# taz.de -- Kommentar Parlamentswahl Frankreich: Das Unbehagen der Bevölkerung | |
> Eine Mehrheit der Stimmberechtigten verweigert sich der Abstimmung. Der | |
> Nährboden für den rechtsextremen Populismus existiert unverändert. | |
Bild: In der Minderheit am Sonntag: Die Wahlbeteiligung hat einen historischen … | |
Frankreichs Wählerinnen und Wähler haben ihrem neuen Präsidenten Emmanuel | |
Macron eine Lektion erteilt: seine Macht soll sich nicht in Hochmut | |
verwandeln. Seine Regierung bekommt in der Nationalversammlung eine | |
absolute Mehrheit, die sie handlungsfähig macht. Aber nicht eine so | |
Übermacht von bis zu vier Fünfteln der Sitze, wie dies die Umfragen nach | |
dem ersten Wahlgang in Aussicht gestellt hatten. Das wollten vielleicht | |
selbst die Macron-Anhänger nicht. | |
Dass bei den Stichwahlen das Endergebnis entsprechend auf eine Mehrheit in | |
etwas normaleren Dimensionen korrigiert werden konnte, spricht für ein | |
funktionierendes Wahlsystem. Die Botschaft des Stimmvolks an die Regierung | |
ist dabei ebenso deutlich wie die Mehrheit, die diese bekommt: Die | |
Popularität des neuen Staatschefs ist kein Grund zu Übermut oder Arroganz. | |
Die verschiedenen Oppositionsparteien wurden auch nicht auf ein | |
lächerliches Minimum reduziert – auch wenn einige von ihnen das aufgrund | |
ihrer Vergangenheit verdient gehabt hätten. Und neu ist die französische | |
Linke neben einer stark dezimierten Gruppe von Sozialisten (und einem | |
einzigen Grünen) mit einer Fraktion von „Unbeugsamen“ und Kommunisten mit | |
rund dreißig Abgeordneten vertreten. Das erlaubt den Gegnern der geplanten | |
liberalen Reformen einen effektiven Widerstand. | |
Trotz dieser positiven Auswirkungen des Votums kann nicht übersehen werden, | |
dass die Wahlbeteiligung einen historischen Tiefpunkt erreicht hat. Das | |
liefert nicht gerade ein Bild einer perfekten Demokratie. Im Gegenteil | |
kommt damit das weiterhin starke Unbehagen ganze Bevölkerungsteile mit dem | |
politischen System und deren Vertretern und darüber hinaus mit den sozialen | |
und wirtschaftlichen Verhältnissen zum Ausdruck. | |
## Drohenden Neuauflagen des Faschismus | |
Die „Demokratieverweigerung“ durch eine Mehrheit der Stimmberechtigten | |
erinnert daran, dass der Nährboden für den rechtsextremen Populismus | |
unverändert existiert. Dass der Front National wegen des | |
Mehrheitswahlrechts wie eine Randgruppe lediglich mit Marine Le Pen und | |
sieben anderen Abgeordneten vertreten ist, könnte leicht einen falschen | |
Eindruck geben. | |
Macron und seine Regierung haben jetzt den Auftrag, die französischen | |
Verhältnisse mit Entschiedenheit und sozialpolitischer Finesse zu | |
verbessern. Falls ihnen das nicht rasch gelingt und er scheitert wie sein | |
Vorgänger François Hollande, dürfte der Weg für Le Pen bereitet sein. Dann | |
könnte sich Bertolt Brechts düstere Ahnung aus dem „Arturo Ui“ zu drohend… | |
Neuauflagen des Faschismus bestätigen: „Der Schoss ist fruchtbar noch, aus | |
dem das kroch…“ | |
19 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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