# taz.de -- Die Gorillaz im Kölner Palladium: Größtenteils eine Playback-Show | |
> Die Lieder auf dem neuen Gorillaz-Album „Humanz“ sind eine Hommage an das | |
> goldene Zeitalter der afroamerikanischen Popmusik. | |
Bild: Typisches Gorillaz-Konzert: Auf der Leinwand thronen die Comicfiguren | |
Eigentlich eine gute Idee: Vier Zeichentrickfiguren – ausgedacht vom | |
ehemaligen Blur-Sänger Damon Albarn – gründen eine Band. Und weil die | |
Mitglieder nicht lebensecht sind, genießen sie weitgehende künstlerische | |
Freiheiten. Comicfiguren brauchen schließlich keine Personality, ihnen | |
fehlt auch der Geruch von Kumpeltum. Deshalb können sie experimentieren, | |
wie sie wollen. | |
Damon Albarns beträchtliches Vermögen aus den Tagen von Britpop hilft bei | |
diesem Masterplan. Wenn sie wollen, machen die Gorillaz ein Konzeptalbum | |
über eine Insel aus Plastikmüll, aber die Plackerei aus Tourneen und neuen | |
Alben, für die Gorillaz gilt sie nicht. Für „Humanz“, ihr im Frühling | |
erschienenes Werk, haben sie sich sieben Jahre Zeit gelassen. Am Dienstag | |
haben sie „Humanz“ bei ihrem einzigen deutschen Konzert in Köln | |
vorgestellt. | |
Es erzählt die Geschichte eines Traumas. Nach einem katastrophalen | |
politischen Ereignis wacht die Band auf, nichts ist mehr wie zuvor. Aber | |
dieses Trauma bleibt nur die Episode einer epischen Liebesgeschichte: Ein | |
weißer Britpop-Slacker aus dem ungeliebten Londoner Umland Essex komponiert | |
Songskizzen, die schließlich durch seine liebsten Stimmen der | |
afroamerikanischen und afrobritischen Popwelt veredelt werden. | |
Am Dienstag nehmen diese Stimmen den prominentesten Platz ein, den auf der | |
Leinwand. Im Vordergrund haben sich Albarn und seine Musiker postiert. Über | |
ihnen thronen die wahren Stars des Abends: Die Southern-Soulsängerin Mavis | |
Staples im Duett mit den hektischen, quietschigen Reimen von Molly-Rapper | |
Danny Brown, die überweltliche R&B-Stimme von Kelela und Disco-Diva Grace | |
Jones, die ihre larger-than-life-Präsenz hinter ein paar | |
überdimensionierten Pixeln verbirgt. Denn das als 360-Grad-Video gestreamte | |
Konzert entspricht größtenteils einer Playback-Show. | |
Die Songs von „Humanz“ sind als Hommage an das goldene Zeitalter der | |
afroamerikanischen Popmusik, Mitte der 80er bis Mitte der 90er, gedacht und | |
haben tolle Momente: Etwa wenn Vince Staples auf „Ascension“ von der | |
Leinwand über einem Beat rappt, der im Niemandsland zwischen Ghetto Tech | |
und Footwork vor sich hin rattert. Öfters schwirren auch Grooves des | |
R&B-Subgenres New Jack Swing und die kosmischen Streichersounds früher | |
Housertracks durch die alte Industriearchitektur des Kölner Palladiums. | |
## Kein Tropfen warmen Bieres verschüttet | |
Für „Sex Murder Party“ hat Albarn zwei Generationen schwarzer sexueller | |
Uneindeutigkeit auf die Bühne gebeten. Das laszive Flehen von Jamie | |
Principle, einem House-Pionier aus Chicago, umschlängelt die unterkühlten | |
Rapreime vom queeren Künstler Zebra Katz aus Brooklyn auf einem Hohelied | |
der Eifersucht. Hier zeigen die Gorillaz ihre ganze Pracht: eine | |
überweltliche Zitatmaschine, die das Begehren nicht vergisst. | |
Aber solche Momente sind rar. Wenn nicht durch ihre Gäste ästhetisch | |
erhöht, wirken Albarn und Co. eher unangenehm rockistisch. Die angeheuerten | |
Musiker dreschen unsensibel auf ihre Instrumente und Albarn stolpert | |
ungelenk durch seine Rap-Passagen. Schließlich landet sein Gesang über | |
einer schlurfigen Drummachine wieder bei der bierseligen | |
Britpop-Melancholie, die ihn einst berühmt gemacht hat. | |
Zum Finale des Konzerts spielen er und seine Band „Clint Eastwood“, den | |
Gorillaz-Hit von 2001, allerdings ist dessen HipHop-Beat soweit entgroovt, | |
dass beim Tanzen kein Tropfen warmen Bieres verschüttet wird. Damon Albarn | |
hat viele Verdienste, er ist Teilhaber des Londoner Labels Honest Jon’s, er | |
hat Musiker aus Afrika und Syrien in Europa bekannt gemacht. Auch die | |
Gorillaz sind eine gute Idee, aber das Singen sollte er lieber seinen | |
Gästen überlassen. | |
22 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
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