# taz.de -- LGBTI*-Medien und Politik: Ohne Blasen geht es nicht | |
> Haben sexuelle Minderheiten in ihren „Filter Bubbles“ schuld, dass Donald | |
> Trump in den USA Präsident werden konnte? Klarstellungen. | |
Bild: Prinzip Seifenblase: Fliegende LGBTI*-Blasen sind hübscher und besser al… | |
Mark Lilla, Ideenhistoriker an der New Yorker Columbia University, | |
kritisierte in der New York Times unmittelbar nach Donald Trumps | |
Wahlkampfsieg die Demokraten. Sie, die lieber Hillary Clinton wollten, | |
seien eine Mixtur aus Minderheiten, die kommunikativ nur um sich selbst | |
kreisten. Sie hätten das große Ganze, das Gemeinwohl des Landes, aus den | |
Augen verloren. | |
Gemeint war vor allem, was Sexuelles thematisierte, vornehmlich durch | |
LGBTI*-Szenen. Diskurspromis wie [1][Slavoj Žižek] und hierzulande etwa | |
der Sozialpsychologe Harald Welzer äußerten sich ähnlich: Identitätspolitik | |
sei fatal dafür verantwortlich, einen erratischen Menschen wie Trump an der | |
Macht ermöglicht zu haben. | |
Dem Kampf der Demokraten ums Weiße Haus habe der mobilisierende Fokus | |
gefehlt: Die weiße, abgehängte Arbeiterklasse, arbeits- und perspektivlos, | |
Opfer der Globalisierung, anfällig für die giftig-falschen Verheißungen des | |
Populisten Trump. Linke müssten raus aus ihren „bubbles“, aus den | |
„[2][Blasen]“, in denen es nur um Selbstbestätigung gehe. | |
An dieser Kritik war manches richtig (nein, die sexuellen und identitären | |
Fragen sind wirklich nicht die alles entscheidenden Punkte), aber eben auch | |
vieles falsch. | |
## Die Blase schützt | |
Der an der Stanford University lehrende Germanist Adrian Daub sagte: „In | |
der ‚Blase‘ der eigenen Szene zu sitzen, ja, überhaupt in ihr Platz nehmen | |
zu können, ist die Voraussetzung, um an gesellschaftlicher Kommunikation | |
teilhaben zu können.“ Schwule, Lesben und Trans* bräuchten diese „Bubble�… | |
als „Schutzraum“ – das gleiche gilt natürlich auch für nichtweiße | |
Bürger*innen. | |
In der Tat haben sich Lesben und Schwule und Trans* erst mit dem Internet | |
die Foren geschaffen, in denen sie, mit Ausschlüssen von homo- und | |
transphoben Menschen, untereinander debattieren können. Denn die Dinge, die | |
sie zu erörtern haben, handeln wirklich von Selbstverständigung. | |
Aber das klingt viel zu neutral. In diesen „Blasen“ geht es um alles, was | |
Heterosexuelle nicht betrifft. Schwule, Lesben und Trans* leben anders, | |
nehmen die Welt aus einer anderen Perspektive wahr, haben anderen Sex, | |
andere Vorstellungen von der Zukunft, grundsätzlich andere. | |
Wie war es vor dem Internetzeitalter, als Publizität noch an immensen | |
finanziellen Einsätzen hing, es keine Blogs und sozialen Netzwerke gab? | |
## Vor der Blase | |
Ende der sechziger Jahre waren schwule oder lesbische Stimmen und solche | |
von Trans* Objekte des Mitleids, wenn überhaupt, und des Defizitären. Aber | |
meist wurde über Nichtheterosexuelles gar nicht gesprochen, es war – und | |
ist bis heute – ein Themenfeld, das „übersehen“, „überhört“, „ü… | |
und also beschwiegen wurde und wird. | |
Medien schwuler Männer in Deutschland waren Illustrierte wie Du & Ich, | |
später die schwulenbewegte Magnus oder die Siegessäule, noch später das | |
seriösere Magazin Männer – aber bis auf die anzeigenfinanzierte | |
[3][Siegessäule] und andere Stadtmagazine für queere Zielgruppen sind sie | |
alle eingegangen. Jedoch: Mit der [4][L-mag] haben wenigstens lesbische | |
Leser*innen ein modernes Magazin für und durch Lesben. | |
Anders als etwa in den USA mit [5][The Advocate], gibt es in Deutschland | |
kein ansatzweise schwules Forum aktuell-journalistischer Art auf Papier | |
mehr. Der amerikanischen Publikation würde es obendrein nie einfallen, den | |
Kampf um Bürger*innenrechte („Ehe für alle“) als unwichtig zu diffamieren, | |
was hierzulande immer der Fall war – man bevorzugte eher das Lebensstilige | |
am Homosexuellen. Immerhin: [6][queer.de] ist online eine politische und | |
journalistische Newsseite der LGBTI*-Szenen. | |
Insofern: Kritik an „bubbles“ wie von Mark Lilla heißt auch immer, die | |
Wirklichkeiten von Minderheiten im Mainstream aufgehen lassen zu wollen. | |
Und der ist weiß, hetero und überwiegend männlich. Wirklich noch Fragen? | |
28 May 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Macron-oder-Le-Pen/!5403687 | |
[2] /Filterblasen-bei-der-Internetnutzung/!5217490 | |
[3] https://www.siegessaeule.de/ | |
[4] http://www.l-mag.de/ | |
[5] http://www.advocate.com/ | |
[6] http://queer.de | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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