# taz.de -- Das Pferdemagazin „Wendy“ wird 30: Das ultimative Kuscheltier | |
> Seit 30 Jahren lesen junge Mädchen die „Wendy“ und träumen von einem | |
> abenteuerlichen Leben im Sattel. Warum funktioniert das so gut? | |
Bild: Der Traum vom eigenen Pferd – für 83 Prozent der „Wendy“-Leserinne… | |
War das Pferd früher das Tier der Könige und Helden, ein Kriegs- oder | |
zumindest Arbeitsgerät, ist es mit der Erfindung des Automobils immer mehr | |
zum Haustier geworden. Hier und da führt es noch Touristen in Kutschen | |
durch die Gegend oder muss stupide im Kreis laufen. Die Pferde heißen aber | |
heute nicht mehr Bukephalos, Nelson und Herodot, sondern Lulu, Splash und | |
Schecky. | |
Das Tier hat seinen Status verloren. So sehr, dass man in Deutschland ja | |
schon gar nicht mehr Pferd sagen kann, ohne an Lasagne zu denken. Es gibt | |
da natürlich noch den agilen Reitsport, aber abgesehen davon sind Pferde | |
heute hauptsächlich dafür da, gestriegelt, geputzt und an der Longe geführt | |
zu werden – und das vor allem von jungen Mädchen, was psychologisch gesehen | |
zumindest auffällig ist. | |
Die Wendy-Redaktion in Berlin-Mitte, sozusagen das Mekka aller | |
Pferdemädchen, ist ernüchternd. Keine Strohballen, kein Pferdemist, nicht | |
mal ein Hauch von speckigem Ledersattelgeruch. Hier sieht es einfach aus | |
wie in jeder anderen Redaktion: Teppichboden, Glaswände, Computer. | |
Immerhin, das kniehohe Plüschpony in der Ecke des Konferenzraumes und die | |
etwa drei Meter hohe Version eines Wendy-Covers an der Wand, das | |
„Haarsträhnchen in zwei Farben“ verspricht, deutet dezent darauf hin, was | |
hier gemacht wird: die erste und in Deutschland beliebteste Zeitschrift für | |
Pferdemädchen. Und die feiert am 3. Juni ihr 30-jähriges Bestehen. | |
## Früher in Erdtönen, heute in Bonbonfarben | |
160 Millionen Hefte hat man seit der Ersterscheinung gedruckt, heißt es in | |
der Presseaussendung, und der möchte man lieber vertrauen als nachzuzählen. | |
Aus den bodenständigen Erdtönen des Covers der ersten Ausgabe im Jahr 1986 | |
ist heute ein Heft in Bonbonfarben geworden. | |
„Man muss ja am Kiosk auffallen, denn der Markt ist viel fragmentierter als | |
früher“, sagt Wendy-Redakteurin Kathrin Schwarz. Wendy muss sich heute | |
tatsächlich nicht nur mit dem früheren DDR-Pendant Lissy herumschlagen, | |
sondern auch mit diversen US-Disneyimporten wie „Hannah Montana“ oder „Soy | |
Luna“. „Aber die kommen und gehen, wir bleiben“, sagt Wendy-Redakteur | |
Oliver Krohn. | |
Krohn ist in seiner Jugend selbst geritten, sagt er, allerdings habe es ihn | |
gelangweilt, davor und danach so viel Zeit im Stall verbringen zu müssen. | |
Die Jubiläumsausgabe zum 30. Geburtstag titelt mit Dorinka aus | |
Schleswig-Holstein – tiefe Brust, üppige Mähne, fliehende Nüsternpartie. | |
Ein Camarguepferd, rassetypisch ein Schimmel. | |
Als Heftextra gibt es einen „Digi-Friend“, ein digitales Haustier also. Im | |
Heft geht es außerdem um die Pferderasse Tinker. Hauptdarsteller ist Wotan, | |
ein „muskulöses Pferd mit einem freundlichen und genügsamen Wesen“ und | |
Puschelhufen. Außerdem gratulieren Prominente zum Jubiläum, etwa die | |
Springreiterin Janne Meyer oder Schauspielerin Lina Larissa Strahl, bekannt | |
aus den „Bibi und Tina“-Filmen. | |
## Eine Fotolovestory, aber mit Pferden statt Love | |
Und dann gibt es noch die gute alte Fotolovestory, die im Gegensatz zur | |
Bravo hier aber ziemlich ohne Love auskommt. „Da geht es um Zickenkrieg im | |
Stall oder um den Wunsch, ein Pferd zu haben. Hier und da kommen auch mal | |
Jungs vor, aber altersgerecht geht es hier eher um Pferde“, sagt Kathrin | |
