# taz.de -- Sven Giegold über die Grünen und Protest: „Das ist politische F… | |
> Der Grünen-Europaabgeordnete und Attac-Mitgründer Sven Giegold übt | |
> scharfe Kritik an seiner eigenen Partei: Es fehle Widerstand gegen | |
> Camp-Verbote. | |
Bild: Ist das noch Demokratie oder kann das weg? | |
taz: Herr Giegold, ausgerechnet im rot-grün regierten Hamburg gibt es eine | |
riesige Demo-Verbotszone, Schikane gegen politische Camps und | |
Wasserwerfer-Einsätze gegen Straßenpartys. Wie kann das sein? | |
Sven Giegold: Ich habe dafür kein Verständnis. Eine demokratiefreie Zone | |
von 38 Quadratkilometern ist eines demokratischen Staates unwürdig. | |
Friedlicher Protest muss erlaubt sein. Eine wehrhafte Demokratie muss gegen | |
Gewalt vorgehen, aber genauso konsequent die Bürgerrechte achten und | |
zivilgesellschaftliches Engagement fördern. Weniger vermögende | |
Demonstranten, die auf Camps angewiesen sind, gehören genauso zum Gipfel | |
wie die Staatschefs, die in den Luxushotels residieren. | |
Von prominenten Grünen ist bisher aber kaum Kritik zu vernehmen. | |
Das stimmt leider. Von den Grünen auf Bundesebene und in Hamburg kommt hier | |
viel zu wenig. Aber auch die sonst so laute Spitze der Linkspartei ist | |
erstaunlich still. Während sonst zu allem und jedem getwittert wird und | |
Pressemitteilungen verschickt werden, fehlt bisher wirklich laute Kritik an | |
den Camp-Verboten und der Demonstrationsverbotszone. Die Parteien versagen | |
kollektiv bei diesem Stresstest für unsere Demokratie. Ich vermisse | |
demokratische Haltung. Gerichte müssen im Eiltempo Entscheidungen treffen, | |
während sich die Politik ihrer Verantwortung entzieht. Es ist die Aufgabe | |
von Parteien für eine lebendige Demokratie zu sorgen, nicht sich hinter | |
Gerichten zu verstecken. | |
Was hätten die Hamburger Grünen denn Ihrer Meinung nach tun sollen? Die | |
Koalition verlassen? | |
Natürlich nicht, damit würden ja die vielen grünen Erfolge in Hamburg | |
gefährdet. Aber sie könnten Druck auf die SPD ausüben und einen Kompromiss | |
im Streit um die Protestcamps aushandeln. Die Entscheidung der Hamburger | |
Grünen die Messehallen als Tagungszentrum abzulehnen ist richtig, aber | |
kommt leider viel zu spät. Das hat nun nur noch symbolischen Wert. | |
Woran liegt die Zurückhaltung? | |
Die Stille der Parteispitzen ist politische Feigheit. Offenbar fürchten | |
alle, für mögliche Gewalttaten mitverantwortlich gemacht zu werden. | |
Demokratie lebt aber nicht von Feigheit, sondern von Mut. Man kann nicht | |
wegen möglicher illegaler Handlungen, alle friedlichen Aktionen gleich mit | |
verbieten. Es ist zum Beispiel nicht hinnehmbar, dass alle drei von Attac | |
angemeldeten Aktionen nicht genehmigt werden. Attac steht für eine | |
kritische, aber friedliche Auseinandersetzung mit der Politik der G20. Zum | |
Glück gibt es aber auch hoffnungsvolle Zeichen. | |
Welche meinen Sie? | |
Hamburger Kirchengemeinden, Theater und Vereine retten gerade den | |
weltoffenen Charakter der Stadt, indem sie die Demonstranten auf ihrem | |
Gelände übernachten lassen. Während die Sperrzone für Demonstranten ein | |
demokratisches Armutszeugnis ist, zeigen die Kirchen und Theater, wie | |
lebendige Demokratie geht. | |
Lohnt sich der ganze Aufwand denn wenigstens? Bringt der Gipfel etwas? | |
Ich finde gut, dass die Staatschefs der G20 überhaupt miteinander reden. In | |
diesen unsicheren Zeiten ist das dringend nötig. Aber die Politik der G-20 | |
macht wenig Hoffnung auf die notwendige demokratische Kontrolle der | |
Globalisierung. Der EU-Japan-Handelsvertrag ist ein Fehlstart für den | |
G20-Gipfel, denn er wiederholt die gleichen sozialen und ökologischen | |
Fehler, die den Freihandel als Ganzes in Bedrängnis gebracht haben. Das | |
darf nicht die Handelspolitik sein, für die Europa beim G20-Gipfel | |
eintritt. Auch beim Klimaschutz müssen die übrigen Staaten Härte gegenüber | |
Trump beweisen. Innerhalb der G20 sollte gelten: Ohne Klimaabkommen kein | |
Handelsabkommen. | |
6 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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