| # taz.de -- Meinungsmache im Netz: Bots schlafen nicht | |
| > Immer öfter imitieren Computerprogramme menschliches Verhalten in | |
| > Online-Netzwerken. Wie groß ihr Einfluss ist, hängt von uns ab. | |
| Bild: Es ist nicht alles Mensch, was twittert | |
| Als der Moderator Lester Holt sich bei den Kandidaten bedankte, legte | |
| Donald Trump die Hände auf sein Pult. Er blickte in die Menge, irgendjemand | |
| schrie „Go Donald, we love you!“, ein Teil des Publikums antwortete mit „… | |
| Hillary!“. Das erste TV-Duell zwischen Trump und Clinton war vorbei. | |
| Als die Menschen an der Ostküste der USA am nächsten Morgen aufwachten, war | |
| #trumpwon, der meistgenutzte Hashtag auf Twitter. Tausende Onlineprofile | |
| verbreiteten Nachrichten mit diesem Spruch. Doch später wurde klar: | |
| Mindestens ein Drittel dieser Trump-Unterstützer waren keine Menschen. | |
| Es waren [1][Bots], Programme, die menschliches Verhalten imitieren. Der | |
| Begriff ist ein abgekürztes „Robot“, bezeichnet also eine Maschine, die | |
| eine bestimmte Aufgabe erledigt, zum Beispiel mit KundInnen kommuniziert, | |
| Fragen beantwortet oder Nachrichtenartikel verschickt. | |
| Klar, Bots sind weder gut noch schlecht. Wie bei allen Werkzeugen kommt es | |
| darauf an, wer sie benutzt, und wie. | |
| ## Social Bots als Multiplikatoren | |
| Als „Social Bots“ werden diejenigen Programme bezeichnet, die in den | |
| sozialen Netzwerken menschliches Verhalten imitieren. Für die NutzerInnen | |
| sehen die Social Bots zunächst aus wie andere Menschen auch: ein Foto, ein | |
| Name, eine kurze Selbstbeschreibung. Wenn hunderte oder tausende von ihnen | |
| beginnen, bestimmte Botschaften zu senden, wirkt das oft wie ein Trend. | |
| #Trumpwon, tausendfach wiederholt von vermeintlichen Menschen an hunderten | |
| verschiedenen Orten, das klingt nach Begeisterung. | |
| Dabei war Trumps Auftritt eher so mäßig gelungen, Experten erklärten | |
| Hillary Clinton zur Punktsiegerin. Aber die Programme machen es einfach, | |
| Begeisterung vorzutäuschen. Einzelne können so ihre Propaganda | |
| vervielfachen. Wie in einem Spiegelkabinett taucht sie plötzlich in allen | |
| Richtungen auf. Twitter informiert seine Nutzer über beliebte Schlagworte | |
| und verstärkt so den Effekt. | |
| Die Bots sind untereinander vernetzt und beginnen auf Befehl, ihre | |
| Botschaften zu senden. Sie können dann beispielsweise ein Schlagwort kapern | |
| und so oft in belanglosem Kontext verwenden, bis echte Diskussionen und | |
| Meinungen zu dem Thema in der Masse untergehen. | |
| Aber: Bewirkt das etwas? Können Bots auch in Deutschland Wahlen | |
| beeinflussen? | |
| ## „Don’t feed the trolls“ – gilt nicht mehr | |
| Im Berliner Betahaus treffen sich die [2][„Schmalbärte“], die besorgten | |
| Bürger der anderen Seite – besorgt durch Bots und Hetze von rechts. Das | |
| amerikanische Nachrichtenportal „Breitbart“, bekannt für Falschmeldungen im | |
| US-Wahlkampf, hatte einen deutschen Ableger angekündigt. | |
| Auch Bots machten Artikel von Breitbart auf Facebook und Twitter publik. In | |
| Berlin trinken nun also Journalistinnen, Grundschullehrer und Studenten | |
| Kaffee aus sehr kleinen Tassen und brainstormen zwischen Sperrholztrennern | |
| Ideen gegen rechte Propaganda. Das ungeschriebene Gesetz, die Hetzer im | |
| Netz zu ignorieren – „don’t feed the trolls“ – gilt nicht mehr. | |
| Zu wichtig erscheinen im Wahljahr die Diskussionen in den Kommentarspalten | |
| und Netzwerken. WissenschaftlerInnen konnten bisher nicht nachweisen, wie | |
| groß der Einfluss von Bots auf die Wählermeinungen wirklich ist. | |
| Stefan Bohacek, Gründer der Initiative „[3][Botmakers]“, die international | |
| Bot-Interessierte zusammenbringt, ist aber überzeugt, dass in der | |
| Veränderung von Diskussionen im Web große Macht steckt: „Viele Menschen | |
| bekommen heutzutage ihre Nachrichten in den sozialen Medien und verfolgen | |
| die Diskurse dort. Sie lesen die Konversationen von anderen Menschen und | |
| stoßen auf Argumente und Fakten, die sie davor nicht in Erwägung gezogen | |
| haben.“ | |
| ## Braucht die Linke Bots? | |
| Wer solche Konversationen automatisiert führt, beeinflusst also nicht nur | |
