# taz.de -- Tiere und Mensch an Meer und See: Wo geht’s hier zum Hundestrand? | |
> Wenn Mensch und Tier eine Badegemeinschaft bilden, ist Ärger | |
> vorhersehbar. Unklar bleibt, warum Hundezonen meist an einen FKK-Bereich | |
> grenzen. | |
Bild: Vielleicht will der Hund auch gar nicht in Wasser… | |
Deauville, ja. Dieser Ortsname verbindet die Begriffe Strand und Hund auf | |
edle Weise. Gehobene Kreise, die mit ihren edlen Rassehunden entlang der | |
normannischen Küste promenieren. Und doch wird man auf expressionistischen | |
Gemälden selten bis gar nicht fündig auf der Suche nach Hunden, die auf | |
weißem Sandstrand traben, gefolgt von eleganten Frauen mit Sonnenschirm. | |
Szenen bei denen man, wären sie mit Ton versehen, ein leises Bellen unter | |
einem Vorhang aus Atlantikrauschen vernehmen könnte, mit einem Anklang | |
fernen Kinderlachens. | |
Die Wirklichkeiten hündischen Daseins am Gewässerrand gestalten sich ganz | |
anders, profaner. Es gibt Hunde- und Naturschutzverordnungen – und in | |
Frankreich, von wegen Deauville, ist den Hunden das Betreten der Strände in | |
Sommertagen meist flächendeckend untersagt. | |
Der Hund von heute findet sich samt Herrchen im Sperrbezirk wieder: Am | |
gesondert ausgewiesenen Hundestrand, einem noch jungen Phänomen des | |
abendländischen Kulturkreises. Vor dem Hintergrund einer immer weiter sich | |
ausdifferenzierenden Freizeitgesellschaft – jedem Tierchen sein Pläsierchen | |
– kommt nun jeglicher Gruppierung ein eigener Strandabschnitt zu. | |
Glich noch Mitte der 1990er Jahre ein Ostseestrand auf dem Gebiet der | |
ehemaligen DDR einer heutigen „Saunalandschaft“ – alle sind nackt –, be… | |
bereits damals eine Parzellierung unter dem Vorzeichen des Rollbacks. | |
Zunächst wurden sogenannte Textilstrände als Sonderzone für schamige Wessis | |
ausgewiesen. In nur wenigen Jahren aber mutierte die Sonderzone an vielen | |
Orten zur Norm – und der Nacktbadestrand wurde absonderlich. | |
## Differenziertes Baden | |
Ungefähr in dieser Periode wuchs auch das Bedürfnis nach Einrichtung von | |
eigenen Bereichen für badende Hunde. Und bei den mit diesem Ansinnen | |
konfrontierten Behörden dachte man nun wohl, dass es sich doch eigentlich | |
anböte, die ohnehin neu einzurichtenden Sonderzonen aneinanderzureihen. | |
Oder gibt es sonst einen plausiblen Grund, warum Hundestrände meist an | |
Nacktbadestrände grenzen? Weil Hunde auch nackt sind? | |
In der Nähe von Berlin gibt es einen Badesee, an dessen Ufer das Prinzip | |
des differenzierten Badens auf die Spitze getrieben wurde. Es ergeben sich | |
folgende Szenarien: Normalostrand, Familienstrand, Hundestrand, | |
Nacktbadestrand und ganz am Ende der Nacktbadestrand für Homosexuelle. | |
Das Angrenzen des Hundestrands an jenen der Nackten könnte andererseits | |
auch mit der diskursiven Verschränkung der Begriff „Schmutz“ und „Natur�… | |
zusammenhängen. Sowohl das Nacktbaden als auch der Hund an sich werden von | |
den einen mit Schmutz assoziiert und von den anderen als wandelnder Ausbund | |
des Natürlichen gefeiert. | |
So kommt es gerade in ländlichen Regionen immer wieder vor, dass brave | |
BürgerInnen Anstoß nehmen am textilfreien menschlichen Baden; andersherum | |
wenden Hundefreunde gegen harsch geäußerte Kritik am ekelerregenden, | |
defäkierenden Vierbeiner ein, dass es sich doch bei solchen Vorgängen um | |
natürliche handele. Kackt nicht auch die Ente, pinkelt nicht auch der | |
Schwan? Hat nicht das Geflügel die Kloake erfunden? | |
## Stress in Starnberg | |
Wenn Hunde ins Wasser gehen, dann also offensichtlich am ehesten bei den | |
