# taz.de -- Reportage vom G20-Gipfel: Vom Bett aus betrachtet | |
> Mit seinen Gipfelgästen geht Hamburg unterschiedlich um: Eine Nacht im | |
> Luxushotel mit Macron – und eine im Camp bei den Protestierenden. | |
Bild: Hier residiert Macron: Das Mövenpick-Hotel im Schanzenturm | |
Plätscher, plätscher. Es klingt nach Wasser in der Lounge des Mövenpick | |
Hotels im Schanzenpark. Plätscher, plätscher, klingt es aus den hohen | |
Wänden aus rohen Ziegelsteinen, die demin gedämpftes Licht getauchten Raum | |
eine sakrale Anmutung geben. | |
Plätscher, plätscher, obwohl gar kein Wasser zu sehen ist: Die Geräusche | |
kommen aus Lautsprechern, sie sollen wohl einen atmosphärischen Bezug | |
herstellen zu dem Ort, an dem wir uns befinden: Der 1910 erbaute | |
Schanzenturm war einst der größte Wasserturm Europas. Und so mischt sich | |
das Plätschern an diesem Mittwochabend der Gipfelwoche unter das leise | |
Gespräch einiger Herren in Anzügen. Sie stehen an der Rezeption und | |
plaudern auf Französisch. Die Gruppe ist Teil der Delegation des | |
französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der hier ab morgen nächtigen | |
soll. | |
Plätscher, plätscher macht es auch in der Nacht zuvor auf einer Wiese im | |
Volkspark Altona. Seit zwei Stunden prasselt der Regen auf das Zeltdach. | |
Gut 30 Zelte stehen hier schon, in den nächsten Tagen wird hier ein viel | |
größeres Protestcamp entstehen. Doch noch ist unklar, ob die Polizei die | |
Zelte in dieser Nacht dulden oder räumen wird. Mit einem mulmigen Gefühl es | |
deshalb um Mitternacht in den Schlafsack. | |
Die Welt ist in diesen Tagen zu Gast in Hamburg, doch mit seinen Gästen | |
geht die Stadt recht unterschiedlich um. Die anreisenden Chefs der | |
G20-Staaten sind in Luxushotels untergebracht. Wobei Macrons Ansprüche da | |
offenbar noch vergleichbar bescheiden sind, immerhin hat das Mövenpick im | |
Gegensatz zu den anderen Hotels der Delegationen nur vier Sterne. Die | |
G20-Gegner hingegen müssen tagelang kämpfen, bis ihnen erlaubt wird, Zelte | |
auf zwei Wiesen fernab der Innenstadt aufzustellen. | |
Schallisolierte Zimmer | |
Ist der Gast mit seinem Kopfkissen nicht zufrieden, kann er sich im | |
Mövenpick-Hotel ein anderes aufs Zimmer bringen lassen, informiert ein | |
Schild auf dem Nachttisch. Das Hirsespreukissen etwa passe sich „durch die | |
gute Rieselfähigkeit der Schalen der individuellen Schlafposition an“, | |
Kopf- und Halswirbel würden so „sanft unterstützt“. Beim Aufwachen im Camp | |
fühlen sich Kopf- und Halswirbel an, als könnten sie mehr als nur sanfte | |
Unterstützung gebrauchen. Immerhin: Die Polizei ist in dieser Nacht nicht | |
vorbeigekommen. | |
Wer Ruhe sucht in dieser Stadt voller Polizeisirenen und | |
Hubschraubergeknatter, ist im Mövenpick-Hotel richtig. Der Saunabereich ist | |
gähnend leer, die schalldichten Zimmerfenster schlucken jedes Geräusch, das | |
vom Schanzenpark nach oben dringen könnte, und von der Rezeptionistin bis | |
zum Barkeeper spricht hier jeder mit gedämpfter Stimme, ganz so, als könne | |
der altehrwürdige Wasserturm durch zu laute Geräusche ins Wanken gebracht | |
werden. | |
Allerdings: Wo Ruhe ist, ist Langeweile nicht weit. An der Cave-Bar wird es | |
schnell zum Gähnen. Zwei Geschäftsmänner starren jeder für sich auf ihre | |
Smartphones, ansonsten ist hier nichts los – „Lifestyle-Bar“ klang | |
irgendwie nach mehr Aufregung. | |
Im Camp ist immer was los, dafür sorgt schon der leicht erhöhte | |
Adrenalinpegel, den viele Protestler in diesen Tagen haben. Ständig gibt es | |
