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# taz.de -- Kolumne Right Trash: „Kläffender Berufsdenunziant“
> Ein Buch mit Thesen der extremen Rechten landet auf einer Bestenliste.
> Der taz-Autor, der darüber schrieb, wird nun von rechten Medien
> angegriffen.
Bild: Reisepass eines belgischen Juden, der vor den Nazis floh
„Die Volksfront hat ihre Reihen geschlossen“, poltert Karlheinz Weißmann in
der Jungen Freiheit. Von „der taz bis zur FAZ“ würde gegen „ihren
mächtigsten Gegner“ die „freien Meinungsäußerung“ vorgegangen, schreib…
Vordenker der Neuen Rechten alarmistisch.
Ein „Erdbeben im deutschen Literaturbetrieb“ macht zwei Tage später
Jan-Andres Schulze, am 14. Juni, im rechten Blog Sezession im Netz aus.
Zahlreiche Medien der vermeintlich intellektuellen Neuen Rechten finden die
Kritik um die Platzierung von Rolf Peter Sieferles „Finis Germania“ auf der
Liste „Sachbuch des Monats“ von NDR und Süddeutsche „erbärmlich“.
Kaum einer ihrer etwas bekannteren Publizisten, der nicht die Kritiker als
„Denunzianten“ tituliert. Sie alle eint, Kritik mit Zensur zu verwechseln.
Dass eine libertäre Gesellschaft „um tolerant zu sein“, wie Umberto Eco
gerade mit Blick auf die Neue Rechte formulierte, „die Grenzen dessen, was
nicht tolerierbar ist, festlegen“ muss, skandalisieren sie als
„Meinungsdiktatur“.
In der vergangenen Woche hatte der Autor dieses Textes beim NDR
nachgefragt, warum der schmale Band „Finis Germania“ auf Platz 9 der
renommierten Liste für Sachbücher steht. Nicht nur, weil die Sammlung von
30 Texten Sieferles im Antaios-Verlag des neu-rechten Publizisten Götz
Kubitschek erschien ist. Sieferle, der sich 2016 selbst das Leben nahm,
führt auf den knapp 100 Seiten aus, Auschwitz sei der „letzte Mythos einer
durch und durch rationalisierten Welt“, der jenseits der Diskussion stehen
würde.
Aus der Kollektivschuld sei der „Aufruf zur permanenten Buße“ gefolgt. „…
Schandfleck des ewigen Nazis“ wäre die Erde erst dann gereinigt, „wenn die
Deutschen vollständig verschwunden“ seien, beziehungsweise, wenn sie zur
abstrakten Menschheit aufgelöst würden, schreibt er ganz im Geiste des
Vorwurfs der „Holocaust-Religion“, ohne den Begriff selbst zu verwenden.
Im traditionellen Jargon der Szene hält Sieferle den Juden vor, „in aller
Welt Gedenkstätten“ zu errichteten und so „nicht nur den Opfern die Kraft
der moralischen Überlegenheit, sondern auch den Tätern und ihren Symbolen
die Kraft ewiger Verworfenheit“ zuzuschreiben.
Hätten alle Jurymitglieder das Buch gelesen, hätten diese Passagen bereits
vor der Platzierung auf der Sachbuchliste eine Debatte über die Grenzen des
Tolerierbaren ausgelöst. Die Gedanken allerdings machen sich Weißmann und
Kubitschek nicht. Ebenso wenig wie Martin Lichtmesz, der am 13. Juni im
rechten Blog Sezession im Netz schreibt, dass die Süddeutsche Zeitung wegen
der „konterrevolutionären Sabotage“ vor Wut schäume.
