# taz.de -- Constantin Seibt über Medienvielfalt: Mehr Mainstream, bitte | |
> Der Mitgründer des digitalen Magazins „Republik“ über Texte wie Gemüse, | |
> Guerillataktiken in Presseschlachten und das Faustrecht im Internet. | |
Bild: Nicht nur Katzen bringen Klicks, sondern auch Hintergrundgeschichten | |
taz: Mit eurem Credo „Keine Demokratie ohne Journalismus“ habt ihr | |
innerhalb weniger Tage viel Geld gesammelt und über 11.905 Verleger*innen | |
gewonnen. Was sagt dieser Erfolg darüber aus, was Leser*innen wollen? | |
Constantin Seibt: Leser*innen, egal welchen Alters oder welcher Stellung, | |
sind grundsätzlich neugierig – deshalb lesen sie ja. Und offensichtlich ist | |
falsch, was viele Verlage behaupten: dass den Leuten nichts fehle und sie | |
mehr oder weniger alles lesen wollen. Man sieht das an den Klickzahlen: die | |
Leute klicken [1][Katzenbilder], kleine Skandale und Sexsachen. | |
Noch mehr aber die langen Hintergrundtexte. Das heißt: Sie ernähren sich | |
eigentlich sehr vernünftig. Sie wählen das Dessert und das Steak. Und | |
ignorieren das Gemüse dazwischen. Aber lange und argumentativ saubere | |
Artikel werden stark geteilt. Man kann also den Leser*innen durchaus | |
vertrauen. | |
Eure Chancen und Risiken als Alternativmedium? | |
Auch wenn wir gerade einen Weltrekord im [2][Crowdfunding] aufgestellt | |
haben, ist die Ausgangslage natürlich furchterregend: Wir treten mit rund | |
15 Leuten gegen 150-köpfige Redaktionen an. Und haben unseren Lesern und | |
Leserinnen versprochen, regelmäßig besser sein. Die einzige Chance, das zu | |
erreichen, ist die Guerilla-Taktik. Das heißt: Die Redaktion muss die | |
Schlachtplätze sorgfältig wählen, dort aber in Überzahl auftreten. | |
Als Alternativmedium hat man nur zwei Strategien: Man sucht exotische | |
Schauplätze und ist dort exklusiv. Oder man geht dorthin, wo alle anderen | |
sind – ins Bundeshaus, nach Washington, ins Sillicon Valley, und versucht | |
dort konsequenter, hartnäckiger, ideenreicher zu sein als die große | |
Konkurrenz. | |
Wir werden entschieden letztere Option wählen. Wir müssen bei den großen | |
Themen, Fragen, Debatten einen Unterschied machen. | |
Was muss Gegenöffentlichkeit heute? | |
Ich glaube, [3][Gegenöffentlichkeit] bedeutet heute in ihrer radikalsten | |
Form, dass man versucht den Mainstream ernsthaft wieder herzustellen. Alle | |
möglichen Leute – links wie rechts – versuchen sich derzeit vom Mainstream | |
abzugrenzen. | |
Es braucht aber eine gemeinsame Grundlage aus Werten, Ideen und anerkannten | |
Fakten, um überhaupt zu debattieren, sich zu streiten, seine Interessen zu | |
vertreten. Es ist wichtig, dass eine Gesellschaft darüber nachdenkt bis wo | |
man gehen kann – und ab wo es nicht mehr in Ordnung ist. | |
Gerade auch, was das Netz betrifft, wo die ganze Debatte und Umgangsregeln | |
noch lange nicht festgelegt sind. In weiten Gebieten herrscht noch | |
Faustrecht wie einst im Wilden Westen. Unter Gegenöffentlichkeit verstehe | |
ich deshalb, dass man die Tradition neu erfindet, die man dann energisch | |
verteidigt. | |
Man kann zwar heute sämtliche radikale Positionen formulieren. Das große | |
Ganze aber, das Gemeinwohl zu vertreten, das ist eine echte intellektuelle | |
Herausforderung. | |
1 Jun 2017 | |
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## AUTOREN | |
Gina Bucher | |
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