am Meer. Es fehlt nur
> noch etwas Salz in der Luft.
Bild: Am Wannsee: 1912 von Heinrich Zille gemalt; aus der Ausstellung in der Li…
Ein Hauch von Tang weht an den Strand. Der Sand sieht so fein aus wie der
beim Kurzurlaub jüngst in Zinnowitz. Der Steg rechts ähnelt – mit ein
bisschen Fantasie – der Landungsbrücke vor Wustrow auf dem Darß. Und der
Strandkorb ist fast der gleiche wie auf Hiddensee. Berlin liegt am Wasser –
am Strandbad Wannsee fühlt es sich an, als läge die Stadt quasi an der
Ostsee.
Dreieinhalb Millionen Menschen, die sich einfach in die S-Bahn setzen
müssen oder in die U-Bahn, um fast in den See zu fallen. Das gilt nahezu
wortwörtlich für den Schlachtensee: Nur ein paar hundert Meter entfernt
liegt die U-Bahn-Station Krumme Lanke. Auch beim Strandbad Wannsee ist es
kaum mehr als ein Kilometer Weg vom nächsten S-Bahnhof.
Trotz dieser dreieinhalb Millionen kann man dort nicht nur Sand unter den
Füßen, sondern auch ein Einsamer-Ostseestrand-Feeling haben. Unter der
Woche, aber auch am Wochenende in den ersten ein, zwei Stunden nach Öffnung
ist im Strandbad selbst bei Sonnenschein kaum was los. Da schweift hinter
dem Eingang der Blick über den fast leeren, tiefer liegenden Strand. Das
ist nicht umsonst zu haben – aber für die 5,50 Euro Eintritt gibt es selbst
das vergleichsweise günstige Ostsee-Ticket der Bahn nicht.
Spätestens mittags ist es natürlich voll, aber anders als in den Freibädern
mit ihren kleinen Becken nur am Strand selbst. Die Wasserfläche bietet noch
genug Platz zum freien Schwimmen.
## Nichts wie raus zum …
Wo auf der anderen Seite des Wannsees wieder Land kommt, steht die
Liebermann-Villa mit ihrem Museum. Dort erinnert man gerade passend zur
Badesaison daran, dass ein volles Strandbad eine lange Tradition hat.
„Streit am Wannsee“ ist die Ausstellung überschrieben: Die begüterten
Villenbesitzer inklusive des Malers Max Liebermann mokierten sich darüber,
dass sich auch der kleine Mann am Wasser vergnügen wollte.
„Die seit einiger Zeit in Beelitzhof und im Familienbade eingerissenen
Zustände machen … eine geistige Konzentration oder ein Ausruhen unmöglich�…
beschwerte sich Liebermann samt Nachbarn 1912 in einem in der Ausstellung
zitierten Brief an den König. Der aber änderte glücklicherweise nichts am
Strandbad, und so kam auch noch die Zeit, in der Conny Froboess 1951 mit
„Pack die Badehose ein“ über Wannsee-Badefreuden singen konnte.
Man muss sich als Berliner, aber auch als Zugereister, der die hier übliche
Anspruchshaltung angenommen hat, immer wieder klar machen, wie besonders
dieses viele Wasser auf dem Stadtgebiet ist. Diese badetauglichen, schnell
erreichbaren, lauschigen Seen, die eben keine schattenlosen Ex-Kiesgruben
sind. Dortmund, Köln, Dresden und viele andere Großstädte mögen den einen
oder anderen Teich oder Weiher auf dem Stadtplan verzeichnen. Aber
schwimmen mag man darin lieber nicht.
In Berlin kann man im Teufelssee selbst mitten im Wald kraulen und im
Spreekanal am Bodemuseum sogar um die Wette schwimmen – auch wenn der
sogenannte Flussbad-Pokal, Werbeaktion für ein dauerhaftes öffentliches
Freibad an dieser Stelle, in diesem Jahr wegen des großen Regens ausfiel.
## Lauschige Alternativen
Wenn es angesichts der hiesigen dreieinhalb Millionen potenzieller
Wasserflächennutzer tatsächlich mal zu voll werden sollte, gibt es immer
noch Alternativen. Wer sich von ein bisschen Radeln nicht abschrecken
lässt, kommt vom S-Bahnhof Grünau in kaum einer halben Stunde via Fähre und
auf lauschigem Uferweg zu einer wunderschönen sandigen Badestelle an der
Großen Krampe.
Dort kann man gleich etwas Literaturforschung betreiben: Direkt nebenan
liegt der Zeltplatz „Kuhle Wampe“, der in jenem gleichnamigen Spielfilm von
1932 verewigt wurde, an dem Bert Brecht als Drehbuchautor beteiligt war.
Gut, das ist vielleicht nur was für einen Wochenendausflug.
Das Schöne aber ist, dass Wasser in Berlin so oft im Alltag auftaucht. Etwa
als ganz normale BVG-Verbindung ohne jeglichen Zuschlag. Das bringt einen
etwa am Wannsee in den Genuss einer zwanzigminütigen Schiffsreise, selbst
wenn das Hiddensee-Fähren-Gefühl passé ist, seit 2014 durch eine neue Fähre
das Oberdeck den Sonnenkollektoren weichen musste.
Und es gibt ja nicht nur die Seen. Aus dem tiefsten Neukölln von der
Sonnenallee schnell die paar Hundert Meter zum Wasser hin und dann läuft
man kilometerlang am Landwehrkanal und an Maybachufer, Admiralbrücke und
den Restaurantschiffen am Urban-Krankenhaus vorbei bis auf Höhe der taz.
Oder aus Moabit immer auf dem Uferweg an der Spree entlang: Auf dieser
Strecke sieht man viel von dem, wofür andere Leute mit dem Flugzeug extra
nach Berlin reisen.
## Regionalexpress nach Stralsund
Ganz hart betrachtet sind das natürlich alles nur Substitute, Ersatzmeere
für the real thing. Denn ja, vor allem am Wannsee liegt Berlin quasi an der
Ostsee. Aber eben nur quasi. Ist halt kein Salz im Wasser. Das war auch
schon der Band Die Ärzte klar, als sie 1988 in dem Lied „Westerland“ über
den Wannsee mit seinen Wellen sang: „Manchmal schließe ich die Augen, stell
mir vor, ich sitz am Meer …“
Und doch: Die Sehnsucht nach dem Maritimen, sie lässt sich kaum irgendwo so
gut aushalten wie in Berlin. Und sollte es mal zu sehr wehtun: Der
Regionalexpress nach Stralsund fährt ab 6.42 Uhr stündlich ab Hauptbahnhof.
2 Aug 2017
## AUTOREN
Stefan Alberti
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