| # taz.de -- Cat Content in Deutschland: Zu Höherem berufen | |
| > Eine Phalanx aus Katzenhassern fordert Glöckchen um den Hals, Kastration | |
| > und eine Katzensteuer. Eine Gegenrede – auch gegen den Hund. | |
| Bild: Ja, auch die taz sammelt schamlos Klicks mit Katzen | |
| Katzen mag jeder, nörgeln sie. Das ist einfach, entrüsten sie sich. Dabei | |
| seien Katzen gefährlich! Katzenvideos brächten die Menschen auf Pfade der | |
| Unmündigkeit, sie lenkten sie ab vom wirklich Wichtigen und | |
| „infantilisierten“ die „menschliche Gesellschaft“, wie Jörg Albrecht | |
| [1][kürzlich in der FAS schrieb]; „Muschi“ (ja, das stand da wirklich) sei | |
| außerdem eine „Gemetzel“-Maschine, was die Halter ihr jedoch aus lauter | |
| Liebe auch noch „gönnen“ oder „höchstens halbherzig“ tadeln würden. … | |
| seien „ein neoliberaler Ausbund an Egoismus, Rücksichtslosigkeit und | |
| asozialem Verhalten“ – die Katze also zugleich ein Politikum und | |
| unpolitisch. Focus-Mann [2][Hardy Heuer sekundiert]: „Aber Katzen sind ja | |
| so süß und liefern Stoff für ganz tolle Videos, die dürfen das. Von wegen!�… | |
| Die Hater, sie blasen zum Krieg: In Publikationen wie dem jüngst | |
| erschienenen „Cat Wars: The Devastating Consequences of a Cuddly Killer“ | |
| erscheinen belanglose Statistiken mit trilliardesken Zahlen getöteter | |
| Reptilien und Kleintiere; am ergreifendsten jedoch [3][„zu Tode gequälte | |
| Vögel“], denen [4][„der Samtpfotentod erspart bliebe“], würde man im | |
| Gegenzug nur fleißig Katzen töten wie in Australien, wo großflächig | |
| Giftköder ausgelegt werden. | |
| Deutschland ist aber keine Insel. Süße vertrottelte Bodenvögel gibt es hier | |
| nicht, Raubtiere dafür schon – auch wenn jeder zaghaften Renaturierung, wie | |
| im Fall der Wölfe, eine Vielzahl brunftiger Jäger entgegensteht. Außerdem | |
| sei es „müßig, die absoluten Zahlen zu diskutieren, denn man kann von einer | |
| Anzahl getöteter Tiere ohnehin nicht direkt auf eine Bestandsgefährdung | |
| einer oder mehrerer Arten schließen“, findet Vogelschutzexperte Lars | |
| Lachmann vom Naturschutzbund. | |
| Dennoch steht die Katze unter Beschuss: Außer in Nordrhein-Westfalen und | |
| Baden-Württemberg dürfen streunende Katzen von Jägern abgeschossen werden, | |
| bestätigt Jagdökologe Sven Herzog am Telefon. Die dafür nötige Entfernung | |
| vom Siedlungsgebiet differiere je nach Bundesland. Er macht sich wegen der | |
| vielen Katzen (es sollen in deutschen Haushalten mehr als zwölf Millionen | |
| leben, außerdem soll es etwa 2 Millionen verwilderte geben) „Sorgen um die | |
| Biodiversität“ und sieht die Halter in der Verantwortung, potenzielle Opfer | |
| zu schützen, zum Beispiel mithilfe einer Glocke um den Hals ihrer Tiere. | |
| Das sei auf jeden Fall wirksamer als eine Katzensteuer, deren Einführung | |
| von Albrecht und seinen Apologeten aktuell gefordert wird. Aber auch vorher | |
| kam die Forderung immer mal wieder auf, zumeist auf kommunaler Ebene. | |
| Zwischenzeitlich konnte man gar lesen, die Grüne Jugend sei dafür offen. | |