Die FAZ habe „mit gewohnter Noblesse einen Schmutzeimer aus der untersten
Jauchegrube über Sieferles Buch“ ausgegossen, schreibt er weiter und
verteidigt den Spiegel-Redakteur Johannes Saltzwedel, der als Jurymitglied
das Buch auf die Liste puschte, in dem er seine volle Punktzahl alleine dem
Werk gab. Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer erklärte, „kein
Verständnis“ für die Empfehlung seines Redakteurs zu haben und begrüße
dessen Rücktritt aus der Jury, was Lichtmesz wüten lässt: „Die ‚falsche�…
neuralgische Punkte berührende Meinung stößt nicht einfach auf Widerspruch
oder Dissens, sondern wird mit allen Mitteln – Lüge, Verzerrung,
Diffamierung – niedergeprügelt.“
## „Ein linksradikaler taz-Autor“
Uneinig scheint sich die Neue Rechte aber über die Bedeutung der
Platzierung auf der Liste zu sein. Kubitschek meint auf Sezession im Netz,
dass die „Liste nicht populär“ wäre. Von einer „metapolitischen Bombe“
eines ihnen nachstehenden U-Bootes spricht indes der führenden Aktivist der
„Identitären Bewegung“, Martin Sellner, auf dem Vlog Identitär. Er ruft
dazu auf, dass weitere U-Boote und Infiltratoren im Kulturbetrieb wider dem
„ethnophoben Extremismus“ weitere „metapolitische Bomben“ zünden sollt…
Alle Autoren sind sich sicher, der taz-Autor hätte die Bombe gezündet: Erst
„ein linksradikaler taz-Autor“ musste „die Juroren mit der Nase drauf
stoßen“, schreibt Kubitschek am 12. Juni. Lichtmesz holt weit aus:
„Ein bekannter linksextremer Berufsdenunziant, der selbst nicht die
geringste eigenständige geistige Leistung aufzuweisen hat (…) witterte den
Ketzerschwefel, hob kläffend sein Hinterbeinchen, worauf die
Skandalisierungsmaschinerie in Gang geriet. Wenn es in der ganzen
Geschichte einen ‚Skandal‘ zu melden gibt, dann die Tatsache, dass eine
traurige Gestalt wie Andreas Speit überhaupt mitreden darf, was in
Deutschland gelesen, besprochen und ‚gelikt‘ werden darf und was nicht.“
Die neurechten Autoren, die permanent behaupten, die Meinungsfreiheit zu
verteidigen, rufen nur wenige Zeilen später dazu auf, Kritiker mundtot zu
machen. Solche Angriffe hält man als Autor, der regelmäßig über rechte
Umtriebe schreibt, aus. Sie gehören eben auch zur Meinungsfreiheit.
Aushalten muss man wohl auch die persönlichen Diffamierungen. So schreibt
Lichtmesz weiter:
„Existenzen wie Speit gleichen dem Typus des grauen Funktionärs in
totalitären Systemen: mittelmäßige, ressentimentgeladene, aber um so
strammer linientreue Parteilinge, die auf den Schultern eines Apparates
hocken, der seine Macht auf Angst und Verleumdung gründet. Dort können sie
ihr kleines bißchen jammervolle Macht ausüben und sich an jenen rächen, die
freier, intelligenter, kompetenter, wahrhaftiger und mutiger sind als sie.“
Solche Methoden gehören zur übliche Taktik der selbsternannten
Rechtsintellektuellen: Politische Gegner abwerten, enthemmt angreifen und
sich selbst aufwerten. So wird am 16. Juni Kubitschek auch dem
Jury-Mitglied Herfried Münkler gegenüber vulgär und persönlich. Er sei „zu
einem schäbigen, boshaften alten Mann geworden“ schreibt er.
Es folgt noch die Annahme, der taz-Autor habe sich verkalkuliert. Erst
durch die Debatte um das Buch sei es ins Gerade geraten. Zwischenzeitlich
war es bei Amazon tatsächlich auf Platz 1 der bestverkauften Sachbücher.
Über den „geheimen PR-Agenten des Antaios Verlags“ freute sich sogleich,
bemüht ironisch, Felix Menzel bei der Blauen Narzisse. Vom „Speit-Effekt“
schreibt Felix Krautkrämer bei der Jungen Freiheit. Den Begriff formuliert
Kubitschek ebenso.
Nun, so ist das. Schreibt man über ein Thema, kommt es ins Gerede. Sollte
das Klientel des Antaios-Verlages aber wirklich erst nach der von der taz
losgetretenen Debatte von dem Buch erfahren haben, sollte sich der Verlag
über seine Verkaufsstrategie Gedanken machen.
Was die Herren nicht bedenken ist, dass dem unerwarteten Verkaufserfolg
garantiert eine politische Ernüchterung folgt. Jeder, der das Buch kauft
und nicht bereits hoffnungslos im rechten Milieu steckt, wird sich beim
Lesen mit Grausen abwenden. Sieferles Texte sind unstrukturiert, die
Argumente erwartbar, die Rhetorik voller Rechtsjargon und Antisemitismus.
Mit dem Buch demonstriert die „Neue“ Rechte, dass sie nichts Neues zu sagen
hat.
19 Jun 2017
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Right Trash
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