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# taz.de -- Aufarbeitung der Krawallnacht: Der Tag danach
> In Hamburg gab es in der Nacht schwere Ausschreitungen. Nun beginnt die
> Aufarbeitung. Auch Autonome distanzieren sich.
Bild: „Das ist ein Krawall, der sich nur auf sich selbst bezieht“, sagte An…
Hamburg taz | Noch immer laufen die Aufräumarbeiten im Hamburger
Schanzenviertel, wo es in der Nacht zu Samstag schwere Ausschreitungen und
einen massiven Polizeinsatz gegeben hat. Währenddessen beginnt die
Aufarbeitung dessen, was dort passiert ist.
Als einer der ersten hat sich Andreas Blechschmidt von der Roten Flora zu
Wort gemeldet, dem linken Projekt des Schanzenviertels im Epizentrum der
Randalenacht. Blechschmidt, grundsätzlich der Ansicht, dass es legitim ist,
auf gewalttätige Verhältnisse mit Gewalt zu antworten, hat die gewaltigen
Ausschreitungen im Schanzenviertel bereits in der Nacht zu Samstag vor
laufenden Kameras verurteilt.
„Das ist ein Krawall, der sich nur auf sich selbst bezieht“, sagte
Blechschmidt nun der taz. Es gehe nicht mehr um politische Inhalte, sondern
nur um das Event. Die Schanze auseinander zu nehmen, sei politisch falsch.
Am Freitag sei zunächst das politische Konzept aufgegangen, den Gipfel zu
blockieren. Während Blechschmidt bei den Freitagsaktionen von einem
politischen Erfolg spricht, zieht er für den Abend eine ernüchternde
Bilanz: Ab 21.30 Uhr habe sich die Stimmung einer durchschnittlichen
Schanzenfest-Atmosphäre geändert. Die Polizei zog sich zurück, und an
verschiedenen Stellen brannten Barrikaden. „Wir haben die Flora dann
geschlossen und Verletzte versorgt.“ Die Polizei war abwesend, als ein Rewe
und eine Budnikowsky-Filiale geplündert wurden.
## „Hier wurde eine Linie überschritten.“
Doch wie konnte es dazu kommen? Das Nulltoleranzkonzept der Polizei
gegenüber den Gipfelgegnern im Vorfeld habe sicher eine Rolle gespielt, es
der Polizei heimzuzahlen, so Blechschmidt. „Das ist aber keine
Rechtfertigung dafür, wahllos Geschäfte anzugehen“ Es gebe Kriterien für
militanten Widerstand, die man immer wieder selbstkritisch hinterfragen
müsse. „Hier wurde eine Linie überschritten.“ Einen Laden in einem Wohnha…
anzuzünden, sei ein No Go.
Innensenator Andreas Grote (SPD) aus dem rot-grün regierten Hamburg ist
bisher nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Antje Möller, die
innenpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, nennt die
Nacht zu Samstag einen „Gewaltexzess“, der nichts mehr mit politischem
Anspruch zu tun haben könne: „Das spiegelt nur die blinde Lust an
Zerstörung.“
Trotzdem sei es wichtig, dass dieser Exzess nun nicht alle drei Protesttage
überlagere, in denen es viele friedliche, bunte, laute und kritische
Aktionen gegeben habe. Für Samstag erhoffe sie sich, sagte Möller, dass
sich das bunte Protestbild noch einmal durchsetze. Was das
Gesamteinsatzkonzept der Polizei angehe, werde es eine parlamentarische
Aufarbeitung aller Tage geben – auch das dürfe jetzt nicht aus dem
Blickwinkel geraten.
Nach Angaben der Polizei sind während der Nacht 16 Beamte verletzt worden.
Die Gesamtzahl der während des Einsatzes zum G20-Gipfel verletzten
Polizisten liege damit bei 213. Wie viele davon schwerverletzt seien und
wie viele ihren Dienst aufgrund der Verletzung nicht fortsetzen konnten,
könne sie allerdings nicht sagen, so eine Sprecherin der Polizei Hamburg.
## Spezialeinheiten waren laut Polizei „alternativlos“
In der Nacht zu Samstag seien 14 Menschen festgenommen worden, außerdem
habe es 63 vorübergehende Ingewahrsamnahmen gegeben. Erkenntnisse über die
Festgenommenen oder überhaupt über die an den Ausschreitungen Beteiligten
könne die Polizei aber momentan aus ermittlungstaktischen Gründen nicht
veröffentlichen.
