# taz.de -- Verfassungsschutz in der Kritik: Reporter bespitzelt | |
> Hamburger Verfassungsschutz räumt die Observation des FSK-Reporters | |
> Werner Pomrehn ein. Verdächtig machten ihn Berichte über linke Themen. | |
Bild: Zielobjekt: Werner Pomrehn vom Radion FSK | |
HAMBURG taz | Der Hamburger Verfassungsschutz hat JournalistInnen, die über | |
die linke Szene berichten, als potenzielle Verfassungsfeinde ins Visier | |
genommen. Der Reporter des linken Radios „Freies Sender Kombinat“ (FSK), | |
Werner Pomrehn, steht daher seit mindestens 17 Jahren unter Beobachtung des | |
Inlandsgeheimdienstes. | |
Über ihn seien personenbezogene Daten gespeichert worden, hat das Landesamt | |
für Verfassungsschutz (LfV) auf Anfrage von Pomrehns Anwalt Ralf Ritter | |
eingeräumt. Seit dem Jahr 2000 lägen Anhaltspunkte für den Verdacht vor, | |
dass der FSK-Reporter an „linksextremistischen Bestrebungen“, die gegen die | |
freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet gewesen seien, | |
teilgenommen und diese unterstützt habe. | |
Der Vorstand des FSK ist entsetzt. „Die offenbar durchgängige Observation | |
betrifft redaktionelle Vorgänge und stellt damit eine willkürliche | |
Einschränkung der Presse- und Rundfunkfreiheit dar“, teilte er mit. Pomrehn | |
ist nicht der erste Berichterstatter linker Medien, der wegen seiner | |
Tätigkeit ins Visier des Verfassungsschutzes geraten ist. 2016 war bekannt | |
geworden, dass die taz-Fotojournalistin [1][Marily Stroux 25 Jahre lang] | |
vom Inlandsgeheimdienst beobachtet wurde. | |
Pomrehn habe „regelmäßige Kontakte zu Gruppierungen und Angehörigen der | |
autonomen Szene“ unterhalten, teilte der Verfassungsschutz mit. So habe er | |
sich im Jahr 2000 an Aktivitäten gegen einen Neonazi-Aufmarsch und an einer | |
Antifaschistischen Veranstaltungswoche beteiligt. | |
Dem LfV sei zwar seit April 2003 bekannt, dass Pomrehn für das FSK tätig | |
sei, welches nicht generell als Teil linksextremistischer Bestrebungen | |
unter Beobachtung stehe. „Allerdings liegen hier zahlreiche Erkenntnisse | |
vor, dass Linksextremisten das FSK regelmäßig für Ihre Agitation nutzen“, | |
schreibt der Inlandsgeheimdienst. | |
Verdächtig findet das LfV, dass die Schwerpunkte von Pomrehns Arbeit als | |
Lokalreporter bei Themen wie Antifaschismus, Gentrifizierung, | |
Anti-Atomkraft und der Situation der räumungsbedrohten Roten Flora gelegen | |
habe. 16 verschiedene Vorkommnisse listet der Verfassungsschutz auf, die | |
ihm verdächtig erscheinen. So sei Pomrehn bei einer Demonstration gegen die | |
Räumung des Bauwagenplatzes Bambule vorläufig wegen Verstoßes gegen das | |
Versammlungsgesetz in Gewahrsam genommen worden. „Wir standen auf der | |
Straße und haben über Handy live berichtet und sind abgegriffen worden“, | |
sagt Pomrehn. | |
2003 habe Pomrehn in der Pressestelle der Polizei angerufen und sich über | |
Festnahmen bei einer Demonstration erkundigt. Diese Gespräche mit | |
Pressesprecher Ralf Kunz habe er ohne dessen Wissen aufgezeichnet und | |
gesendet. In der Tat kam es deshalb am 25. November 2003 auf Drängen der | |
Polizei auf der Suche nach den Mitschnitten beim FSK zu einer Razzia wegen | |
des Vorwurfs der „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“. Das | |
Bundesverfassungsgericht rügte die Maßnahme später als eklatanten Eingriff | |
in die Rundfunkfreiheit. | |
Verdächtig schienen dem Nachrichtendienst auch eine Reihe weiterer | |
Aktivitäten Pomrehns: 2007 habe er über eine Infoveranstaltung in der Roten | |
Flora zum sogenannten Wasserturmverfahren berichtet. Angeklagt waren zwei | |
Aktivisten gegen das Mövenpick-Hotel im Wasserturm des Schanzenparks. | |
## Verfassungsschutz hat genau hin geschaut | |
2011 habe Pomrehn an einer Mobilisierungsveranstaltung in den ehemals | |
besetzen Häusern der Hafenstraße zum Widerstand gegen den | |
Einheitsfeierlichkeiten in Bonn teilgenommen: „Herr Pomrehn war anwesend, | |
um die Sendung für den Radiosender FSK aufzunehmen.“ 2013 habe er aus | |
Anlass von Verkaufsgerüchten an einer „Autonomen Vollversammlung“ der Roten | |
Flora teilgenommen, auf der über die Möglichkeiten zur Verteidigung des | |
Projektes diskutiert wurde. | |
Als verfassungsfeindlich wertet das LfV auch, dass Pomrehn sich 2015 in der | |
Berliner Zeitung zu der verdeckten Ermittlerin Iris P. mit dem Tarnnamen | |
„Iris Schneider“ zu Wort meldete. Die Polizistin hatte von 2003 bis 2006 | |
den FSK infiltriert. Pomrehn bezeichnete die Aussage als unwahr, die | |
Polizeiführung habe von dem Wirken ihrer Ermittlerin beim FSK nichts | |
gewusst. Pomrehns Einschätzung ist inzwischen von der Polizei als wahr | |
eingeräumt worden. | |
Der Verfassungsschutz macht keinen Hehl daraus, dass die nun preisgegebene | |
Datensammlung über Pomrehn nur ein Extrakt ist. Weitere Auskünfte würden | |
nach dem Hamburgischen Verfassungsschutzgesetz verweigert, „da durch die | |
Auskunftserteilung Nachrichtenzugänge des LfV Hamburg gefährdet sein | |
können, die Ausforschung der Arbeitsweise des LfV Hamburg zu befürchten | |
ist“ und somit das Auffliegen von Spitzeln möglich sei. | |
Pomrehn hat die Deutsche Journalisten Union in der Gewerkschaft Ver.di und | |
den Hamburger Datenschutzbeauftragten eingeschaltet. „Wir werden an den | |
Verfassungsschutz herantreten und prüfen, ob die Auskunft zu Recht | |
verweigert worden ist“, sagt die Sachbearbeiterin des Datenschützers, Okşan | |
Karakuş. Dabei werde parallel geprüft, ob die Speicherung rechtmäßig war. | |
15 Feb 2018 | |
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[1] /Marily-Stroux-ueber-ihre-Beobachtung-durch-den-Verfassungsschutz/!5318746 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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