# taz.de -- Ausspitzelung der linken Szene Hamburgs: Polizeiliches Eingeständn… | |
> Hamburgs Polizei erklärt ihren Undercover-Einsatz der Agentin Iris P. | |
> beim Radio FSK für rechtswidrig. Das hatte sie bislang bestritten. | |
Bild: Ziel des Polizeiinteresses: Der alternative Sender FSK | |
HAMBURG taz | Hamburgs Polizei gibt nun doch klein bei: Vor dem Hamburger | |
Verwaltungsgericht hat das Landeskriminalamt (LKA) nun eingeräumt, dass der | |
dreijährige Undercover-Einsatz der Staatsschützerin Iris P. beim linken | |
Radio „Freies Sender Kombinat“ (FSK) doch rechtswidrig gewesen ist. Damit | |
erkennt die Polizei den Einsatz der unter dem Tarnnamen „Iris Schneider“ | |
operierenden verdeckten Ermittlerin als Eingriff in die Rundfunk und | |
Pressefreiheit an. | |
„Nach nochmaliger Überprüfung und Bewertung der Rechtslage ist einzuräumen, | |
dass die verdeckte Mitarbeit der Beamtin unter der Legende ‚Iris Schneider‘ | |
in den Jahren 2003 bis 2006 und das in diesem Zusammenhang erfolgte | |
Betreten von Räumlichkeiten (…) rechtswidrig waren“, schreibt kurz und | |
knapp die LKA-Rechtsabteilung an das Verwaltungsgericht. | |
Die Polizei erkennt damit die Klage des Senders wegen schwerwiegender | |
Verletzung der Presse- und Rundfunkfreiheit an, die am 4. November | |
vergangenen Jahres exakt ein Jahr nach der Enttarnung der heute 43-Jährigen | |
Spionin eingereicht worden ist. Das Gericht kann nun formell ohne | |
Beweisaufnahme ein sogenanntes Anerkenntnisurteil verkünden. „Es ging auch | |
darum, festzustellen, dass das regelmäßige Betreten und Aufhalten in den | |
Redaktionsräumen durch Iris P. rechtswidrig war“, sagt FSK-Anwalt Carsten | |
Gericke. | |
Das war vor drei Monaten von Polizeijustiziar Jens Stemmer in der | |
Klageerwiderung an das Verwaltungsgericht noch bestritten worden: entgegen | |
anderslautender Statements von dem damaligen Innensenator Michael Neumann | |
(SPD) und dem Polizeipräsidenten Ralf Meyer im Innenausschuss der | |
Bürgerschaft sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. | |
Der verdeckte Einsatz, so das Argument des Polizeijustiziars, sei nicht zu | |
beanstanden, da das Radio FSK kein nach der Rundfunkfreiheit geschütztes | |
Medium, sondern als „Mitmachradio“ und „offenes Mikrofon“ anzusehen sei. | |
Den FSK zeichne aus, dass „dessen Sendegruppen gerade nicht auf Abschottung | |
bedacht waren“ und „prinzipiell für jeden zugänglich, also im besten Sinn… | |
des Wortes öffentlich“ seien, so Stemmer. Das Betreten des Radiosenders, | |
das Senden und das Betreten von Privatwohnungen durch Iris P. seien wegen | |
ihres Status als verdeckte Ermittlerin für den Generalbundesanwalt zulässig | |
gewesen, erklärt Stemmer weiter. Und auch das „Mitschwimmen“ im sozialen | |
Umfeld des FSK – inklusive der zwei längeren sexuellen Beziehungen – sei | |
nicht verboten gewesen. | |
## Vernehmung von Iris P. kam in Betracht | |
Dass die Polizei jetzt die Notbremse zieht, kann daran liegen, dass den | |
politisch Verantwortlichen die Diskrepanz zwischen politischen und | |
juristischen Verlautbarungen zu groß war. Ein weiterer Grund könnte sein, | |
dass die Polizei die Staatsschutzpraktiken im Verborgenen lassen möchte. | |
Denn das Verwaltungsgericht hatte die Einlassung der Polizei wohl für wenig | |
schlüssig gehalten und deshalb aufgefordert, die Akten zur „Operation Iris | |
Schneider“ vorzulegen. Sogar eine Vernehmung der Staatsschützerin Iris P. | |
in einer mündlichen Verhandlung kam in Betracht, da sie nicht mehr unter | |
dem Hinweis auf ein laufendes Disziplinarverfahren vom | |
Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen kann. | |
Dieses Disziplinarverfahren ist nach Angaben von Polizeipräsident Meyer | |
wegen Verjährung eingestellt worden. Nur ihre Vorgesetzten sind wegen | |
Verletzung der Beratungs- und Fürsorgepflicht sanktioniert worden, da sie | |
die sexuellen Beziehungen von Iris P. offenbar gebilligt hatten. | |
„Das ist höchst ungewöhnlich, dass die Polizei innerhalb von drei Monaten | |
ihre Meinung total ändert und unserer Rechtsauffassung folgt“, sagt | |
FSK-Anwalt Gericke. „Das Ziel, im Wege der Klage weiter zur Sachaufklärung | |
beizutragen, werden wir nun wohl nicht erreichen“, räumt indes Martin | |
Trautvetter vom FSK ein. Dennoch sei das FSK natürlich froh über diese | |
Entwicklung. „Für uns war und ist es wichtig, auf einer gerichtliche | |
Feststellung des Eingriffs in die Pressefreiheit zu bestehen“, bekräftigt | |
Trautvetter. | |
Dass die Polizei trotz gegenteiliger Aussagen im Innenausschuss der | |
Bürgerschaft in diesem Verfahren zunächst versucht hatte, den Einsatz einer | |
Polizeispitzelin im FSK zu einer Bagatelle zu machen und zu rechtfertigen, | |
„hat die Notwendigkeit unserer Klage noch einmal deutlich unterstrichen“, | |
sagt Trautvetter. | |
10 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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