| # taz.de -- Ausländerpolitik in Frankreich: Skepsis scheint angebracht | |
| > In den ersten Wochen von Macrons Regierung hat sich an der Situation in | |
| > Paris, in Calais und an der französisch-italienischen Grenze nicht viel | |
| > getan. | |
| Bild: Die französische Polizei bei der Kontrolle von Migranten in Calais | |
| Paris taz | Von Emmanuel Macron erwartet Odile Ghermani nicht viel. „Wir | |
| sind besorgt, sehr besorgt.“ Hinter den butterweichen Formulierungen stecke | |
| ein unbarmherziger, harter Kern. „Was er will, ist die Inklusion der | |
| Bessergestellten. Von den sans papier, den Menschen ohne Aufenthaltstitel, | |
| spricht er noch nicht einmal.“ | |
| Und er hat einen Hardliner zum Innenminister gemacht: Gérard Colomb, | |
| ehemaliger Bürgermeister von Lyon und nomineller Sozialist. Er hat früher | |
| bereits für eine sehr strikte Auslegung des Asylrechts plädiert und will | |
| alle ausweisen, die aus ökonomischen Gründen ins Land kommen. Der Front | |
| National hat in dieser Frage das gesamte politische Feld weit nach rechts | |
| gezogen. | |
| Von 2004 bis 2011 war Frankreich EU-weit das wichtigste Zielland für | |
| Schutzsuchende. Seither stieg die Anzahl der Asylanträge von 50.000 2012 | |
| auf 76.000 im letzten Jahr. Damit liegt Frankreich aktuell an fünfter | |
| Stelle in Europa, hinter Deutschland, Italien, Ungarn und Schweden. 10.000 | |
| Syrer hat Frankreich versprochen aufzunehmen, aktuell sind es nur 3.000. | |
| „Man muss sich einmal ansehen, was Deutschland im Vergleich geleistet hat“, | |
| sagt Ghermani. „Das ist eine Schande für uns.“ | |
| Ghermani arbeitet mit Menschen in Abschiebehaft. Der Knast liegt in | |
| Vincennes, 180 Plätze für Männer, 40 für Frauen; es gibt noch ein weiteres | |
| Gefängnis in Roissy, wo Familien festgehalten werden. „Die sperren Kinder | |
| ein, das muss man sich einmal vorstellen“, sagt Ghermani – eine Maßnahme, | |
| die unter François Hollande legal wurde. Der Sozialist, der seine | |
| Präsidentschaft mit vielen Versprechungen für Einwanderer begann, „hat | |
| nichts zustande gebracht. Gar nichts.“ | |
| Und der neue Präsident? „Wir haben nie geglaubt, dass Macron ein Humanist | |
| ist.“ Zwar sei er umgänglich und gefällig, aber wie die meisten Franzosen | |
| „mag er keine armen Einwanderer. Es ist am Ende keine Frage der | |
| Nationalität, sondern eine des Geldes.“ Versprochen hat er eine | |
| Neuverhandlung des Abkommens von Dublin, von dem 80 Prozent der | |
| Asylsuchenden in Frankreich betroffen sind. „Wir befürchten eine | |
| Verschlimmerung der Situation.“ | |
| ## Unterschiede bei den Kandidaten | |
| Währenddessen füllt sich das Lager in Calais wieder. „Wir drehen uns im | |
| Kreis.“ Von Lösungen ist man weit entfernt, auch weil die humanitären | |
| Vereine und Initiativen nicht sehr effektiv sind. Viele Opfer von Rassismus | |
| zum Beispiel vertrauten ihnen nicht mehr, sondern gründeten lieber eigene | |
| Gruppen. | |
| „Es ist natürlich zu früh, jetzt ein Urteil zu fällen“, sagt François | |
| Dubost von Amnesty International. „Aber es gibt Anzeichen.“ Macron hatte | |
| während seiner Präsidentschaftskampagne Bereitschaft gezeigt, die Prozedur | |
| der Registrierung zu verbessern und mehr Schutzsuchende aufzunehmen. | |
| Die Kandidaten der Parlamentswahl klangen jetzt bisweilen weniger | |
| eindeutig. „Es ist natürlich so, dass sich bei En marche Kandidaten aus | |
| vier verschiedenen Parteien einbringen, und die Unterschiede von Kandidat | |
| zu Kandidat sind in dieser Frage sehr groß.“ | |
| In den ersten Wochen der neuen Regierung jedenfalls hat sich an der | |
| Situation in Calais, an der französisch-italienischen Grenze und in Paris | |
| nicht sehr viel getan. Das kann Taktik gewesen sein – im Wahlkampf spielte | |
| das Thema kaum eine Rolle, konkrete Maßnahmen hätten wohl zu polemischen | |
| Diskussionen geführt. Das ist die optimistische Lesart. | |
| Die pessimistische lautet, dass die jetzige Regierung „absolut keine Lehren | |
| aus zwanzig Jahren Calais gezogen hat“, so François Dubost, und sich die | |
| Szenen der letzten Jahre in diesem Winter wiederholen werden. Im letzten | |
| Winter war das Camp geräumt worden, jetzt befinden sich wieder mehrere | |
| hundert Personen dort. „Wir brauchen eine Politik, die die persönlichen | |
| Rechte der Menschen respektiert, und keine Politik der Zahlen“, so Dubost. | |
| „Aber wir sind in einer Logik der Verdrängung.“ | |
| 18 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Frederic Valin | |
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