| # taz.de -- Spitzel-Einsatz war rechtswidrig: Die Polizei gesteht | |
| > Hamburgs Polizei hat endlich vor Gericht zugegeben, dass der Einsatz der | |
| > verdeckten Ermittlern Iris P. in der queer-feministischen Szene | |
| > rechtswidrig war | |
| Bild: Schaffte es bis an die Wand der Roten Flora, bevor die Polizei sie überm… | |
| HAMBURG taz | Der Staatsschutz des Hamburger Landeskriminalamtes (LKA) ist | |
| geständig: Der Einsatz der verdeckten Ermittlerin Iris P. unter dem | |
| Decknamen „Iris Schneider“ in der queer-feministischen Szene war | |
| verfassungswidrig. Die Ermittlerin hatte zwecks Ausspähung sexuelle | |
| Beziehungen mit Frauen aus der linken Szene unterhalten. Das räumt die | |
| Polizei nun in einem Anerkennungsurteil vor dem Hamburger | |
| Verwaltungsgericht auf Klage einer Betroffenen ein. | |
| Die Polizei verhindert damit aber auch, dass das Gericht durch weitere | |
| Akteneinsicht oder womöglich durch eine Zeugenvernehmung der | |
| Staatsschützerin in die Sachaufklärung der Spionage-Affäre einsteigt. Auf | |
| Anfrage war am Sonntag von der Polizei keine offizielle Stellungnahme zu | |
| erhalten. Die Betroffene hat nun zwei Jahre Zeit, um zu überlegen, ob sie | |
| die Polizei auf Schmerzensgeld verklagt. | |
| Es ist das zweite gerichtliche Schuldeingeständnis im Zusammenhang mit dem | |
| Spitzeleinsatz der verdeckten Ermittlerin (VE) Iris P. von Oktober 2001 bis | |
| 2006. Gegenstand dieses Verfahrens war die Klage der Aktivistin Ute | |
| Müller*, die mit der Undercover-Polizistin unter dem vorgetäuschten Namen | |
| „Iris Schneider“ zwischen 2003 bis 2006 eine intime Beziehung geführt hatte | |
| und sich deshalb in ihren Persönlichkeitsrechten durch den dauerhaften | |
| Eingriff in die Kernbereiche ihrer Privat- und Intimsphäre verletzt fühlt. | |
| Noch im Herbst vergangenen Jahres hatte Innensenator Michael Neumann (SPD) | |
| die Vorstellung, eine Polizeibeamtin könnte in fremden Betten | |
| Informationsbeschaffung betrieben haben, im Innenausschuss der Hamburger | |
| Bürgerschaft als anonyme Verleumdung der linken Szene bezeichnet. | |
| Ute Müller war mit „Iris Schneider“ emotional eng verbunden. Drei Mal | |
| machten sie gemeinsamen Urlaub auf Mallorca und Ibiza, mehrmals pro Woche | |
| übernachteten sie gemeinsam in ihren jeweiligen Wohnungen. Ende 2005 habe | |
| sie krankheitsbedingt drei Monate weitgehend in der Tarnwohnung von Iris | |
| Schneider gewohnt, berichtet Ute Müller. | |
| In der Zeit ihrer Beziehung habe Iris P. sie für ihre verdeckten | |
| Ermittlungen ausgenutzt, P. habe regelmäßig vorgeschlagen, als Paar – was | |
| für sie alleine nicht ohne Weiteres möglich gewesen wäre – Demonstrationen, | |
| Aktionen und Zusammenkünfte der queer-feministischen Szene zu besuchen. Sie | |
| hätten sich anschließend über persönliche Einschätzungen und Kenntnisse | |
| über Personen dieser Szene und deren private Verhältnisse ausgetauscht, | |
| bereut Müller heute. | |
| Besonders perfide sei gewesen, dass sie von Iris P. regelmäßig aufgefordert | |
| worden sei, queere Demonstrationen und Aktionen zu fotografieren, um sich | |
| anschließend die Fotos anzusehen. Teilweise habe sie um Abzüge oder | |
| Übergabe der Speicherkarte gebeten. Zudem habe Iris P., die in ihrer | |
| Tarnwohnung im Wohnblock an der Bundesstraße keinen eigenen Computer besaß, | |
| regelmäßig ihren Computer benutzt, zu dem sie in ihrer Abwesenheit | |
| unkontrolliert Zugang gehabt habe, sagt Müller. | |
| „Die verdeckt ermittelnde Polizeibeamtin Iris P. verschaffte sich durch die | |
| Beziehung Zugang zu Informationen, die ihr sonst verschlossen geblieben | |
| wären“, beklagt die innenpolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion | |
| in der Bürgerschaft, Christiane Schneider. Sie berät Müller, die wegen der | |
| traumatischen Ereignisse völlig anonym bleiben möchte. | |
| In einer schriftlichen Stellungnahme der Polizei in dem Verfahren hatte die | |
| heute 43-jährige Staatsschützerin Iris P. noch bestritten, dass es eine | |
| „Beziehung zum Zweck der Datenerhebung gegeben“ habe. | |
| Schneider hingegen hält die Version der Polizei, dass die Vorgesetzten der | |
| Ermittlerin, denen sie fast täglich Bericht erstatten musste, von der | |
| Liebesbeziehung nichts gewusst hätten, für „unglaubwürdig“. Sogenannte | |
| „Romeo“-Einsätze sind nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts | |
| rechtswidrig. Doch das Verwaltungsgericht kann den Fall aufgrund des | |
| Geständnisses des Staatsschutzes nun nicht weiter aufklären. | |
| Schneider erwartet dennoch Konsequenzen von Polizei und Senat. „Ich fordere | |
| die vollständige Löschung aller von Iris P. erhobenen Informationen, vor | |
| allem die noch beim Landesamt für Verfassungsschutz gespeichert sind“, sagt | |
| Schneider. Sie halte zudem an der Forderung fest, nicht länger verdeckte | |
| Ermittlungen in politischen Szenen durchzuführen. | |
| *Name geändert | |
| 13 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Kai von Appen | |
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