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# taz.de -- Rücktritte in Frankreich: Minister en marche
> Nach Verteidigungsministerin Sylvie Goulard geben auch Justizminister
> François Bayrou und Europaministerin Marielle de Sarnez ihren Posten auf.
Bild: Saßen nur kurz am Kabinettstisch: François Bayrou und Marielle de Sarnez
Paris taz | Noch vor einer für Mittwochnachmittag angekündigten
Regierungsumbildung haben insgesamt vier wichtige Minister ihren Rücktritt
eingereicht. Mit Justizminister François Bayrou, Verteidigungsministerin
Sylvie Goulard und Marielle de Sarnez handelt es sich um die Führungsspitze
des zentrumsdemokratischen Koalitionspartners Modem (Mouvement démocrate)
sowie den Ex-Sozialisten Richard Ferrand. Durch die Demission der
Modem-Minister wird das Gleichgewicht in der Regierungskoalition infrage
gestellt.
Im Nachhinein erweist sich Emmanuel Macrons erstes Ministerkabinett nach
seinem Triumph bei den Präsidentschaftswahlen bereits als politischer
Fehlstart. Der Präsident ist bereits mit seiner ersten Regierungskrise
konfrontiert. Nach seinem folgerichtigen Sieg bei der Neuwahl der
Abgeordneten der Assemblée nationale hatte die Interimsregierung von
Premierminister Edouard Philippe traditionsgemäß den Rücktritt eingereicht.
Die Ernennung der zukünftigen definitiven Minister sollte eigentlich eine
reine Formsache sein.
In der Zwischenzeit aber sind mehrere der wichtigsten Regierungsmitglieder
von ihrer Vergangenheit eingeholt. Das betrifft nun nicht mehr nur den
Ex-Minister für territorialen Zusammenhalt, Richard Ferrand, der in seinem
bretonischen Wahlkreis trotz Ermittlungen wegen Begünstigung seiner
Partnerin bei Immobiliengeschäften als Abgeordneter bestätigt worden ist.
Ferrand, gegen den kein Strafverfahren läuft, fühlt sich durch dieses
Volksurteil moralisch rehabilitiert. Er hatte dennoch seinen Rücktritt als
Minister angekündigt, um in Zukunft Fraktionschef der Bewegung La
République en marche (REM) zu werden.
Viel größere Konsequenzen dürfte der Rücktritt der drei Modem-Minister
haben. Anlass dieser Demissionen ist die Untersuchung in Zusammenhang mit
der Beschäftigung von parlamentarischen Assistenten durch mehrere
Modem-Mitglieder. Auch für Bayrou, der durch Aussagen früherer Assistenten
selbst nicht belastet worden ist, wurde damit die Lage in doppelter
Hinsicht kompliziert oder gar unhaltbar, da er Gründer und Parteichef des
Modem ist und zugleich als Justizminister Einfluss auf die Prozeduren
nehmen könnte.
Besonders heikel wurde seine Position, weil Bayrou mit einer
Gesetzesvorlage für die von Macron versprochene „Moralisierung der Politik“
zuständig war. In diesem Gesetz soll die Transparenz verbessert, die
Beschäftigung von Familienangehörigen durch Parlamentarier untersagt und
das Risiko von Interessenkonflikten reduziert werden.
## Mehr Sozialisten und Konservative?
Natürlich können diese neuen Artikel, die im Sommer dem Parlament zur
Verabschiedung unterbreitet werden, nicht rückwirkend angewandt werden.
Doch für die öffentliche Meinung gelten diese viel strengeren Kriterien
dennoch bereits. Und dies erst recht für Leute, die wie Bayrou anderen
Lektionen in Sachen Moral und Redlichkeit erteilen wollten.
Doch wer anderen Tugend predigt, darf selbst keine Angriffsfläche bieten.
Bisher galt als ungeschriebene Regel, dass ein Minister zurücktritt, wenn
ein Strafverfahren wegen mutmaßlicher Delikte eingeleitet wird. Jetzt
reicht wegen des Misskredits der Parteien schon der bloße Verdacht auf ein
unmoralisches Verhalten oder der fahrlässige Umgang mit öffentlichen
Geldern in der Vergangenheit.
Marielle de Sarnez, Bayrous rechte Hand seit vielen Jahren, wird
verdächtigt, wie andere Modem-Mitglieder von ihr beschäftigte
parlamentarische Assistenten der Partei zur Verfügung gestellt zu haben.
Der Namen der Verteidigungsministerin Sylvie Goulard fiel auch im
Zusammenhang mit dieser Affäre. Sie trat aus eigener Darstellung zurück, um
sich ungehindert gegen unbegründete Anschuldigungen verteidigen zu können.
Das Ausscheiden der Modem-Leute kann es Macron erlauben, zusätzlich
bisherige Konservative oder Sozialisten in die Regierung zu holen und so
einerseits die Koalition zu erweitern und die Spaltung in diesen beiden
Parteien zu verstärken.
21 Jun 2017
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Parlamentswahlen Frankreich
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François Bayrou
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