| Die Jägerlobby sowieso. Focus-Heuer: „Wo ist denn sonst bitte die | |
| Gerechtigkeit?“ Es gebe doch auch Hundesteuern. | |
| ## Wildere Gärten mit besseren Verstecken! | |
| Dabei wäre eine Katzensteuer unwirtschaftlich, selbst der Steuerzahlerbund | |
| lehnt sie ab. Und sogar schädlich: Mehr unverantwortliche (oder arme) | |
| Halter würden ihre Katzen dann aussetzen. Mehr davon verwildern. Mehr Vögel | |
| sterben. Zumal ein Großteil der Katzen ja innerhalb von Siedlungen lebe und | |
| sich wegen der hohen „Katzendichte“, wie Herzog es nennt, die Reviere schon | |
| wie nach einem Stundenplan aufteile. Doch in der freien Natur ist häufig | |
| kein Platz mehr für Vögel: „Der Hauptgrund für den Rückgang von Vogelarten | |
| ist der Verlust von geeignetem Lebensraum, insbesondere in der | |
| Agrarlandschaft“, sagt Lachmann – wohingegen die Vogelbestände in | |
| Siedlungen, im Gegenteil, sogar eher zunähmen. | |
| Eine Kastrationspflicht, wie sie auch Jagdverbandschef Hartwig Fischer | |
| befürwortet, würde, anders als Katzensteuern, dem Schutz der Vögel wie der | |
| Katzen dienen. Das unterstützt auch der Naturschutzbund, außerdem weniger | |
| eine Glocke am Hals als vielmehr wildere Gärten mit besseren Verstecken | |
| sowie eine Verringerung des Freigangs für Katzen zur Brutzeit. | |
| ## Ein Liter Hund muss fünf Euro kosten. Mindestens. | |
| Trotzdem eignet sich die Katze ganz prima als Feindbild, denn jeder sieht | |
| ihre Opfer, bekommt sie gar ans Bett gebracht. Nicht Katzenliebe, | |
| Katzenhass ist einfach. Was genau hingegen der Bauer aufs Feld fährt und | |
| wie nachhaltig und gesund das jetzt alles so ist und wie viel Lebensraum | |
| für welche Arten da noch bleibt, kann man schon mal aus dem Blick verlieren | |
| – und das ist wohl auch das Ziel der Antikatzenkampagnen: Ablenkung. | |
| Hunde sind gefährlich, nicht Katzen. Bei ihnen ist Polemik angebracht. | |
| Hunde beißen. Hunde scheißen. Hunde stinken. Deshalb zahlen die Halter | |
| dieser sabbernden, zuckenden Monster ja auch Strafe. Die sollte eigentlich | |
| noch viel höher ausfallen. Wir bräuchten Schockbilder auf Hunden, täten sie | |
| diesen Job nicht schon selbst. Keuchen ihr rosa-infektiöses | |
| Levkojen-Lefzen-Hecheln hervor und glotzen dumm und seelenlos, und hören, | |
| und töten. | |
| Hunde sind lärmende, wackelnde Beißroboter, von bösen Kindergärtnerinnen | |
| dazu erschaffen, kleinen Kindern Angst zu machen. Sie riechen nach | |
| getrockneter Verwesung. Aber Lawinenhunde! Aber Sprengstoffhunde! Hunde | |
| sind Sprengstoff. Man sollte sie sprengen. Ein Liter Hund muss fünf Euro | |
| kosten. Mindestens. Besser „hundert“. | |
| ## Cat Content: Statement gegen Voyeurismus und Spekulation | |
| Hundebesitzer wollen entweder den eigenen Gestank überdecken oder sich an | |
| der Welt rächen. Endlich einmal Stärke spüren, Macht ausüben, am Hund, mit | |
| dem Hund, der so „ein Muster an Treue und Solidarität ist, der sogar häufig | |
| tut, was man ihm sagt“ (Albrecht). Das wiederum kennt der Deutsche noch von | |
