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# taz.de -- Porträts von Spitzeln übermalt: Polizei beschmiert Rote Flora
> Die Hamburger Polizei hat Gesichter von enttarnten ErmittlerInnen an der
> Roten Flora übermalt. Zu Recht? Ein Pro und Contra.
Bild: Fand die Hamburger Polizei gar nicht lustig: Flora-Parodie auf ihre Anwer…
Am Dienstag rückten um 5 Uhr morgens rund 50 Bereitschaftspolizisten vor
der besetzten Roten Flora im Hamburger Schanzenviertel an, um ein Plakat zu
übermalen. Auf dem Poster prangten seit Samstag die Namen und Konterfeis
der vier [1][zuletzt enttarnten verdeckten ErmittlerInnen] des
Staatsschutzes – verziert mit Polizei-Emblemen in Anspielung auf Ihre
Personal-Werbekampagne „Gesucht“.
„Die Aktion kommt aus dem Kreis der Betroffenen“, sagte Rote-Flora-Aktivist
Andreas Blechschmidt. Die Undercovereinsätze, die bei den Betroffenen wegen
des [2][Eingriffs in die Intimsphäre] Traumata ausgelöst hätten, seien
allesamt politisch nicht aufgearbeitet. Dabei waren längst nicht alle
UndercoveragentInnen abgebildet, die im Umfeld der RotfloristInnen
spioniert haben.
Die Polizei begründet die Malaktion damit, dass zwei der betroffenen
BeamtInnen Strafanzeige wegen der Verletzung des „Rechts am eigenen Bild“
gestellt hätten. Obwohl dies ein Antragsdelikt ist, wurden alle vier
Konterfeis übermalt.
***
## Pro: Die Polizei hat die Bilder zu Recht übermalt, dennEinzelpersonen
gehören nicht an den Pranger
Man sollte die Konterfeis der Spitzel nicht zeigen. Es war richtig, sie zu
überpinseln. Denn es ist zwar das gute Recht der Rotfloristinnen, Unrecht
zu benennen und auf psychische Folgeschäden durch den erlittenen Verrat
hinzuweisen. Auch sollten sie darauf dringen, dass die Vorfälle
aufgearbeitet werden.
Aber diese Vorwürfe richten sich an den Apparat: Senat und Polizei. Das
öffentliche Bloßstellen derer, die als HandlangerInnen des Staats „ihren
Job machten“, geht also an der Zielgruppe vorbei und riecht nach Rache und
mittelalterlichem Pranger.
Hinzu kommt, dass durch die Preisgabe persönlicher Daten – Silhouette oder
Gesicht – das „Recht am eigenen Bild“ verletzt wird. Denn die Gemälde
treffen ja nicht nur den Funktionsträger „Polizist“, sondern auch die
Privatperson. Im schlimmsten Fall können diese Leute nicht mehr zum Bäcker,
ihre Kinder nicht zur Schule gehen, ohne dass man mit dem Finger auf sie
zeigt.
Auch die Freiheit der Kunst greift hier nicht, weil diese Bilder so
offensichtlich weder um der Kunst noch um eines hehren politischen Ziels
willen entstanden, sondern klein-klein vor der eigenen Tür kehren.
Aus urheberrechtlicher Sicht hätte man allerdings entweder alles übermalen
müssen – oder gar nichts. Das kann der Eigentümer der Wand – hier die Sta…
Hamburg – anordnen. Veränderungen am Kunstwerk sind dagegen nicht erlaubt –
es sei denn, es missachtet Persönlichkeitsrechte.
Bizarr wird es übrigens, wenn man mit dem Wert der Kunst argumentiert:
Sollte das Rote-Flora-Bild durch die schwarz-abstrakte Teilübermalung an
Wert gewinnen und verkauft werden, müssten sich Maler und Polizist den
Gewinn teilen. Bringt andererseits der Polizist das Bild unter den Hammer,
kann der Künstler seinen Anteil einklagen. Petra Schellen
***
Contra: Wer seine Persönlichkeit in den Dienst derÜberwachung stellt, hat
die Rechte daran zum Teil verwirkt
Wenn die Polizei sich jetzt plötzlich daran erinnert, dass es so was wie
Persönlichkeitsrechte gibt, ist das an sich zu begrüßen. Dass diese aber
nur gelten sollen, wenn es sie selbst betrifft, ist lächerlich.
Wenn der Staat verdeckte ErmittlerInnen in das soziale Umfeld von
PolitaktivistInnen einschleust, tritt er das Persönlichkeitsrecht mit
Füßen. Da werden Menschen über Jahre hinweg im staatlichen Auftrag belogen,
ausgenutzt und ihr Vertrauen missbraucht. Die davon Geschädigten werden
nach Ende ihrer Überwachung nicht einmal darüber benachrichtigt, dass sie
überwacht wurden, obwohl das Gesetz das vorsieht. Die Betroffenen bleiben
in Unkenntnis darüber, was der Staat über ihr Privatleben weiß und mit
welchem Recht er meint, über diese Informationen verfügen zu dürfen.
Wer jetzt rumheult, dass das öffentliche Anprangern derjenigen, die den
Vertrauensmissbrauch auf dem Kerbholz haben, deren Persönlichkeitsrechte
verletzt, misst mit zweierlei Maß. Hätten die ErmittlerInnen nicht
systematisch das Privatleben von PolitaktivistInnen ausgeleuchtet, würden
ihre Konterfeis nicht an der Flora hängen.
Sie haben sich jedoch entschieden, sich für eine polizeiliche
Überwachungsmaßnahme herzugeben – nicht nur ihre Gesichter, sondern auch
Teile ihrer Persönlichkeit. Sie haben gezielt Sympathie und Charme
eingesetzt, um Freundschaften vorzutäuschen und darüber an Informationen
heranzukommen. Die Trennung zwischen Privatperson und FunktionsträgerIn
haben sie dabei selbst aufgelöst. Wie es den Überwachten nach den massiven
Übergriffen des Staats auf ihr Privatleben geht, interessiert auf Seiten
der Verantwortlichen niemanden. Ihnen bleibt einzig, das Problem als
politischen Skandal in die Öffentlichkeit zu ziehen. Und das tun sie halt.
Katharina Schipkowski
24 Aug 2016
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Katharina Schipkowski
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