| die Person, mit der diskutiert wird, sondern auch all jene, die die | |
| Unterhaltung lesen. Die sind klar in der Überzahl. Auf Facebook lesen 60 | |
| Prozent der Menschen einfach nur mit, in den anderen Netzwerken sind es | |
| noch mehr. | |
| Menschen legen mehr Wert auf Gedanken vermeintlich Gleichgesinnter als auf | |
| das, was fremde JournalistInnen verbreiten, auch das ist wissenschaftlich | |
| erwiesen. Diese Homophilie lässt sich mit gut gemachten Bot-Profilen | |
| ausnutzen. | |
| Im Schmalbart-Camp ist eine der diskutierten Konsequenzen diese: Auch die | |
| Linke und die Mitte brauchen Bots. „Wir können den Hetzern nicht das Feld | |
| überlassen, aber gegen diese Masse an Kommentaren kommen wir alleine nicht | |
| an“, sagt einer. „Warum fühlen wir uns plötzlich als Opposition?“, fragt | |
| ein anderer. Diejenigen, gegen die gekämpft werden soll, | |
| AfD-Sympathisanten, Fremdenhasser, Demokratiefeinde, machen doch in | |
| Umfragen lediglich ein paar Prozent aus. Warum sind sie im Internet so | |
| präsent? | |
| Noch sind Bots in Diskussionen destruktiv – etwas anderes lassen die | |
| Mechanismen dahinter kaum zu. Die einfachen Programme können nur stupide | |
| Aufträge ausführen. Menschliche Sprache zu analysieren und darauf zu | |
| reagieren ist bislang noch aufwändig und teuer. Der Aktivist Raul | |
| Krauthausen sieht deshalb für die linke Mitte keine Anwendung für die | |
| Programme: „Als Bewegung, die gegen Hass und Hetze von rechts im Netz | |
| kämpft, sollten wir eher die Strukturen offenlegen, die die Hetzenden und | |
| Populisten benutzen, nicht mit den gleichen Mitteln zurückkämpfen.“ | |
| ## Bots schlafen nicht – so fallen sie auf | |
| „Die Bots zielen auf schiere Masse und simple Aussagen. Sie erlauben es | |
| nicht, Dialoge zu führen – die wir politisch aber gerade brauchen.“ | |
| Der Menschenbonus ist zugleich auch das beste Mittel, um Bots zu entlarven: | |
| Sobald diese Computerprogramme in ein Gespräch verwickelt werden, können | |
| sie den Schein meist nicht aufrechterhalten. | |
| „Offensichtliche Merkmale sind, dass Bots sehr schnell antworten, zu jeder | |
| Tageszeit – Bots schlafen nicht – und dass ihre Nachrichten und Antworten | |
| einem Muster folgen, zum Beispiel bestimmte Schlüsselworte beinhalten“, | |
| sagt Bohacek. Es gebe aber auch Programme, die besser täuschen ,„deshalb | |
| sollte man immer die Originalquelle suchen, bei allem, was man online | |
| findet.“ | |
| Initiativen wie die Website „Bot or Not“ der Indiana University oder das | |
| deutsche Projekt „Botswatch“ sind gute Hilfen bei Unsicherheit. Aber | |
| allgemein gilt: so lange man weiß, dass man vor einem Zerrspiegel steht, | |
| kann auch ein noch so verdrehtes Bild nicht täuschen. | |
| ## Im leeren Raum | |
| Ohne den Menschen als Rezipient können Bots nichts bewirken. Schon jetzt | |
| rufen viele Bots in einen leeren Raum hinein, folgen und unterstützen sich | |
| gegenseitig, werfen sich die immer selben Parolen hin und her. Ihr Ziel, | |
| die echte öffentliche Meinung zu beeinflussen, können sie aber nur | |
| verwirklichen, wenn Menschen ihre Botschaften aufgreifen. Mit menschlichen | |
| Gegenmeinungen umgehen musste die Welt aber schon immer. | |
| Die Antwort auf die Frage „Was tun?“ ist also: reflektieren, durchatmen, | |
| ruhig bleiben. Das gilt für die einzelnen NutzerInnen wie für die Medien, | |
| die die Relevanz bestimmter Diskurse und Themen genau so verzerren können | |
| wie Bots. | |
| 61 Millionen Menschen sind in Deutschland wahlberechtigt. Twitter, das | |
| Netzwerk, in dem Bots den leichtesten Zugang haben und in dem sie am | |
| weitesten verbreitet sind, nutzen in Deutschland nur etwa fünf Millionen | |
| Menschen. | |
| Selbst wenn 15 Prozent davon Bots sind, wie manche Studien nahelegen, ist | |
| es unwahrscheinlich, dass sie die Demokratie gefährden – solange Menschen | |
| nicht unreflektiert Falschaussagen aufgreifen, weiterverbreiten, und sich | |
| davon verunsichern lassen. | |
| 25 May 2017 | |
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| [2] https://www.schmalbart.de/ | |
| [3] https://botmakers.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Marie Kilg | |
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