Dass die Polizei mehrere Stunden gewartet hat, bevor sie ins
Schanzenviertel vorgerückt war, begründete die Sprecherin damit, dass es
Erkenntnisse über Molotow-Cocktails im Gebiet sowie von Gehwegplatten
gegeben habe, die auf Dächer gebracht worden seien. Ob sich diese
Vermutungen bei dem Einsatz bestätigt hätten, könne sie momentan nicht
sagen. Den Einsatz von schwer bewaffneten Spezialeinheiten bezeichnete
Polizeisprecher Timo Zill gegenüber der Nachrichtenagentur dpa als
„alternativlos“.
Der Hamburger Künstler und Musiker Schorsch Kamerun hält es für voreilig,
jetzt schon Schlüsse zu ziehen. „Derart aufgeladene Situationen erfordern
Besonnenheit“, sagt er der taz. „Es braucht eine Versiertheit und eine
Debatte, es macht aber keinen Sinn, nur zu sagen, eine bestimmte
Gruppierung sei verantwortlich.“ So etwas schaffe nur „Munition für
Sicherheitshardliner“.
Kamerun hatte am Donnerstagabend bei der Auftaktkundgebung der Vorabenddemo
„Welcome to hell“ mit seiner Band Die Goldenen Zitronen gespielt. „Als wir
auftraten, war der Protest ausgesprochen bunt“, sagt er. Und sowieso gebe
es reichlich Beispiele für sinnvollen Widerstand, wie den „Arrivati Park“,
in dem auf die Situation papierloser Menschen aufmerksam gemacht wird.
Vieles drohe jetzt weggewischt zu werden. „Progressiv sind jene, oft auf
pure Krassheit angelegten Zuspitzungen, egal von wem, nie zu nennen. Im
Gegenteil, sie helfen den Vereinfachern“.
## „Grenzenlose Solidarität“-Demo gegen sinnlose Zerstörung
Zur Stunde zieht die Großdemonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“
mit mehreren zehntausend TeilnehmerInnen durch Hamburg. Dazu aufgerufen
hatten fast alle Akteure, die sich an den Protesten gegen den Gipfel
beteiligen, darunter auch die Linkspartei. Sie sei entsetzt und fassungslos
über die Ereignisse der Nacht zu Samstag, sagte die innenpolitische
Sprecherin der linken Bürgerschaftsfraktion, Christiane Schneider: „Hier
haben Kräfte die Proteste gegen G20 okkupiert, die mit dem Ziel einer
besseren, solidarischen Welt nichts zu tun haben“. Die menschenverachtende
Gewalt, die Vermummte verübten, seien absolut inakzeptable Straftaten.
Bereits am Freitag Nachmittag habe sie schlimme Eindrücke gewonnen: Schwarz
Vermummte hätten sich unter die Demo gemischt, zum Teil auch Jugendliche,
die sich am Straßenrand schnell von bunt in schwarz umgezogen hätten. An
den Landungsbrücken hätten sich viele Vermummte versammelt, die kein
Deutsch verstanden, große Steine zerschlagen und geworfen hätten und wild
entschlossen zu gewissenloser Gewalt gewesen seien.
Die Zeit der Aufarbeitung beginne morgen. Aufzuarbeiten sein werde
allerdings auch die schwere Beschädigung von Grundrechten im Zeichen der
Sicherheit, von der Versammlungsfreiheit über die Pressefreiheit, die
informationelle Selbstbestimmung und das von Anfang an auf Eskalation
ausgerichtete Einsatzkonzept der Polizei. „Die Idee, den G20-Gipfel nach
Hamburg zu holen, hat sich vollständig als Wahnsinnsidee erwiesen.“ Heute
werde sie dennoch wieder gegen die G20 demonstrieren, friedlich und
solidarisch.
Das will auch Frauke Distelrath, Sprecherin des globalisierungskritischen
Netzwerks Attac. „Mit den sinnlosen Zerstörungen, die es in der letzten
Nacht gegeben hat, hat Attac absolut nichts zu tun“, sagte sie. Sie könne
gut verstehen, dass betroffene AnwohnerInnen aufgebracht seien. Zugleich
halte Attac aber fest an der Kritik an dem „völlig überzogenen
Polizeieinsatz und den massiven Grundrechtsverletzungen der letzten Tage“.
Die Großdemo am Samstag, zu der Attac mit aufruft, sei zugleich „eine
Antwort auf die sinnlose Zerstörung und auf die massive Polizeigewalt“.
8 Jul 2017
## AUTOREN
Malene Gürgen
Patricia Hecht
Lena Kaiser
## TAGS
Schwerpunkt G20 in Hamburg
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