Schwarz. Die sogenannten Friesen mit ihrer langen gewellten Mähne und ihrem | |
glänzend schwarzen Fell sind übrigens der absolute Pferdemädchentraum, | |
sagen die Wendy-RedakteurInnen. | |
Neben den heiß begehrten Pferdepostern, den Kronjuwelen jeder | |
Raufasertapete, ist aber der Comic das Herzstück des Heftes. Seit 1991 | |
dreht er sich um die Figur Wendy Thorsteeg, die mit ihren Eltern auf dem | |
Gut Rosenberg lebt und mit Freundin Bianca, der Hannoveranerstute Penny und | |
der Pintostute Miss Dixie kleine Abenteuer erlebt, die im Grunde aber immer | |
von zwischenmenschlichen Beziehungen handeln. „Es gibt emotionale Konflikte | |
in den Geschichten, die aber am Ende immer gelöst werden“, erklärt Oliver | |
Krohn die Beliebtheit des Comics, der in Argentinien gezeichnet wird. | |
Wendy erscheint derzeit im Dreiwochentakt, und die verkaufte Auflage liegt | |
bei rund 55.000 Stück. Die Kernzielgruppe der Zeitschrift besteht aber aus | |
sieben- bis elfjährigen Mädchen, die wie von Natur aus von tiefer | |
Pferdeliebe erfüllt sind. „Wir kriegen natürlich auch Zuschriften von | |
Jungs, sie machen aber nur etwa 4 Prozent der Leserschaft aus“, sagt Nora | |
Gollek, die im Vertrieb und Marketing des Ehapa-Verlages arbeitet, der | |
neben Wendy auch das Lustige Taschenbuch, Micky Maus oder Yps herausgibt. | |
Die Annahme, dass der Stall einfach ein sozialer Raum ist, den Mädchen in | |
ihrer Freizeit gruppenzwangsartig aufsuchen und wo sie sich so mit dem | |
Pferdevirus infizieren, liegt nahe. Aber Umfragen der Zeitschrift zeigen | |
auch, dass 83 Prozent der LeserInnen gar kein eigenes Pferd haben, sich | |
aber eines wünschen. Es geht also eher darum, eine Art Traumwelt zu | |
bedienen. Aus Verlegersicht eine großartige Nische, zu der man sich | |
gratulieren kann, weil die Zielgruppe quasi von selbst nachwächst, ohne | |
dass man sich bemühen müsste. „Ein Pferd ist anders als andere Haustiere, | |
es ist stark, beschützend und ein Freund“, sagt Redakteurin Kathrin | |
Schwarz. | |
## Eine Beziehung mit Bindungscharakter | |
Die Sportwissenschaftlerin Helga Adolph und Evolutionspsychologe Harald | |
Euler gehen da noch weiter. Sie schrieben nach einer empirischen Studie im | |
Jahr 1994 von drei Motiven für Pferdeliebe. Eines davon ist das | |
Beziehungsmotiv: „Mädchen und Pferd haben eine Beziehung mit | |
Bindungscharakter. Das Pferd ist zwischen Puppe und Partner das ultimative | |
Kuscheltier, also das größte, schönste und letzte, im Übergang von | |
Herkunftsfamilie zu neuer sexueller Partnerbeziehung.“ Die anderen beiden | |
Motive seien Fürsorge und Abenteuer. Runtergebrochen bedeutet das, dass da | |
erst der Teddy, dann der Hamster, dann das (imaginäre) Pferd ist, bis | |
schließlich so ein pickeliger Junge oder ein grobporiges Mädchen kommt und | |
einem mit Karacho das Herz bricht, dass es nur so knallt. | |
Aber kein Grund zur Panik. Denn der Wunsch nach einer „Pferdebeziehung“, | |
ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit devotem Verhalten oder gar | |
konservativen Rollenbildern, sondern kann auch für Abnabelung stehen, sagt | |
Redakteurin Kathrin Schwarz, außerdem seien Pferde Tiere, die sehr klar und | |
stark geführt werden müssten. | |
Die meisten Frauen werden mit der Zeit vom Pferdevirus geheilt, allerdings | |
dürfte ab und zu noch etwas davon aufflackern. Das hat etwa die vergangene | |
Woche gezeigt, als im Netz massig Bilder von Frederik dem Großen geteilt | |
wurden, weil er das „sexiest horse alive“ sei. Muskulös, mit freundlichem | |
Wesen. | |
Frederik ist natürlich ein Friese, was sonst. | |
2 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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