neue Aufreger: Die Polizei behindert das Abladen eines Transporters mit | |
Essensvorräten, gleich beginnt das Aktionsplenum, der NDR will eine | |
Liveschalte machen, und wenn mal gerade wirklich nichts los, kann man ja | |
immer noch über die Palästinafahne diskutieren, die da vorne im Wind | |
flattert. | |
267 Euro für das günstigste Zimmer | |
Macrons Entourage, zu der zumindest zu diesem Zeitpunkt noch keine Frauen | |
zu gehören scheinen, sucht Zerstreuung im Fitnessraum. Rund um das Hotel | |
hat die Polizei mittlerweile Absperrungen errichtet, herein kommt nur noch, | |
wer auf einer Liste mit den Namen der Hotelgäste steht. Mittlerweile sei | |
das gesamte Hotel durchsucht und anschließend abgesperrt worden, erklärt | |
ein Polizist. Dass ihr Gepäck von der Polizei durchsucht werden würde, | |
hatte das Mövenpick seinen Gästen nicht mitgeteilt, offenbar ist auch die | |
zahlungskräftigere Klientel in diesen Tagen nicht vollkommen vor | |
unangenehmen Eingriffen in ihre Privatsphäre sicher. | |
267 Euro kostet hier heute Nacht das günstigste Zimmer. Die Tower Suite im | |
obersten Stockwerk, in der Macron nächtigen soll, kann man an anderen Tagen | |
für rund 600 Euro buchen. Am Rande der Eröffnung des Hotels vor zehn Jahren | |
hatte es heftige Proteste gegeben, bei mehreren Anschlägen soll ein | |
Sachschaden von rund 150.000 Euro entstanden sein. | |
Ein Luxushotel mitten im Schanzenviertel, das kam nicht gut an in Hamburgs | |
autonomer Szene. Um Proteste bei der eigentlichen Eröffnung zu vermeiden, | |
entschied sich die Hotelkette für ein „Soft Opening“ statt einer großen | |
Feier und wählte den Termin dafür mit Bedacht: parallel zu den Protesten | |
gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, auf die sich in diesen Tagen viel | |
bezogen wird. | |
Das Plenum dauert mehr als zwei Stunden | |
Zelte, Küfa, Dixis: Die Infrastruktur auf dem Camp ist weder Luxus noch | |
Lifestyle. Doch gerade durch die Entbehrungen verändert sich der Blick: | |
Nachdem stundenlang um den Aufbau der mobilen Küche gerungen werden musste, | |
wird ein Teller heiße Linsensuppe zum Festmahl, als endlich das Barzelt | |
öffnet, fühlt sich das an wie Weihnachten. Im Hotel hingegen fällt vor | |
allem auf, was nicht stimmt: Müsste bei diesem Preis nicht eigentlich das | |
Zimmer größer sein und der Teppich schöner sein? | |
Das Campplenum tagt an diesem Abend mehr als zwei Stunden. Die | |
AktivistInnen sitzen auf Bierbänken im Kreis, nur für kurze Raucherpausen | |
wird das Zirkuszelt verlassen. Findet ein Beitrag Zustimmung, wedeln alle | |
mit den Händen, die Moderatorin gibt ihr Bestes, um die Redezeit der | |
einzelnen Beiträge auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Was hier | |
besprochen wird, so lautet die Regel, ist nicht für die Ohren der | |
Öffentlichkeit bestimmt – auf Diskretion versteht man sich nicht nur im | |
Mövenpick. | |
Das bestgehütete Geheimnis dort ist gerade die Suite Macrons, oben im 17. | |
Stock. Ein kurzer Blick durch die geöffnete Zimmertür lässt sich beim | |
Schritt aus dem Fahrstuhl erhaschen, mindestens fünf Menschen sind dort | |
zugange – da dreht sich einer von ihnen schon halb erschrocken, halb | |
wütend um: „Wer sind Sie, was machen Sie hier oben?“, der Ton könnte nicht | |
herrischer sein. Die Aussicht anschauen? Nichts da, schnell wird der | |
ungebetene Besuch in den Fahrstuhl zurückgeschoben: „Aussicht gibt’s ab | |
Montag wieder!“ Gast ist eben nicht gleich Gast, vor allem nicht dieser | |
Tage in Hamburg. | |
7 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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