Nackten. Ob sie dies aber überhaupt dürfen, entzweit weiterhin die Gemüter. | |
In Starnberg zum Beispiel, einem Reichenquartier in der Nähe von München, | |
ging es jüngst hoch her ob der Frage, ob auch Hunde im Sommer ein Anrecht | |
auf Baden im Starnberger See haben. Die Antworte lautet nun: Nein. | |
Zwar dürfen sie weiterhin in den sogenannten Bürgerpark mitgenommen werden | |
– wenn auch nur unter Zuhilfenahme einer höchstens fünf Meter langen und | |
reißfesten Leine, ins Wasser aber dürfen sie auf dem Parkgelände ebenso | |
wenig wie die Menschen, weil es sich bei der dortigen „Schiffswiese“ laut | |
Stadtrat nicht um eine „ausgewiesene Badestelle“ handele. | |
Mit der geschätzten Natur ist es in Deutschland ja auch so eine Sache. Sie | |
soll zwar möglichst natürlich aussehen, sich aber ansonsten in den | |
versicherungsrechtlich relevanten Grenzen halten. Es muss alles seine | |
Ordnung haben, beziehungsweise sich seiner „infrastrukturellen | |
Erschließung“ unterwerfen. | |
Der Guggenberger Weiher bei Regensburg zum Beispiel, „Guggi“ genannt, | |
verfügt nicht nur über einen Hundestrand, sondern auch über eine Partyzone, | |
Grillplätze, gesondert ausgewiesene Plätze für die Müllentsorgung, | |
Sanitäranlagen mit Duschen, Toiletten, Duschen und Umkleidekabinen sowie | |
ein Beachvolleyballfeld. | |
Und obwohl an diesem Gewässer schon alles reichlich vollgestellt zu sein | |
scheint, gibt es laut dem lokalen Wochenblatt Menschen, die hier noch immer | |
ein Plätzchen für ihre ausrangierten Kühlschränke oder gar nicht mehr | |
gebrauchte Einkaufswagen finden. | |
## Niemand fragt die Hunde | |
Es ist alles kompliziert, eigentlich aber ganz einfach: Es gibt nicht | |
wenige BürgerInnen, die es schlicht nicht mögen, wenn sie auf dem Badetuch | |
liegend von einem sich trocken schüttelnden Hund besprenkelt werden. Der | |
Geruch von nassem Hund ist ähnlich populär wie im Sande hinterlassene | |
Haufen. | |
Wer im Sommer leicht bekleidet am Boden liegt und dort womöglich auch noch | |
Speisen verzehrt, ist Hunden gegenüber womöglich weniger aufgeschlossen als | |
in jenen herbstlichen Prachtmomenten, die man aus der Werbung und aus | |
Hollywoodfilmen kennt: Gut aussehende, sportliche Menschen mit Wachsjacken | |
und Timberland-Boots gehen am menschenleeren Strand spazieren und werfen | |
Stöckchen – der Hund läuft in Zeitlupe durch die Brandung und holt ihn. Wer | |
sollte da etwas dagegen haben? | |
Überhaupt nicht befragt wird wieder einmal der Hund selbst. Nicht wenige | |
dieser Tiere sind wasserscheu und müssen mit abgründigen menschlichen | |
Tricks dazu gebracht werden, überhaupt nass werden zu wollen. In | |
einschlägigen Internetforen beraten sich die Besitzer schwimmunwilliger | |
Hunde gegenseitig und verweisen meist auf eine List, auf die man auch | |
selbst gekommen wäre: Stöckchen ins Wasser werfen. | |
Besonders perfide indes ist der Ratschlag einer gewissen Marion F.: | |
„Vielleicht kann er mit einem vorgetäuschten Notfall ausgetrickst werden. | |
Für diese Übung muss die soziale Bindung zwischen Euch eng sein, denn Du | |
spielst Wasserleiche. Bewegungslos liegst Du im Wasser und reagierst nicht | |
auf sein aufgeregtes Bellen am Ufer. Er muss ins seichte Wasser laufen, um | |
Dich zu retten. Nach einigen Tagen Pause gerätst Du im tieferen Wasser | |
wieder in Seenot, und diesmal muss der Hund zu Dir schwimmen.“ | |
Also, wenn das nicht für alle Beteiligten entwürdigend ist. | |
27 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Martin Reichert | |
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