# taz.de -- Bilanz der Krawallnacht in Hamburg: Gezielt geplündert | |
> Im Hamburger Schanzenviertel wurden gezielt einzelne Läden geplündert, | |
> teils angezündet. Anwohner sind fassungslos. | |
Bild: Die Fenster des Schnickschnack-Ladens „flying tiger“ | |
Hamburg taz | Die Gitter vor der aufgebrochenen Sparkassenfilale stechen | |
vollkommen zerbogen aus dem Gebäude an der Hausecke in Sichtweite der Roten | |
Flora. Der kleine Rewe-Supermarkt ist vollkommen geplündert, innen teils | |
schwarz von Rauchspuren. Der Drogeriemarkt Budnikowsky gleich nebenan ist | |
ebenfalls komplett geplündert. Dazu der Schnickschnack-Laden „flying | |
tiger“, eine Spielhalle und zwei, drei weitere Geschäfte. | |
Das Kopfsteinplaster auf der Straße Schulterblatt ist schwarz von Asche. | |
Die Stadtreinigung ist mit Kehrmaschinen und einem Bagger im Einsatz, um | |
die Reste der Barriakaden zur Seite zu schieben. An einer Stelle sind auf | |
rund 20 Quadratmetern die Platten aus dem Bürgersteig gerissen. | |
Es ist der Morgen nach einer Nacht mit schwersten Krawallen im | |
Schanzenviertel. Stundenlang hatten Autonome die Kontrolle über den Kiez | |
rund um das besetzte Kulturzentrum Rote Flora übernommen. Laut Polizei | |
hatte „eine größere Zahl von Angreifern die Einsatzkräfte mit Steinen, | |
Flaschen und Zwillen angegriffen. „Eine unbekannte Anzahl von Personen“, | |
sei auf die Dächer einiger Häuser des Schulterblatts geflüchtet. Sie „waren | |
mit Molotowcocktails und Eisenstangen bewaffnet.“ Andere Belege für | |
Brandsätze gibt es derzeit noch nicht. | |
Allein bei der Erstürmung eines Hauses dort seien 13 Menschen festgenommen | |
worden. Im Laufe der Nacht sind 63 weitere in Gewahrsam genommen worden, | |
hieß es. Nach Angaben der Hamburger Polizei sind bis zum Morgen 213 | |
verletzte Beamte registriert. Zur Zahl der verletzten Demonstranten konnten | |
weder Polizei noch Feuerwehr Angaben machen. | |
## Eskalation am Abend | |
Die Proteste waren am späten Freitagabend eskaliert. Zunächst konnten | |
Randalierer mehrere Stunden lang in der Straße Schulterblatt frei gewähren. | |
Erst gegen Mitternacht rückte die Polizei mit einem massiven Aufgebot und | |
Spezialkräften in das linksalternative Viertel vor. Gepanzerte Fahrzeuge | |
schoben brennende Barrikaden aus dem Weg. Wasserwerfer waren im Einsatz. | |
„So etwas habe ich hier noch nicht gesehen“, sagt eine ältere Frau, die | |
kopfschüttelnd durch den Kiez spaziert. Seit 1967 wohne sie hier in dem | |
Viertel, immerwieder habe es Ausschreitungen am 1. Mai gegeben. „Aber so | |
wie gestern … „, beginnt sie und stockt. Die Straße sei voller Menschen in | |
schwarz gewesen. Die hätten ein Straßenschild rausgerissen. „Ich hatte | |
Angst, dass die jetzt losziehen und alle Fenster einschmeißen. Polizei war | |
nicht da.“ | |
Die Krawalltruppe hat offenbar sehr gezielt Läden geplündert. Die meisten | |
Cafés, Kneipen und kleinen Läden an der Straße blieben verschont, auch wenn | |
sie ihre Fenster nicht verbarrikadiert hatten. Einzelne kleine Läden haben | |
am Samstagmorgen schon wieder geöffnet und versorgen die Schaulustigen mit | |
Getränken. | |
## Geplündert und angezündet | |
Vor dem Rewe-Markt, in dem sich sonst die Szene gern bis spät in die Nacht | |
versorgt, steht der stellvertretende Filialleiter vor dem halb | |
hochschobenen Gitter. „Das haben die einfach hochgeschoben“, sagt er. | |
Drinnen sind die Regale komplett leergeräumt und zum Teil zerstört. Im | |
Lager, oben im ersten Stock, sei Feuer gelegt worden. Darüber seien | |
Wohnungen. „Das hätte schlimmer ausgehen können“, sagt der Mann. | |
Der Schaden ist immens. Ob die Versicherung das zahlt, könne er noch nicht | |
sagen. „Aber wir bauen das wieder auf“, sagt der stellvertretende | |
Filialleiter mit einem Lächeln. „Das wird ein paar Monate dauern. Aber wir | |
bauen das wieder auf“, wiederholt er noch einmal. „Schwarzer Block, verpiss | |
dich aus unserem Kiez“, ruft ein Passant. „Recht hat er ja“, sagt ein | |
anderer. | |
Laut Polizei ist es auch an weiteren Stellen in der Nähe zu Plünderungen | |
gekommen. So hätten in der Altonaer Straße etwa 500 Täter einen Supermarkt | |
geplündert und diesen im Anschluss angezündet. An vielen Stellen auch im | |
nördlichen St. Pauli wurden Mülleimer angezündet und Barrikaden aus | |
Baumaterialien, Fahrrädern und Verkehrsschildern errichtet. | |
Am südlichen Ende des Schulterblattes, am Pferdemarkt, hatte am Abend | |
stundenlang eine Barrikade gebrannt. Die Polizei hatte dort in Spuckweite | |
drei Wasserwerfer postiert, das Feuer aber brennen lassen. Weitere | |
Wasserwerfer sprühten derweil in die Menge der im kleinen Park am Grünen | |
Jäger stehenden Schaulustigen, um diese zu vertreiben. Über alle knatterten | |
zwei Hubschrauber, die die Szenerie von oben ausleuchteten. | |
## Relaxte Alternative | |
Während im Schanzenviertel die heftigsten Krawalle tobten, herrschte im | |
Kiez auf der Reeperbahn ausgelassene Stimmung. Dort tanzten Hunderte zu den | |
wummernden Bässen eines Soundsystems unmittelbar vor der Davidwache im | |
blinkenden Blaulicht zweier Wasserwerfer. Zudem radelte die Fahrraddemo | |
„Colorfull Mass“ stundenlang friedlich kreuz und quer durch die Stadt, | |
teils in Sichtweite der Ausschreitungen. | |
Am Samstag werden die Demonstrationen rund um den G20-Gipfel weitergehen. | |
Die Initiative „Hamburg zeigt Haltung“, die auch vom Hamburger Senat | |
unterstützt wird, erwartet bis zu 30.000 Menschen, die ab 12 Uhr am | |
Hafenrand entlang bis zum Fischmarkt ziehen sollen. | |
Schon um 11 Uhr beginnt die Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt | |
G20“, die sich vor allem gegen Armut, Krieg und die Ursachen von Flucht | |
richtet. Zu dieser Veranstaltung, die am späteren Nachmittag am | |
Millerntorplatz enden soll, werden bis zu 100.000 Teilnehmer erwartet. Sie | |
wird vor allem von linken Gruppen und Friedensinitiativen unterstützt. | |
8 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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