# taz.de -- 60er-Jahre-Mode als Revolution: Bruch mit dem bürgerlichen Habitus | |
> In den 60er-Jahren galt kaum etwas als freier und rebellischer: die | |
> Kleidung junger Menschen auf den Laufstegen und Straßen. | |
Bild: Yves Saint Laurent rettete die Haute Couture – mit Jeans und Lederjacken | |
Anfang der sechziger Jahre setzte sich eine ganze Generation von Musikern, | |
Künstlern, Filme- und nicht zuletzt Modemachern mit Talent, Spürsinn und | |
vor allem Entschlossenheit gegen die überkommenen Spielregeln ihrer | |
Metiers, aber auch der Gesellschaft zur Wehr, um sie selbst neu zu | |
definieren. | |
Eigentlich galt das für die ganze Generation der Jugendlichen dieser Zeit. | |
Sie rebellierte nicht nur, sie entwarf eine Gegenkultur, die sie vehement | |
öffentlich propagierte. Folglich war die Gegenkultur von Anfang an | |
unternehmerisch beschaffen. | |
Mehr noch als die Konsumenten waren die jugendlichen Akteure erst einmal | |
die Produzenten ihres Lebensstils. Sei es als Pop- und Rockmusiker, sei es | |
als Computerbastler in den Garagen Kaliforniens oder als Verleger und | |
Buchhändler wie die von „Zweitausendeins“, um nur einige signifikante | |
Beispiel zu nennen. | |
Wichtige Akteure der Gegenkultur waren die Newcomer im Modebereich: Frauen, | |
denen es aufgrund der Zeitumstände gelang, sich von der Boutiquenbesitzerin | |
zur maßstabsetzenden Modemacherin weiterzuentwickeln wie die Britin Mary | |
Quant, die Französin [1][Sonia Rykiel], aber auch die Deutsche Jil Sander. | |
Ihre Kundinnen machten sie stark. Eine typische Boutiquenkäuferin war | |
Brigitte Bardot. Sie wolle sich nicht von Coco Chanel einkleiden lassen, | |
weil sie befand, Chanel sei etwas für alte Leute. | |
## Jeans und Lederblousons auf dem Catwalk | |
Letztere frequentierten dann auch mehr und mehr die Boutiquen, um nicht | |
ganz so alt auszusehen. Die zeitgemäße Antwort, die Haute Couture vor dem | |
Untergang zu retten, lieferte [2][Yves Saint Laurent] mit Prêt-à-porter. | |
Die Modehauptstadt Paris konnte gerettet werden, die Dame nicht. | |
Entsprechend groß war das Entsetzen über Yves Saint Laurents Vorstoß: Noch | |
nie waren in Paris Jeans oder Lederblousons auf dem Laufsteg zu sehen | |
gewesen. Die sah man doch nur in den Straßen! Womöglich bei den | |
rebellischen Studenten im Mai 1968. | |
Jeans und Lederjacken sind – wie die Fotos zeigen – die prägenden | |
Kleidungsstücke der Zeit, vor allem der männlichen Jugendlichen. | |
Gleichzeitig ist zu erkennen, dass der Bruch mit dem bürgerlichen Habitus | |
nicht so radikal ist wie die Selbstreklame behauptet. | |
Die Jungs tragen noch Hemden statt T-Shirts, die Studentinnen auch mal | |
Kostüm, allerdings mit kniehohen Schaftstiefeln: für die vorbildliche | |
damenhafte junge Frau ein Ding der Unmöglichkeit, ebenso wie der | |
Mittelscheitel und das freifliegende lange glatte [3][Haar]. | |
## Netzstrumpfhosen für die nicht so Mutigen | |
Als neues Produkt verändert die Strumpfhose radikal das Erscheinungsbild | |
der jungen Frau. | |
Auch wenn sie sich nicht an den Mini herantraut, hat sie wenigstens | |
farbenfrohe Beine. Die Bräute der Revolution tragen, lange vor den Punks | |
schon, Netzstrumpfhosen oder auch Overknee-Stiefel zum kurzen | |
Hängerkleidchen. | |
Goldene Kettengürtel sind en vogue und Knautschlackjacken und -mäntel | |
dermaßen hip, dass sogar die Haute Couture die Pelze nach innen dreht und | |
die Lederseite mit Lack versieht. Orange ist die Farbe der Stunde, und es | |
kommt definitiv nicht von Hermès. | |
30 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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