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# taz.de -- Anti-G-20-Protest in Hamburg: Krieg der Kochtöpfe
> Bei den Camps geht es ans Eingemachte: Entweder die Polizei versucht sie
> zu verhindern oder es gibt absurde Auflagen.
Bild: Am Entenwerder Stieg beäugen Polizisten Zelte des Barrio Queer
HAMBURG taz | Das antikapitalistische Protestcamp zum G-20-Gipfel in
Hamburg wird weiterhin von der Polizei verhindert. Mit einem großen
Aufgebot versperrten die Beamten den rund 200 KamperInnen am Sonntagmittag
den Zugang zu einer Elbwiese im Hamburger Osten. Und das trotz einer
erneuten Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Nacht zu Sonntag, dass
das Camp hier, am Entenwerder Elbpark im Stadtteil Rothenburgsort, mit
Übernachtungszelten aufgebaut werden darf.
Gegenüber dem Camp-Anwalt Martin Klingner erklärte die Einsatzleitung vor
Ort, dass der G-20-Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde für diese Stelle das
Campen verboten habe. Damit widersetzt sich Dudde erneut einem
Gerichtsbeschluss, nachdem zuvor das Bundesverfassungsgericht das Camp als
Dauerkundgebung im Hamburger Stadtpark im Grundsatz genehmigt hatte.
„Schlimmer geht es nicht mehr – das ist ein Putsch der Polizei gegen die
Justiz“, schimpfte Anwalt Klingner vor den Versammelten am Eingang der
Entenwerder Halbinsel. Diese meldeten wenig später eine spontane
Dauerkundgebung auf der Straße an und begannen, dort Veranstaltungszelte
aufzubauen. Auf einem Lautsprecherwagen prangte ein Transparent: „Protest
lässt sich nicht verbieten und nicht aufhalten“. Es kam zu ein paar
kleineren Rangeleien, aber im Großen und Ganzen blieb es entspannt.
Das antikapitalistische Camp, das ursprünglich im Stadtpark aufgeschlagen
werden sollte, hatte den Ausweichplatz an der Elbe selbst ins Spiel
gebracht, weil das Areal außerhalb der 38 Quadratkilometer großen
Demonstrationsverbotszone liegt.
Am frühen Nachmittag machte die Versammlungsbehörde den Vorschlag, auf
einem Viertel der Fläche Versammlungszelte zuzulassen, jedoch keine Zelte
für Infrastruktur wie zum Kochen oder zum Übernachten. „Das ist völlig
inakzeptabel“, sagte ein Camp-Sprecher zur taz. Anwalt Klingner reichte
noch am Nachmittag erneut einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Hamburg
ein, das Camp unter den von den Gerichten formulierten Bedingungen
zuzulassen.
Im Laufe des Nachmittags bekam die Kundgebung weiteren Zulauf. Auch eine
für den Abend angesetzte Vollversammlung von G-20-GegnerInnen im autonomen
Stadtzentrum Rote Flora sollte nach Entenwerder verlegt werden.
In Lurup wiederum hatten die Organisatoren eines zweiten Camps mit dem
Aufbau bereits am Samstag begonnen. Am Sonntag standen dann schon ein
großes Zirkuszelt, in dem Konzerte stattfinden und die Protestler schlafen
können, sowie ein Sanitätszelt. Ansonsten war die Wiese am Rande des
Altonaer Volksparks noch recht leer.
## Essen wird zum Politikum
Bis zu 5.000 Menschen sollen hier Platz finden – die ersten Auswärtigen
wollten am Sonntag anreisen. Mit einer zweiten großen Welle rechne man für
Dienstag, sagte ein Aktivist, der Karlsson genannt werden will. „Wie viele
letztendlich hier schlafen, hängt aber auch vom anderen Camp ab.“ Wenn es
in Rothenburgsort schlecht laufe, würden wohl mehr Leute nach Lurup kommen.
„Wir wollen den Anreisenden hier einen sicheren Raum bieten“, sagte
Karlsson, der selbst in einem Wohnwagen unweit vom Camps schläft.
„Später gibt es Fleisch“, rief am Sonntag ein junger Mann im Vorbeigehen
einer Gruppe zu. Auch hier ist das Essen zum Politikum geworden: „Gestern
haben die Polizisten in unseren Kaffeetopf geschaut“, berichtete ein
Aktivist und lacht. Denn kochen dürfe hier nur jeder für sich, so wolle es
die Polizei. Die gemeinsame Zubereitung sei verboten.
Dass das Camp in Lurup überhaupt stattfinden darf, ist mit einer ganzen
Reihe weiterer Auflagen verbunden: So dürfen die Protestler zwar
theoretisch auf dem Platz übernachten – aber nur mit Schlafsäcken und
Isomatten. Feldbetten und Zelte hingegen sind explizit verboten. Die
ständigen Kontrollen der Polizisten bezeichnete einer der Kamper als reine
Schikane: „Die lassen doch bloß ihre Muskeln spielen.“
## Picknick statt Versammlung
Die Frage, wer in Hamburg eigentlich über welche Flächen bestimmen darf,
stellten am Sonntag auch einige Anwohner auf St. Pauli. Im Park beim Grünen
Jäger kam die Nachbarschaft zum Picknick zusammen samt Kaffee und Kuchen.
Das klingt harmlos, hat aber Brisanz: Der Ort befindet sich in
unmittelbarer Nähe zu den Messehallen, in denen ab Freitag der G-20-Gipfel
stattfindet.
„Das ist unser Viertel, und wir wollen uns hier aufhalten“, sagte eine
Anwohnerin. „Inzwischen wird jede Miniversammlung von der Polizei verboten.
Aber ein Picknick sollte ja wohl drin sein.“
Es gibt noch einen weiteren Anlass für das Picknick, erklärte Niels Boeing
von der Initiative „Wohl oder Übel“: „Wir wollen den Park in Arrivati-Pa…
umbenennen“. Arrivati ist ein Kollektiv von Leuten, die nach Deutschland
gekommen sind und nicht länger nur als Flüchtlinge angesehen werden wollen.
„Flucht und Migration sind ein Riesenthema“, sagte Boeing. „Aber bei G 20
werden sie nur als Sicherheitsproblem diskutiert.“
2 Jul 2017
## AUTOREN
Kai von Appen
Muriel Kalisch
Milena Pieper
## TAGS
Schwerpunkt G20 in Hamburg
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Protestcamp
Aktivismus
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