| früher bzw. von Opa, manch einem wird da ganz warm ums Herz, aber man wird | |
| ja gleich „in die rechte Ecke gestellt“, wenn man solche Gedanken dem Nafri | |
| zubrüllt. Hunde sind faschistisch und gelten zu Recht als Familienwesen – | |
| kleine Helfer in der „Keimzelle der Volksgemeinschaft“. | |
| Ausnahmen bestätigen die Regel – der absurde Trend zum Bürohund in | |
| Kreativberufen, der bizarre Katzenkult in einigen rechtsextremen | |
| Onlineprofilen. In beiden Fällen liegen Verwechslungen vor. Es soll ja auch | |
| Hartz-IV-Empfänger geben, die FDP wählen, oder Gläubige, die dachten, die | |
| Sonne drehe sich um die Erde oder Angela Merkel sei links. | |
| Katzen im Internet schließlich. Einfach nur Spam? Der, so wie Pornos, die | |
| Hirne benebelt? Verdrängung ermöglicht? Unpolitisch macht und dumm? | |
| „Natürlich sind Katzenvideos die Inkarnation des Banalen“, sagte | |
| Kunstbloggerin Annekathrin Kohout vor einiger Zeit. Aber eben dadurch sei | |
| Cat Content ein ironisches Statement – wie nach den Terroranschlägen von | |
| Brüssel und Berlin, als gegen Spekulationen und Voyeurismus zuhauf | |
| Katzenbilder gepostet wurden. Denn in der Aufmerksamkeitsökonomie sind | |
| „News“ oft eine Farce. Nachrichtensendungen, Push-Mitteilungen, | |
| „Brennpunkte“ und, klar, auch viele Zeitungsartikel reagieren meist nur | |
| kurzatmig und immer gleich verschlagwortend („Eurokrise“, „Obergrenze“, | |
| „Katzensteuer“) auf Politikeräußerungen und vermeintliche Skandale. | |
| ## Was Katzen genau planen, wissen wir nicht | |
| Realität und Simulation sind häufig vertauscht. Bedeutung weicht der Leere. | |
| Da hilft es, mal nicht alles ernst zu nehmen. Natürlich ist das kein | |
| Allheilmittel, und von heroischer Twitterei wird die Welt schon mal gar | |
| nicht gut, wie Sibylle Berg neulich richtig bemerkte – sondern von | |
| Parteiarbeit. Oder eben Revolution. Bei beidem, und auch sonst, hilft | |
| Ironie. | |
| Dafür sind Katzen wie geschaffen. Ihr Verhalten ist rätselhaft, ihre Gesten | |
| sind mehrdeutig und für uns Menschen oft allegorisch, Träger einer in die | |
| Gegenwart aktualisierten Ästhetik der Moderne. Doch es weist darüber | |
| hinaus: „Uns zu gefallen ist aber nicht der Grund ihres Daseins“, | |
| [5][folgert Welt-Autorin Kathrin Spoerr]. In der Tat – Katzen sind zu | |
| Höherem berufen. Was sie genau planen, wissen wir nicht. Es ist utopisch. | |
| Wir können es nicht mal erahnen. Da hilft nur eines: Ergeben Sie sich der | |
| Liebe, der Liebe der Liebe der Katzen. Spüren: Es macht Spaß. Auf der | |
| Straße die Menschen – sie lächeln Sie an. Manchmal ein kurzes Kribbeln im | |
| Fuß, vor Glück. | |
| 8 Mar 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/tiere/katzen-zerstoeren-die-umwelt-… | |
| [2] http://www.focus.de/regional/muenchen/steuer-debatte-schlimmer-als-hunde-li… | |
| [3] /!5365834/ | |
| [4] /!5030517/ | |
| [5] https://www.welt.de/vermischtes/article161548051/Katzensteuer-Sind-jetzt-al… | |
| ## AUTOREN | |
| Adrian Schulz | |
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