# taz.de -- Kunst-Ausstellung in Hannover: Pferde können mehr als Katzen | |
> Das Sprengel-Museum Hannover widmet dem Pferd in der Kunst der Moderne | |
> gleich eine ganze Ausstellung. Die Frage ist: Wozu? | |
Bild: Sind Inspiration für viele Künstler: Pferde. | |
Hannover taz | Pferde in der Kunst der Moderne also. Diesem Motiv in Grafik | |
und Zeichnung, aber auch in einigen wenigen Plastiken, widmet sich nun | |
[1][eine Ausstellung im Hannoveraner Sprengel-Museum]. Vertreten sind | |
Arbeiten aus dem späten 19. und frühen und mittleren 20. Jahrhundert. Es | |
sind Blätter von Franz Marc, Otto Dix, Marc Chagall, Pablo Picasso und | |
Marino Marini und vielen anderen. Alle Arbeiten stammen aus dem | |
herausragenden hauseigenen Sammlungsbestand. | |
Zu sehen sind unzählige Pferde – in Farbe und Schwarz-Weiß, stark | |
abstrahiert und figürlich, liegend, stehend, rennend und auf den | |
Hinterbeinen. Die sofort zu stellenden Fragen sind naheliegend: Wozu? Muss | |
das wirklich sein? Ist das Pferd in der Moderne wirklich so ein zwingendes | |
Thema? Oder ist das Thema möglicherweise bloß einem persönlichen Spleen der | |
Kuratorin Katrin Orchard geschuldet? Und folgen womöglich Ausstellungen | |
über Hunde, Katzen und Hühner in der Kunst der Moderne? | |
Tatsächlich war das Pferd noch in der Zeit um den Zweiten Weltkrieg in | |
Europa sehr präsent und von großer Bedeutung. Neben der wichtigen Funktion | |
des Transports von Menschen und Waren kam das Pferd auch bei der Feldarbeit | |
und auf den Schlachtfeldern der Weltkriege zum Einsatz. Die bürgerliche | |
Vergnügungsindustrie allerdings brachte sie auch in den Zirkus oder in den | |
Sport. Seit den 50er-Jahren etwa verschwindet das Pferd und wird durch | |
Traktoren und Autos ersetzt – denen in der Ausstellung schönerweise dann | |
auch eine ganze Wand gewidmet ist. | |
Das Pferd, und das ist möglicherweise weitaus wichtiger, war stets mit | |
starken Fantasien verknüpft. Man verband mit dem Tier Kraft, Erhabenheit | |
und sexuelle Potenz. In abgeschwächter Form sind diese Vorstellungen heute | |
noch wirksam. Als Einhorn und Pegasus bevölkert es mit übernatürlichen | |
Kräften die Welt der Mythen. Nicht zuletzt aber, um noch einmal direkt auf | |
den Sinn einer solchen Ausstellung zurückzukommen, kann es faszinierend | |
sein, Entwicklungen und Unterschiede der Stile in der Kunst anhand eines | |
einzigen Motivs zu verfolgen. Und in den rund 100 Jahren, die in der | |
Ausstellung beleuchtet werden, ist schließlich in der europäischen Kunst | |
eine ganze Menge geschehen. | |
Eine der erotisch konnotierten Arbeiten der Ausstellung ist ein Holzschnitt | |
von Ludwig von Hoffmann aus dem Jahr 1920. Zu sehen sind zwei aufrecht | |
stehende Pferde, deren Schnauzen sich berühren. Sie selbst sind flächig und | |
ruhig, während die vielen schrägen Linien um sie herum das Bild | |
dynamisieren. Das Pferdepaar wirkt auf diese Weise wie das Zentrum eines | |
Wirbelsturmes. | |
Auch der Linolschnitt von Ella Bergmann-Michel aus demselben Jahr | |
suggeriert ekstatische Spannung und Bewegung: Eine Gruppe Pferde wird hier | |
im Kreis angeordnet und in einen Sturmtrichter getragen. Das aufrecht | |
stehende Pferd in Josef Hegenbarths Temperazeichnung von 1954 gleicht | |
gleich einem erigierten Penis. | |
Vollkommen kraftlos, wie eine Ruine oder ein verdorrter Busch, wirkt | |
hingegen das auf dem Rücken liegende Tier in der Radierung „Pferdekadaver“ | |
von Otto Dix aus dem Jahre 1924. Der Körper ist steif und alle Beine sind | |
nach oben durchgestreckt. Seine Schraffur gleicht der Schraffur des Bodens | |
auf dem er liegt. | |
Während die Pferde in den erwähnten vitalen und morbiden Darstellungen eine | |
körperliche Erscheinung sind, ist das Pferd in Wassily Kandinskys farbigem | |
Holzschnitt von 1911 eher ein Prinzip. Als zwei parallel zueinander | |
stehende, leicht dynamisierte Linien durchzieht es das Blatt. Auch in Pablo | |
Picassos Farblinolschnitt „Pika“ von 1959 ist das Pferd in der Arena ein | |
Muster, auf das ein zweites Muster, ein Stier, zugelaufen kommt. Was man | |
sieht, sind Farbflächen mit sanften Extensionen, keine Körper. | |
Eine kindlich-mythische Gestalt ist das Pferd in den Bildern von Marc | |
Chagall. Sanftmütig und beflügelt trägt das Pferd in der Farblithografie | |
„Arabian Nights“ von 1948 ein auf seinem Rücken liegendes Kind durch die | |
Nacht in Richtung Mond. Hunde, Katzen und Hühner jedenfalls werden so viel | |
schwere Fantasie wohl kaum auf sich vereinen können. | |
17 Feb 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sprengel-museum.de/ausstellungen/vorschau/das-glueck-der-erde.ht… | |
## AUTOREN | |
Radek Krolczyk | |
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