| # taz.de -- Doku über Polizeispitzel in Hamburg: Die Freundin vom BKA | |
| > Verdeckte Ermittler*innen in der linken Szene: Die Doku „Im inneren | |
| > Kreis“ fragt nach den Gründen und Grenzen der Überwachung. | |
| Bild: Wie sicher ist die Rote Flora? | |
| Iris P. war so, wie man sich eine Freundin wünscht: offen, witzig und nett, | |
| sie half bereitwillig beim Renovieren und organisierte | |
| Geburtstagsgeschenke, war immer für andere da. So erinnert sich Tanja an | |
| ihre vermeintliche Freundin, während sie am Tresen des linken Zentrums Rote | |
| Flora in Hamburg sitzt. Nur, dass P. gar nicht Tanjas Freundin war, sondern | |
| eine [1][verdeckt ermittelnde Polizistin] im Auftrag des Bundeskriminalamts | |
| und des Staatsschutzes. P. wurde dafür bezahlt, Freundschaften | |
| vorzutäuschen, um Informationen über die linke Szene zu sammeln und sie an | |
| die Behörden zu liefern. | |
| Im Dokumentarfilm „Im Inneren Kreis“, der am 10. Juni mit einer | |
| bundesweiten Kinotour startet, fragen die Regisseur*innen Hannes Obens und | |
| Claudia Morar nach den Folgen der verdeckten Einsätze für die Überwachten. | |
| Und sie suchen nach Erklärungen. Denn neben den Fragen der Betroffenen, | |
| warum gerade sie ins Fadenkreuz gerieten und welche ihrer persönlichen | |
| Daten der Staat gespeichert hat, bleiben auch strukturelle, | |
| gesellschaftliche Fragen. Wer wird überwacht, wer nicht? Warum schleust der | |
| Staat Spion*innen in offene, linke Strukturen ein, warum nicht ins rechte | |
| Milieu? Was bringen die Ermittlungen, was sollen und was dürfen sie? Wie | |
| weit geht die Überwachung und was sind die Konsequenzen? | |
| Obens und Morar haben anderthalb Jahre lang an dem Film gearbeitet, der ihr | |
| erster ist und den sie komplett aus Spenden finanziert haben. Weil sie nah | |
| an der Szene sind, gelingt es ihnen, den ZuschauerInnen einen persönlichen | |
| Einblick zu gewähren: Neben Politiker*innen und Anwält*innen, dem | |
| ehemaligen Generalbundesanwalt Kay Nehm, einem Polizisten und einer | |
| Psychoanalytikerin kommen hauptsächlich von den Einsätzen Betroffene zu | |
| Wort. Flora-Aktivist*innen und Überwachte aus dem Heidelberger | |
| Studierendenmilieu erzählen: Wie sie sich mit ihren vermeintlichen | |
| Freund*innen zum Kochen verabredet haben, wie sie Geburtstage zusammen | |
| feierten und was die Täuschungen für Wunden hinterlassen haben. „Es ist, | |
| wie wenn jemand stirbt“, sagt eine Exfreundin von Iris P. | |
| Zurück bleiben Selbstzweifel, Schuldgefühle und die Frage: Wie konnte ich | |
| das zulassen? Eine allgemeine Erklärung kann es nicht geben. Aber die | |
| Dokumentation setzt die Ereignisse in den Kontext der damaligen Zeit: | |
| Aufnahmen aus dem Jahr 2002 zeigen die aufgeheizte Stimmung zur Zeit der | |
| konservativ-rechtspopulistischen CDU-Schill-Regierung, als diese den | |
| Wagenplatz Bambule räumen ließ. Ein Jahr zuvor hatte Iris P. Kontakt zur | |
| Szene aufgenommen. | |
| ## Eine Debatte anregen | |
| „Im inneren Kreis“ zeigt auch, wie aktiv der Staat durch seine Spitzel ins | |
| Private eingreift: Der Einsatz von Iris P. führte zu Spaltungen in der | |
| Szene. Während einige Aktivist*innen P. schon früh verdächtigten, | |
| Polizistin zu sein, vertrauten ihr andere. Die Ermittlerin selbst sei in | |
| Tränen ausgebrochen, als sie von dem Verdacht erfahren habe. „Für Iris | |
| brach eine Welt zusammen“, glaubte Tanja damals. Beweise gab es allerdings | |
| nicht, so wurde der Verdacht fallen gelassen. P. blieb bis zu ihrem | |
| Abtauchen 2006 in der Szene, die Vorwürfe hatten ihre Position eher | |
| gefestigt als gefährdet. Leo, ein anderer Protagonist, lebte zwölf Jahre | |
| lang mit dem falschen Schuldgefühl, Iris P. zu Unrecht verdächtigt zu | |
| haben. | |
| Mit dem Film wollen die Regisseur*innen eine öffentliche Debatte über das | |
| umstrittene Überwachungsinstrument anregen. Das stößt auch auf Kritik: Eine | |
| Gruppe um eine Exfreundin von Iris P. mobilisiert gegen den Film. Bei | |
| Facebook und auf Flyern, die sie an die Kinos geschickt hat, wirft „Ute | |
| Müller“, wie sich die Exfreundin P.s nennt, dem Filmteam Sensationsgier und | |
| Szenefremdheit vor. Den Protagonist*innen hält sie vor, mit „unpolitischen, | |
| manipulativen und grenzüberschreitenden Filmemacher_innen“ | |
| zusammengearbeitet zu haben. | |
| Einige der Protagonist*innen haben es sich bei der Vorpremiere in Hamburg | |
| wiederum nicht nehmen lassen, ihre Kritik an den Filmemacher*innen zu | |
| äußern. Die Zusammenarbeit sei zum Teil schwierig gewesen, klagen die | |
| Florist*innen. Einen Film über ein so sensibles Thema zu machen, ohne dass | |
| dabei Spannungen entstehen, sei unmöglich, verteidigen sich die | |
| Regisseur*innen. Einen Moment lang wird es unangenehm im Kinosaal. Jemand | |
| fordert, alle Einnahmen des Films den Betroffenen zukommen zu lassen. Der | |
| Veranstalter sagt, dass solche Filme nie Geld einbringen. Am Ende einigen | |
| sich alle, dass sich an der Debatte vor allem eins zeigt: die emotionale | |
| Verwüstung, die Spitzeleinsätze hinterlassen. | |
| 8 Jun 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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